Experte: „Getändel der Politik“
Der neue EZB-Chef Mario Draghi hat Erwartungen an eine tragende Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Lösung der Schuldenkrise gedämpft. Die nicht auf Dauer angelegten außergewöhnlichen Maßnahmen der EZB zur Bekämpfung der Krise seien begrenzt, sagte der Italiener am Donnerstag bei der Vorstellung des EZB-Jahresberichts 2010 im Europaparlament.
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Draghi setzt damit die Linie seines Vorgängers Jean-Claude Trichet fort und enttäuscht all jene, die seit Wochen den Druck auf die Währungshüter erhöhen, nach US-Vorbild mit dem unbegrenzten Aufkauf von Anleihen hoch verschuldeter Euro-Länder die Finanzmärkte nachhaltig zu beruhigen.
„Die EZB kann innerhalb des EU-Vertrags handeln. Daher sollte nichts von ihr verlangt werden, was nicht im Vertrag steht.“ Der EZB ist es laut Maastricht-Vertrag verboten, als Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten zu fungieren. „Es geht nicht darum, Staaten zu subventionieren“, ließ Draghi keine Zweifel an dem Selbstverständnis der EZB.
Anleihen um 200 Milliarden
Die EZB hat bereits für mehr als 200 Mrd. Euro Staatsanleihen von Schuldenstaaten gekauft. Sie stützt damit die Märkte, drückt aber de facto auch die Zinslast dieser Staaten. Die Währungshüter betonten jedoch stets, dass das nur eine vorübergehende Notmaßnahme sein kann.
Bedingungen für weitere Hilfe
Draghi ließ aber die Tür für aggressivere Anleihekäufe durch die EZB offen - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich die Politik beim EU-Gipfel nächste Woche auf konkrete Schritte in Richtung Fiskalunion einigt. Das, so die Einschätzung der „Financial Times“, könnte Draghi dabei helfen, den starken Widerstand der deutschen Bundesbank gegen den Aufkauf zu überwinden. Draghi spielte damit einmal mehr den Ball an die Politik zurück: Diese müsse handeln und rasch einen neuen Finanzpakt beschließen.
„Die Regierungen müssen - einzeln und gemeinsam - ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Märkten wiederherstellen. Ein neues finanzpolitisches Bündnis wäre das wichtigste Signal der Regierungen der Euro-Zone, dass sie den Weg zu einer umfassenden Vertiefung der wirtschaftlichen Integration gehen. Es würde auch eine klare Richtung für die künftige Entwicklung der Euro-Zone vorgeben und damit den Erwartungen einen klaren Rahmen geben“, sprach sich Draghi klar für eine Änderung der EU-Verträge aus.
EZB sieht Probleme der Banken
Die EZB sei sich der Schwierigkeiten für die Banken, infolge der Staatsanleihen-Krise Geld auf dem Finanzmarkt aufzunehmen, bewusst, betonte der EZB-Chef weiter. Draghi warnte konkret vor einer drohenden Kreditklemme in der Euro-Zone: Die Verschärfung bei der Kreditvergabe kombiniert mit einer Schwächung der Konjunktur verspreche „gar nichts Gutes für die nächsten Monate“. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe seien betroffen.
Erwartet wird daher, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung bis zu dreijährige Kredite an Banken beschließt und die Regeln für die Sicherheiten, die für die Kredite bei der EZB hinterlegt werden müssen, gelockert werden. „Das Wichtigste für die EZB ist es, die Kreditkanäle wieder zu öffnen“, so Draghi.
Britische Notenbank: „Systemische Krise“
Die Uneinigkeit der Länder der Euro-Zone wird in Großbritannien mit großem Unbehagen gesehen: Für Notenbankpräsident Mervyn King steht der Fortbestand der Währungsunion auf tönernen Füßen. Er hat eigenen Aussagen zufolge bereits Notfallpläne für ein Scheitern in der Schublade, wie er auf einer Pressekonferenz sagte: „Möglicherweise wird sie nicht auseinanderbrechen, vielleicht aber in verschiedenen Formen weiterbestehen. Wir wissen es nicht.“
King sprach zudem von einer „systemischen Bankenkrise“. Den Geldhäusern riet er, so viel Kapital wie möglich aufzubauen, um in der Krise bestehen zu können. Gleichzeitig forderte der britische Notenbankchef, dass Banken weiter Kredite an die Realwirtschaft vergeben müssten, andernfalls würde sich die Krise weiter verschärfen.
Globale Notoperation
Die EZB, die US-Notenbank Fed und weitere wichtige Notenbanken hatten am Mittwoch in einer konzertierten Aktion beschlossen, die Banken mit Dollar-Liquidität zu günstigen Konditionen zu versorgen. Hintergrund ist, dass viele Banken wegen der Krise Dollar horten und damit zu wenig der Weltleitwährung im System zur Verfügung steht. Einige europäische Banken hatten zuletzt Probleme gehabt, sich günstig Dollar-Kredite zu besorgen.
Entspannung auf Anleihemarkt
Die Notoperation der Zentralbanken führte dazu, dass die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen in der Euro-Zone im Lauf des Donnerstags weiter sanken. Lediglich deutsche Papiere verzeichneten ein leichtes Plus, was bedeutet, dass die Spreads insgesamt zurückgingen. Für Österreich heißt das, dass der Zinsabstand zu deutschen Papieren in nur einem Tag von 1,2 auf 1,0 Prozent zurückging. Am 15. November hatte es den bisher höchsten Spread für österreichische Anleihen von 1,9 Prozent gegeben.
Am stärksten fiel der Rückgang der Zinshöhe für Belgien aus - von 5,013 in der Früh auf nunmehr 4,81 Prozent. Auch die Renditen für italienische Papiere sanken von 6,993 auf 6,803 Prozent. Auch die spanischen, französischen und portugiesischen Papiere befinden sich in einem deutlich positiven Abwärtstrend.
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