Haushaltsdisziplin im Visier
Deutschland und Frankreich machen sich gemeinsam für die schnelle Festschreibung strengerer Euro-Stabilitätsregeln stark. Auf dem EU-Gipfel Ende der Woche solle es um Vertragsänderungen mit allen 27 Mitgliedsstaaten für eine Verschärfung der Haushaltskontrolle gehen, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Montag nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Paris.
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Frankreich und Deutschland streben automatische Strafen für Staaten an, deren Defizit die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Beide seien „absolut entschlossen“, bei Schwierigkeiten auch nur in der Gruppe der 17 Euro-Länder Vertragsänderungen zu beschließen. Außerdem wollen Paris und Berlin den für Mitte 2013 geplanten dauerhaften Rettungsmechanismus ESM auf 2012 vorziehen.
„Zeitplanung ist sehr einfach“
Sarkozy kündigte an, dass EU-Ratspräsident Herman van Rompuy ein Brief mit deutsch-französischen Vorschlägen geschickt werden solle. Darin seien alle Einzelheiten dazu enthalten, was Deutschland und Frankreich für die Euro-Zone erreichen wollten. „Die Zeitplanung ist sehr einfach. Am Mittwoch senden wir den Brief an Van Rompuy ab. Donnerstag und Freitag hoffen wir, alle Vorschläge, die wir vorzulegen haben, präsentieren zu können, und dann werden wir sehen, wie das Echo ist, ob man einen Vertrag mit 27 oder mit 17 Staaten anstrebt. (...) Wir sind uns der Schwere der Situation bewusst und auch der Verantwortung“, so Sarkozy.
„Mit voller Kraft vorausgehen“
Die aktuelle Schuldenkrise dürfe sich auf gar keinen Fall wiederholen. „Was sich bisher ereignet, darf sich nie wieder ereignen“, so Sarkozy. „Unser Wille ist es, dann mit voller Kraft vorauszugehen, um das Vertrauen in den Euro, die Euro-Zone wiederherzustellen. Wir haben keine Zeit. Die Dinge liegen klar: So schnell wie möglich wird gehandelt auf der Basis dieser Vereinbarung zwischen Frankreich und Deutschland plus den anderen“, so Sarkozy und Merkel.
Merkel sagte: „Wir werden natürlich auch mit dem Europaparlament sprechen und sagen, wie wir uns das vorstellen, damit jetzt kein Missverständnis auftritt. Aber wir sind fest entschlossen, die Entscheidung jetzt genau bei diesem Rat herbeizuführen.“
Ernsthafte Schuldenbremsen gefordert
Merkel betonte, dass bei den geplanten Sanktionen bis hin zum Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht jedes einzelne Budget eines Landes überprüft werden solle. Auch Sarkozy sagte, der EuGH könne nicht die nationalen Haushalte annullieren. Es gehe um die Umsetzung einer ernsthaften Schuldenbremse. Angestrebt werden auch automatische Sanktionen gegen Schuldensünder, die mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden sollen.
Sarkozy betonte die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder (Euro-Bonds) wollen beide Seiten derzeit nicht einführen. Sarkozy sagte: „Frankreich und Deutschland sind sich hundertprozentig einig, dass die Euro-Bonds auf gar keinen Fall eine Lösung für diese augenblickliche Krise sind, auf gar keinen Fall.“ Es sei „eine komische Idee“, die Schulden vergemeinschaften zu wollen, denn Deutschland und Frankreich müssten ja für die Schulden der anderen eintreten, ohne kontrollieren zu können, wie diese Schulden dort zustande kämen.
Barroso offen für Vertragsänderung
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso zeigte sich offen für die von Deutschland und Frankreich angestrebte Änderung der europäischen Verträge. „Wenn die Mitgliedsstaaten der Meinung sind, die Verträge sollten verändert werden, so dass unsere Verpflichtung zu Stabilität und Verantwortung auf eine höhere rechtliche Ebene gehoben werden, dann ist das ein gutes Signal“, sagte Barroso der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstag-Ausgabe). Mit Blick auf die Dauer der Änderungen sagte der Kommissionschef, es gebe „komplexe“ und „relativ einfache“ Wege.
Zugleich forderte Barroso die Regierungen beider Länder zu mehr Solidarität mit den anderen EU-Staaten auf. „Die beiden Länder müssen Respekt für die anderen Länder und die Ratspräsidentschaft zeigen.“ Manche Mitgliedsstaaten fühlten sich unwohl mit der Art, wie Deutschland und Frankreich zuweilen ihre Vorschläge präsentierten, so der Portugiese. Auf der anderen Seite sei es „nur normal“, dass Deutschland und Frankreich sich träfen und sich abstimmten.
