„Krönung und Schlussstein“
Das steirische Universalmuseum Joanneum feiert mit der Eröffnung des umgebauten Museumsviertels am 26. November seinen 200. Geburtstag. Die Überlegungen zu einer Sanierung und Umgestaltung gab es seit 1997, doch erst im Jänner 2010 erfolgte der Spatenstich. Dazwischen lagen Gutachten, Ausschreibungen, Regierungsbeschlüsse, Entwürfe und geänderte Entwürfe.
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Nun wird heute zumindest ein Großteil des neuen Museumsviertels inklusive Landesbibliothek eröffnet werden, ein Jahr später folgt dann der Rest. Überschattet wurden die Feierlichkeiten schon im Vorfeld durch einen Streit zwischen Joanneum-Chef Peter Pakesch mit dem ehemaligen Chefkurator der Neuen Galerie, Peter Weibel, wie kultur.montag Anfang der Woche berichtete. Dieser fährt mit schweren Geschützen auf: Pakeschs Vorgehensweise sei „absolutistisch“, er erlebe, „wie der Faschismus gesiegt“ habe. Nicht primär „durch Ideologie, sondern weil Leute privat einen Nutzen haben“.
Die wichtigsten Vertreter der Grazer Kunstszene schließen sich der Kritik an: Dass es so weit kommen konnte, „dass ein künstlerischer Leiter einen anderen feuern kann“, zeige die politische Misere, so der Tenor - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

APA/Universalmuseum Joanneum/N. Lackner
Futuristisch anmutendes Besucherzentrum des Joanneums
Ehemaliges Stadthaus als ältester Teil
Der älteste Teil des Museumskomplexes ist das Haus in der Raubergasse, das von 1665 bis 1674 nach den Plänen von Domenico Sciassia als Stadthaus für Stift Lambrecht entstanden ist. 1811 wurde es schließlich von den steirischen Landständen für die von Erzherzog Johann gestifteten Sammlungen angekauft. Wesentlich jünger ist der Bau in der Neutorgasse, der erst 1890 bis 1894 als Kulturhistorisches und Kunstgewerbe-Museum entstand und der trotz mehrerer anderer Pläne der einzige Museumsneubau im 19. Jahrhundert in Graz blieb.
Neukonzeption für alle Standorte
1997 wurde begonnen, eine Neukonzeption des ständig gewachsenen Museums anzustellen, die alle Standorte umfassen sollte. Inhaltliche Grundlagen sowie eine erste Kostenbasis fanden sich 2005/2006 im „Masterplan“. 2006 wurde auch ein Regierungsbeschluss zum Gesamtprojekt gefasst.
Es folgte ein Vergabeverfahren, bei dem das Madrider Büro Nieto und Sobejano als Sieger hervorging. Ein erster Entwurf sah 48,5 Mio. Euro an Kosten vor, dann einigte man sich allerdings Ende 2007 auf ein etwas reduziertes Projekt um 38,1 Mio. Euro. Nach diversen Gutachten und Bescheiden konnte schließlich am 13.1.2010 der Spatenstich erfolgen. Im Dezember desselben Jahres bat man anlässlich der Fertigstellung des Rohbaus zur Gleichenfeier, am Samstag soll nun die Eröffnung des Joanneumsviertels über die Bühne gehen.
Auffälliger neuer Eingangsbereich
Neben diversen Sanierungen und Umbauten im Inneren wird vor allem der neue Eingangsbereich im Hof ins Auge fallen. Der Zugang zu den Sammlungen und zur Landesbibliothek mit ihren neuen unterirdischen Speichern erfolgt über einen gemeinsamen Eingang, erst im unterirdischen Bereich teilen sich die Wege der Besucher des Museums und der Bibliothek. Im Stammhaus wird auch die Neue Galerie untergebracht sein, ebenso die naturwissenschaftliche Sammlung.
Während die aus dem Palais Herberstein umgesiedelte Neue Galerie, die Multimedia-Sammlungen und das Besucherzentrum schon rechtzeitig zum Jubiläum fertig sein werden, wird das Naturkundemuseum erst ein Jahr später wiedereröffnet werden. Ebenfalls bereits Ende November 2011 wird die Landesbibliothek mit ihren rund 750.000 Büchern wieder in vollem Umfang zur Verfügung stehen.
„Innovation aus Tradition“
Kulturlandesrat Christian Buchmann hob das joanneische Motto „Innovation aus Tradition“ für die 1997 begonnene Neukonzeption hervor, laut Geschäftsführer Wolfgang Muchitsch und Peter Pakesch „Krönung und Schlussstein“ eines Großprojekts. Vor allem die Neuaufstellung der Neuen Galerie im Haupthaus Neutorgasse sei ein „enormer Zugewinn für die Bildende Kunst in Graz“, so Pakesch. Darüber hinaus sei mit den Multimedialen Sammlungen (vormals Bild-und Tonarchiv) in Verbindung mit dem Büro der Erinnerungen ein neues, kommunikatives Modell von Museum entwickelt worden. Kleiner Wermutstropfen: Die Naturkundesammlung im Trakt Raubergasse wird erst im Frühjahr 2013 fertig.
Am stärksten profitiert hat von Ausbau, Revitalisierung und technischer Aufrüstung die Landesbibliothek, die auf „eine lange Ära der Bedrängnisse und der Einschränkungen“ zurückblickt, so Leiter Christoph Binder. 700.000 Bände werden bis zum Sommer in den Tiefenspeicher eingestellt, parallel zu Auslagerung, Interimslösung und Rückführung wurde der gesamte Bestandskatalog digitalisiert. Weiterhin werden „Styriaca“ den Kernbereich bilden, ein neuer Ausstellungsbereich mit Vortragssaal erweitern die Möglichkeiten.
Gespannt auf Annahme seitens der Bevölkerung
Sehr zufrieden mit der Umsetzung zeigte sich der spanische Architekt Enrique Sobejano, für den die Effekte, die durch die zum Teil bis ins zweite Untergeschoß führenden Lichtrichter erzielt werden, selbst überraschend waren: Der entstandene neue urbane Platz müsse jetzt von der Bevölkerung angenommen und besiedelt werden. Zur Eröffnung locken jedenfalls publikumswirksam Punschhütten auf dem neuen Platz - ob deren Besucher dann auch das Museum frequentieren, bleibt spannend.
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