Alle „AAA“-Länder auf dem Prüfstand
Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s feuert drei Tage vor dem nächsten EU-Gipfel einen kräftigen Warnschuss in Richtung Europa ab: 15 Staaten der Euro-Zone werden demnach unter Beobachtung gestellt werden, insbesondere damit auch die sechs Staaten mit der Bestnote „AAA“. Somit sind unter anderen auch Österreich und Deutschland betroffen.
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Das heißt, S&P prüft die Lage dieser Staaten jetzt intensiv und behält sich vor, sie innerhalb von 90 Tagen abzustufen. Die Wahrscheinlichkeit für ein Downgrading liege bei 50 Prozent, schreibt die „Financial Times“, die die Maßnahme auf ihrer Homepage vorab öffentlich gemacht hatte.
Fünf Faktoren
Der Ausblick für Zypern auf negativ wurde belassen. Für Griechenland wurde keine Veränderung vorgenommen. Auslöser für die Maßnahme war die Überzeugung, dass systemische Belastungen in der Euro-Zone in den abgelaufenen Wochen gestiegen sind bis zu einem Ausmaß, dass sie nun auf die ganze Euro-Zone einen Abwärtsdruck ausüben, schreibt S&P in ihrer Mitteilung am Abend.
Fünf Faktoren seien dafür ausschlaggebend: eine Verringerung der Kredite, deutlich höhere Risikoprämien für immer mehr Euro-Staaten, auch für solche, die noch ein „AAA“-Rating haben, anhaltende Uneinigkeit zwischen den EU-Politikern über die notwendigen Maßnahmen, hohe Verschuldung der Öffentlichen Hand in einem großen Teil der Euro-Zone sowie das steigende Risiko einer Rezession im Jahr 2012.
Entscheidender Gipfel
Die Ratingagentur will vor allem die Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs am Gipfel am Donnerstag und Freitag abwarten und dann so schnell wie möglich entscheiden, ob sie einige oder alle Euro-Länder herunterstuft. S&P geht davon aus, dass die Herunterstufung - wenn überhaupt - für die Triple-A-Länder Österreich, Deutschland, Niederlande, Finnland und Luxemburg sowie für Belgien um einen Punkt erfolgen könnte, für die anderen Staaten, also auch das „AAA“-Land Frankreich, um bis zu zwei Punkte.
S&P kündigte an, die Bewertung „so rasch wie möglich nach dem Gipfel“ abzuschließen. „Wir sind der Meinung, dass der Mangel an Fortschritten, den die europäischen Politiker bisher dabei gemacht haben, eine Ausbreitung der Krise zu verhindern, strukturelle Schwächen im Entscheidungsprozess der Euro-Zone und der Europäischen Union widerspiegeln könnten“, zitiert die „Financial Times“ die Ratingagentur.
Schuldenbremse für Österreich gefordert
Standard & Poor’s will laut „Financial Times“ bei jenen Ländern, die eine Mitteilung erhalten haben, sowohl politische Faktoren als auch Finanzfaktoren überprüfen. Auf der politischen Ebene vermerkt die Ratingagentur, dass insgesamt die Konsistenz, Vorhersagbarkeit und Effizienz der politischen Koordinierung in der Euro-Zone schwächer geworden sei, während massive steuerliche und wirtschaftliche Herausforderungen bevorstünden.
Für Österreich hält sie spezifisch fest, dass die im Verfassungsrang verankerte Schuldenbremse als glaubwürdiger Konsolidierungsschritt wichtig gewesen wäre. S&P wird nach dem Gipfel noch im Dezember zu einer Überprüfung der Zahlen in Österreich erwartet.
Finanzministerium hofft auf EU-Gipfel
Die heimische Regierung ließ in einer Aussendung wissen, Österreich und die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone hätten bereits Maßnahmen gesetzt, um die Defizite und Schuldenstände nachhaltig zu senken. Die Bundesregierung handle „entschlossen und wird sowohl auf europäischer Ebene wie auch in Österreich selbst die entsprechenden Maßnahmen vorbereiten und umsetzen“.
Das österreichische Finanzministerium verweist auf „externe Faktoren, die nicht von Österreich beeinflussbar sind“, die dazu geführt hätten, dass S&P Österreich mit den anderen Euro-Ländern unter Beobachtung stellt. Nun sei es „umso wichtiger, dass der Gipfel am Freitag konkrete Fortschritte bringt“, sagte Ministeriumssprecher Harald Waiglein. Standard & Poor’s nenne eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse als wichtigen Schritt in Richtung Konsolidierung. Man könne nur hoffen, dass die Opposition nun umdenke und doch noch der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zustimme.
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl forderte am Abend in einer Aussendung rasche Reformen und Sparwillen der öffentlichen Hand. „Wenn die öffentliche Hand - Bund, Länder und Gemeinden - nachhaltig nur fünf Prozent der Gesamtausgaben einsparen würde, rückt eine Konsolidierung der Staatsfinanzen in greifbare Nähe“, schreibt er in einer Aussendung.
Börsen reagieren nervös
Ein Verlust der Topnote für die sechs kreditwürdigsten Länder der Euro-Zone hätte auch Folgen für den Euro-Rettungsfond EFSF, der wie seine garantiegebenden Länder ebenfalls mit der Bestnote bewertet ist.
Auf den Devisen- und Aktienmärkten sorgten die Berichte für Unruhe: Der Euro fiel unter 1,34 US-Dollar, nachdem er im europäischen Nachmittagshandel noch bis auf 1,3479 Dollar geklettert war. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung 1,3389 Dollar. Der Dow Jones gab einen Teil seiner Gewinne ab: Nach einem Tageshoch bei 12.186,53 Punkten schloss der weltweit bekannteste Aktienindex mit 0,65 Prozent bei 12.097,83 Punkten noch knapp im Plus.
Umstrittene Ratingagenturen
Die Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder werden wegen vergleichsweise solider Staatsfinanzen bisher von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote „AAA“ bewertet, womit ein Zahlungsausfall als höchst unwahrscheinlich gilt. Je höher die Bonitätsnote, desto günstiger kommen Schuldner an Geld. In der Schuldenkrise hatten die Einschätzungen der mächtigen Ratingagenturen immer wieder für Wirbel gesorgt. Nach Herabstufungen wurde es für finanziell angeschlagene Länder immer schwieriger, sich auf dem Kapitalmarkt Geld zu besorgen. Die Krise verschärfte sich dadurch. Die Ratingagentur hatte erst in der vergangenen Woche 15 der weltweit größten Banken heruntergestuft - einige davon in Europa.
Wenige Stunden nach Treffen Merkel - Sarkozy
Am Montag hatten mit Deutschland, Frankreich und Italien drei Schwergewichte der Euro-Zone einen weiteren Versuch unternommen, das Vertrauen der Märkte wieder zu stärken. Italiens neuer Ministerpräsident Mario Monti stellte ein Reformpaket über 30 Milliarden Euro vor. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy präsentierten erste Ideen, wie sie für eine verbindlichere Einhaltung der Schuldengrenzen sorgen wollen.
Sie wollen die Haushaltsdisziplin in Europa bis März auf eine neue vertragliche Grundlage stellen. Kernpunkt eines Fünfpunkteplans zur Haushaltsdisziplin sollen automatische Sanktionen für Defizitsünder sein. Der deutsch-französische Vorstoß soll am Donnerstag und Freitag auf dem EU-Gipfel diskutiert werden.
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