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Gewerbsmäßig schwerer Betrug?

Wegen des Verkaufs von Immofinanz- und Immoeast-Anteilen fühlen sich 2.500 Anleger in Österreich vom Finanzdienstleister AWD geprellt. Sie kämpfen seit Jahren um Schadenersatz. Nun schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein. Nach einer Strafanzeige des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) nahm sie Ermittlungen gegen führende Köpfe des Unternehmens auf, berichtet Ö1.

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Gleich 20 ehemalige und aktive AWD-Manager werden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt. Auch der prominente deutsche AWD-Gründer Carsten Maschmeyer findet sich auf der Liste. Der zentrale Vorwurf in den mehr als 100 Seiten starken Anzeigeschrift des VKI lautet, dass sich AWD fälschlich und betrügerisch als unabhängiges Finanzberatungsunternehmen dargestellt, dabei aber hohe Provisionen für den Verkauf von Immofinanz-Aktien kassiert habe.

Schauspielerin Veronika Ferres und ihr Partner, AWD-Gründer Carsten Maschmeyer

dapd/Mario Vedder

Maschmeyer mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Veronica Ferres

Martin Ulrich, Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, bestätigte gegenüber Ö1, dass es Ermittlungen wegen betrügerisch motivierten Vertreibens von Finanzprodukten gibt - mehr dazu in oe1.ORF.at. Geprüft werde, ob strafrechtlich relevantes Verhalten vorliege, konkret, ob es sich um gewerbsmäßigen schweren Betrug handle.

1,97 Mio. Kunden

AWD wurde 1988 gegründet und ging 2000 an die Börse. 2007 übernahm der Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life das Unternehmen zu 100 Prozent. Rund 5.300 selbstständige Finanzberater betreuen 1,97 Millionen Kunden in Deutschland, England, Österreich, der Schweiz und Osteuropa.

„Sicher wie ein Sparbuch“

Laut der Anzeige, die Ö1 vorliegt, sieht der VKI den Betrug auch darin, dass die Anteilsscheine von AWD-Beratern und Verantwortlichen fälschlich als „Immobilienfonds“, als „mündelsicher“ oder als „sicher wie ein Sparbuch“ bezeichnet wurden. „Die Vermeidung des Begriffs Aktien war Inhalt der Schulungen“, kritisiert der VKI. Rund 1.800 vom VKI vertretene Anleger wollen sich einem etwaigen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen.

Maschmeyer „maßgeblich“ verantwortlich?

Zudem kommt der VKI zu dem Schluss, dass Maschmeyer, bis 30. September 2009 Vorstand der deutschen AWD Holding AG, „maßgeblich für die Entwicklung und Durchsetzung der betrügerischen Strategie des AWD“ verantwortlich gewesen sei. Sein unternehmerisches Verhalten sei geprägt von einer „Diskrepanz zwischen Sein und Schein“. Auch die zweite Managementebene, die Direktoren, sowie die AWD Gesellschaft für Wirtschaftsberatung GmbH in Wien sehen die Konsumentenschützer in der Pflicht.

Insgesamt werden 20 Verdächtige des schweren gewerbsmäßigen Betrugs bezichtigt, wie auch die APA bestätigte. Sie hätten die einfachen AWD-Vermittler („Agenten“) in ihrem „betrügerischen Verhalten“ bestärkt, nämlich Kunden zu täuschen, um möglichst hohe Provisionen zu kassieren. Das System AWD sei so aufgebaut, dass es für risikoreichere Produkte, die noch dazu lange gehalten wurden, das meiste Geld gebe. Dieses „skrupellose Verhalten“ habe letztlich Zehntausenden Anlegern hohe Verluste beschert, so der VKI.

AWD droht mit Gegenklage

Der AWD weist die Vorwürfe „mit aller Entschiedenheit und auf das Schärfste“ zurück und erwägt rechtliche Schritte. AWD-Sprecher Hansjörg Nagelschmidt spricht von bekannten, haltlosen Vorwürfen und sagt zur Strafanzeige, dass es keine Grundlage für die Anschuldigungen gebe. Offensichtlich würden andere juristische Erfolge ausbleiben. Der VKI wolle offenbar größtmöglichen Imageschaden bei einem österreichischen Unternehmen hervorrufen.

AWD droht seinerseits Verantwortlichen des VKI mit rechtlichen Schritten. Welche das sein könnten, sei aber noch unklar. Die Staatsanwaltschaft hat laut ihrem Sprecher Martin Ulrich bereits mehrere Zeugen einvernommen. Dem Vernehmen nach waren ehemalige hochrangige AWD-Mitarbeiter darunter. Auch sie sollen Vorwürfe gegen ihre Ex-Firma erhoben haben.

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