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Spekulationen über weitere Helfer

Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat angesichts sich häufender Fahndungspannen in der Neonazi-Mordserie einzelnen Sicherheitsbehörden „klägliches Versagen“ vorgeworfen. Zwar könne man das noch nicht abschließend beurteilen, sagte Friedrich am Samstag im niederbayrischen Essenbach. „Aber es sieht so aus, als ob einige Behörden kläglich versagt haben.“

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„Keine Frage: Es wird sich der eine oder andere einer peinlichen Befragung unterziehen müssen. Wir werden sehen, was da auch an Strukturen falsch gelaufen ist, und Konsequenzen ziehen“, sagte Friedrich. Mit Blick auf die zunehmende Zahl von Verdächtigen betonte der Innenminister: „Es sieht so aus, als ob die Strukturen doch größer sind, als wir uns das vorgestellt haben, und damit noch gefährlicher, wenn es nicht gelungen ist, trotz einer größeren Gruppe Hinweise zu bekommen.“ Das mache „sehr unruhig“. Und deshalb werde man an die Verfassungsschützer an Ort und Stelle schon einige Fragen haben.

„Spiegel“: Drei V-Leute im Umfeld der Täter

Das deutsche Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtete am Samstag, dass die deutschen Geheimdienste zeitweise offenbar engeren Kontakt zu dem Neonazi-Trio aus Jena hatten, als bisher bekannt. Der Thüringer Verfassungsschutz habe Ende der 90er Jahre mindestens drei V-Leute im Umfeld der Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geführt, berichtet „Der Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe. Laut „Focus“ wurde der Militärische Abschirmdienst (MAD) kurz nach dem Verschwinden des Trios 1998 über dessen Aufenthaltsort informiert.

Das soll der MAD-Präsident Karl-Heinz Brüsselbach den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestags am vergangenen Dienstag mitgeteilt haben. Wie der „Focus“ weiter berichtet, hatte ein V-Mann des MAD den Tipp damals an eine Außenstelle der Behörde in Leipzig weitergegeben. Die Information sei zwar in die MAD-Zentrale nach Köln weitergereicht worden, dort aber liegengeblieben.

Zu den Informanten des Thüringer Verfassungsschutzes gehörte laut „Spiegel“ neben dem Kopf des Thüringer Heimatschutzes, Tino B., auch der Chef der Thüringer Sektion der Organisation „Blood & Honour“. Trotz der intensiven Durchdringung des Verfassungsschutzes der einschlägigen rechten Szene war es den Geheimdiensten damals angeblich nicht gelungen, das untergetauchte Neonazi-Trio aufzuspüren.

Fünf Komplizen in Sachsen?

In Sachsen ist nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) sogar von fünf möglichen Helfern der Gruppe die Rede. Dabei handle sich um eine Friseuse, einen Lastwagenfahrer, ein Ehepaar und den Zwillingsbruder des Ehemanns aus Johanngeorgenstadt im Erzgebirge. Die Friseuse könnte ihre Papiere für das Trio hergegeben haben, Zschäpe habe zeitweise ihre Identität angenommen, berichtete das Blatt. Das Ehepaar werde verdächtigt, an der DVD mitgewirkt zu haben, auf der die Täter die Morde dokumentiert hatten.

Festnahmen gab es bisher keine mehr. „Wir haben in diesem Zusammenhang bisher keine weiteren Verdächtigen festnehmen lassen“, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Samstag in Karlsruhe. Die Ermittlungen erstreckten sich auf das Umfeld der Zwickauer Zelle. „Es sind weitere konkrete Personen in unseren Blick geraten“, sagte der Sprecher. Nähere Angaben dazu machte er nicht.

Zweite Tatwaffe identifiziert

In der abgebrannten Wohnung des Neonazi-Trios in Zwickau ist unterdessen auch die zweite Tatwaffe des Polizistenmordes von Heilbronn gefunden worden. Die Waffe sei identifiziert worden, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Samstag in Karlsruhe. Er bestätigte damit Medienberichte. Die Polizistin Michele Kiesewetter war am 25. April 2007 in Heilbronn auf einer Festwiese mit einem Kopfschuss getötet worden. Ihr damals 24 Jahre alter Streifenkollege wurde schwer verletzt und lag mehrere Wochen im Koma.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte am Samstag die volle Aufklärung der Mordserie, die den Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ zugerechnet wird. Zugleich mahnte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden ein. Vertreter von Union und SPD im Bundestag erwägen Medienberichten zufolge die Einsetzung eines Sonderermittlers, um die Fahndungspannen und mögliche Verwicklungen des Verfassungsschutzes aufzuklären.

„Ich möchte nie wieder, dass ein Geheimdienst Vollzugsbefugnisse bekommt“, sagte Merkel in ihrer Videobotschaft. „Aber informieren müssen sich die Behörden natürlich untereinander. Hier werden wir genau hinschauen, ob wir etwas aus den Vorgängen lernen müssen.“

Parteienfinanzierung für NPD stoppen?

Der Innenminister von Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), forderte unterdessen ein Ende der staatlichen Parteienfinanzierung für die rechtsextreme NPD. „Ich plädiere mit Nachdruck dafür, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen“, sagte Schünemann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAZ“) laut Vorausmeldung vom Samstag.

Im Vorfeld eines Parteiverbots, wie es derzeit diskutiert wird, wäre das ein „wirksames Abwehrinstrument“. Dafür müssten allerdings Grundgesetz und Parteiengesetz geändert werden. Darüber hinaus schlug Schünemann vor, ein deutschlandweites Qualitätsmanagement für V-Leute der Sicherheitsbehörden in extremistischen Gruppierungen einzuführen.

Gedenkfeier geplant

Der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert kündigte unterdessen eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mordserie an. Bundestag, Bundespräsidialamt und Bundesregierung seien sich „einig, dass es eine Veranstaltung geben soll“, sagte Lammert dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“ laut Vorabmeldung vom Samstag.

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