Neuer Geschäftszweig der FARC
Der zuletzt rasant gestiegene Goldpreis hat in Kolumbien einen regelrechten Goldrausch ausgelöst. Wo früher kleine Minenunternehmen das kostbare Metall abbauten, drängen sich internationale Großkonzerne. Die Regierung kann meist nur tatenlos zusehen, denn im Hintergrund zieht längst die Guerillabewegung die Fäden.
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„Momentan finanziert sich die Terrorgruppe zur Hälfte aus dem Minengeschäft und zur anderen Hälfte aus Drogenhandel“, erklärte General Javier Fernandez Leal, Chef des militärischen Geheimdienstes gegenüber dem britischen Branchenmagazin „Metal Bulletin“. Auf der einen Seite erpressen Rebellengruppen wie die „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC) Minenbetreiber und Transportunternehmen, auf der anderen Seite handeln sie selbst im großen Stil mit Gold, so Fernandez.
„Diese Gruppen sind wandlungsfähig“
Die Orientierung hin zum neuen Geschäftsfeld Gold hängt nicht zuletzt mit den jüngsten Erfolgen im Kampf gegen die Drogen zusammen. Seit Jahren geht die Regierung mit Unterstützung der USA rigoros gegen die Drogenkartelle im Land vor. Zuletzt wurden hochrangige FARC-Kommandanten bei Bombenangriffen getötet und große Produktionsstätten von Coca vernichtet.
Drogenproduktion geht zurück
Von 2009 auf 2010 ist die Drogenproduktion von 410 Tonnen auf 350 Tonnen zurückgegangen. Laut dem International Narcotics Control Board (INCB) könnte Peru bald Kolumbien als größter Kokainproduzenten ablösen.
„Aber diese Gruppen sind wandlungsfähig und ergreifen eine Gelegenheit, wenn sie sie sehen“, sagte Jeremy McDermott, Direktor der Organisation InSight, die sich mit kriminellen Organisationen in Lateinamerika beschäftigt, gegenüber der amerikanischen Zeitung „New York Times“ („NYT“). „Sie wussten, da ist eine sprudelnde Einnahmequelle in ihrer unmittelbaren Reichweite, und sie griffen zu.“
Lukrative Geldquelle
Die Gelegenheit bot sich, als im Zuge der Wirtschaftskrise der Goldpreis zu immer neuen Höhenflügen ansetzte. Die Goldproduktion in Kolumbien stieg um 30 Prozent, und die kriminellen Organisationen entdeckten Gold als ideale neue Einnahmequelle. Mittlerweile wird ein Großteil der Minen von der FARC kontrolliert, einige werden sogar von FARC-Kommandanten selbst betrieben, bei anderen werden von den zumeist illegalen Betreibern „Steuern“ eingehoben.
Regierung ringt um Kontrolle
Wie schon beim Drogenhandel versucht die Regierung auch hier, Herr der Lage zu werden. 2010 wurden Hunderte illegale Minen, die von der FARC oder ähnlichen Paramilitärischen Gruppen betrieben wurden, geschlossen. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos will zudem die kleinen Minen unter staatliche Kontrolle bringen, einerseits, um den kriminellen Gruppen ihre sprudelnde Einnahmequelle abzudrehen, aber auch, um die enorme Umweltbelastung einzudämmen.
Große Geldwäscheoperationen
Im November hat die staatliche Finanzbehörde ausgegeben, dass alle Käufer, Verarbeiter, Exporteure und Importeure von Gold ihre Geschäfte offiziell deklarieren müssen. Die Verordnung wurde erlassen, nachdem die Behörden wegen der steigenden Preise vor wachsenden Geldwäscheoperationen warnten. „An jedem Punkt der Handelskette mit Gold kann man Geld waschen“, bestätigte auch Juan Pablo Rodriguez, Berater bei RICS Management. Die Regierung schätzt, dass jedes Jahr rund acht Milliarden Dollar (sechs Mrd. Euro) in Kolumbien gewaschen werden.

AP/Eliana Aponte
Kolumbianischer FARC-Rebell mit Waffe
Mehr Gold ausgeführt als produziert
Dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht, zeigt auch die Statistik. Denn Kolumbien führt überraschenderweise deutlich mehr Gold aus, als es produziert. 2006 überstieg die Ausfuhr von rund 17 Tonnen die Produktion um 1,4 Tonnen. Das ließe sich noch damit erklären, dass viele illegale Minenbetreiber ihre Goldfunde nicht offiziell deklarieren. 2010 stiegen die Goldexporte auf 62,8 Tonnen - neun Tonnen mehr, als offiziell produziert wurden. Importe wurden so gut wie keine registriert.
Woher stammt also das viele Gold? Bei näherer Betrachtung zeigt sich rasch, dass der unglaubliche Goldreichtum von Kolumbien gar nicht so üppig ist. Denn oft verlassen nur Steine mit einer Goldlackierung versehen das Land. „Die Importeure in den USA oder Europa zahlen jedoch den tatsächlichen Goldpreis, denn dahinter versteckt sich Drogengeld“, erklärte Colonel Miguel Nieto von der kolumbianischen Armee gegenüber „Metal Bulletin“. „Sie können dieselbe Tonne Steine fünf oder zehnmal verkaufen. Da ist sehr, sehr viel Geld im Spiel.“
„Nicht nur profitabel, auch legal“
Doch anders als beim Kampf gegen Drogen sind den Behörden diesmal vielfach die Hände gebunden. „Es ist schwer, es laut auszusprechen, aber ein Grund, warum die Guerilla sich dem Gold zugewendet haben, ist nicht nur, weil es profitabel ist“, erklärte Leiderman Ortiz, Herausgeber einer kleine Zeitung, der „NYT“, „sondern weil sie im Gegensatz zu Kokain hier mit einem legalen Produkt handeln.“
Auch Kolumbiens Bergbauminister Mauricio Cardenas bestätigt gegenüber dem Wirtschaftsmagazin „Bloomberg“ das Problem. Anders als Kokain könne Gold leicht in den Wirtschaftskreislauf eingeführt und zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten herangezogen werden, so Cardenas. „Es ist eine Entwicklung, die rasch an Dynamik gewinnt.“
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