Polen bremst Paris und Berlin
Das EU-Ratsvorsitz-Land Polen pocht in der Debatte über Vertragsänderungen auf eine zentrale Rolle der EU. Nur EU-Ratspräsident Van Rompuy habe das Recht, beim Gipfeltreffen der Europäer zur Euro-Rettung Ende der Woche dazu Vorschläge zu machen.
Van Rompuys Bericht müsse die Grundlage sein, nicht deutsch-französische Vorschläge, sagte der polnische Europaminister Mikolaj Dowgielewicz am Montag in Brüssel am Rande von Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen. „Das ist ein wichtiger Punkt.“ Polen führt turnusmäßig bis zum Jahresende die Amtsgeschäfte der EU, leitet aber nicht das Spitzentreffen am 8. und 9. Dezember in Brüssel - das ist dem Belgier Van Rompuy vorbehalten.
Spekulationen über Sonderfonds
Laut einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ ist zudem im Gespräch, den Internationalen Währungsfonds (IWF) stärker bei der Euro-Rettung einzubinden, indem die Zentralbanken der 17 Euro-Länder jeweils Gelder für einen Sonderfonds zur Verfügung stellen. EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte sich bereits dafür ausgesprochen, den IWF durch weitere finanzielle Mittel als Instrument im Kampf gegen die Krise zu stärken. Dazu waren bilaterale Kredite europäischer Länder im Gespräch.
Die EZB bereitet einem Bericht der britischen „Sunday Times“ zufolge eine Kapitalspritze in Höhe von einer Billion Euro für die kriselnde Euro-Zone vor. Die Vorbereitungen gingen dem politischen Gipfeltreffen am Ende der Woche voraus, zitierte Dow Jones aus dem Zeitungsbericht. Eine Quelle für die Information nannte das Blatt nicht. Der Plan solle nur umgesetzt werden, wenn sich die europäischen Regierungschefs auf eine strengere Kontrolle der Staatsfinanzen durch die EU einigen können.
EU-Kommission gegen Sarkozy-Merkel-Vorschläge
Die EU-Kommission äußerte sich bereits im Vorfeld ablehnend gegenüber der deutsch-französischen Forderung nach Änderungen der EU-Verträge, um die Euro-Länder zu mehr Haushaltsdisziplin zu zwingen. „Wir haben unter den bestehenden Verträgen die Instrumente, um unsere Überwachung von Haushalten und Wirtschaftspolitiken zu verschärfen, darunter auch die Möglichkeit von Sanktionen“, sagte der Sprecher Rehns am Montag in Brüssel.
Rehn verweist auf verschärften Stabilitätspakt
In einer Woche trete die Verschärfung des EU-Stabilitätspakts mit schnelleren und automatischen Sanktionen gegen Defizitländer in Kraft. Der Sprecher verwies zudem auf Kommissionsvorschläge für eine strenge Kontrolle der Haushalte der Euro-Länder, die keine Vertragsänderungen nötig machen.
Die Verhandlungen über den verschärften Stabilitätspakt hatten sich bereits rund ein Jahr lang hingezogen. Der Pakt schreibt ein Staatsdefizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einen Gesamtschuldenstand von höchstens 60 Prozent als Obergrenzen vor. Trotz möglicher Strafen verhinderte das nicht die derzeitige Schuldenkrise. Sanktionen sollen nun leichter verhängt werden und von den Ländern nicht so leicht abgewehrt werden können.
Zudem sind Sanktionen nicht erst möglich, wenn ein Land die Defizitkriterien bereits verletzt hat. Strafen drohen nun schon, wenn ein Land auf ein Staatsdefizit von drei Prozent des BIP oder darüber zusteuert und die Regierung nichts tut, um den Kurs zu korrigieren.
Für strengere Budgetüberwachung
Die EU-Kommission machte vor knapp zwei Wochen zudem Vorschläge für eine strenge Überwachung der nationalen Haushalte in der Euro-Zone. Sie fordert, dass die Euro-Länder künftig im Herbst ihre Budgetentwürfe für das Folgejahr in Brüssel vorlegen, bevor die nationalen Parlamente darüber entscheiden. Die EU-Kommission will Änderungen fordern dürfen, wenn die EU-Stabilitätsregeln in Gefahr sind. Eine besonders strenge Daueraufsicht droht den Plänen zufolge den Ländern mit Finanzproblemen.
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