An Hand verletzt
Der seit Monaten gesuchte Sohn des ehemaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam, ist nach Angaben der Übergangsregierung in Libyen festgenommen worden. Der designierte Justizminister Mohammed al-Allagui sagte am Samstag in Tripolis, Saif al-Islam sei im Süden Libyens gestellt worden.
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Saif al-Islam ist nach offiziellen Angaben in Obari (Oubari) im Süden des Landes gefasst worden. Er sei in Begleitung von drei Helfern gewesen, die ebenfalls festgenommen wurden, berichtete der Sender al-Arabija unter Berufung auf einen Offiziellen des Übergangsrates.
Offenbar in guter Verfassung
Gegenüber einer Reuters-Journalistin sagte Saif al-Islam nach seiner Festnahme, es gehe ihm gut. Der Gaddafi-Sohn hat offensichtlich Verletzungen an seiner rechten Hand - seinen Angaben nach stammen diese von einem NATO-Luftangriff vor einem Monat. Er habe um sein Leben gebangt, sagte einer der Männer, die ihn festnahmen. „Er dachte, dass wir ihn umbringen.“

Reuters/Libya Free TV via Reuters TV
Das libysche Fernsehen zeigte Saif al-Islam kurz nach seiner Festnahme, wie der 39-jährige in Decken gehüllt auf einer Couch liegt. Die Finger seiner rechten Hand sind bandagiert.
Der Gaddafi-Sohn wird vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen des Vorwurfs der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht. Der IStGH in Den Haag stand nach eigenen Angaben davor bereits in Verhandlungen mit Saif al-Islam über dessen Ergebung. Diktator Gaddafi war im Oktober zwei Monate nach seinem Sturz in der Stadt Sirte getötet worden. Damals hieß es zunächst irrtümlich, auch sein Lieblingssohn Saif al-Islam sei ums Leben gekommen.
Prozess in Libyen möglich
Al-Allagui kündigte laut BBC und al-Jazeera an, dass Saif al-Islam ein faires Verfahren in Libyen erwartet. Dieses soll mit dem IStGH koordiniert werden. „Uns stört es nicht, internationale Beobachter bei dem Prozess dabei zu haben“, sagte Alagy. Saif al-Islam wurde nach seiner Festnahme am Samstag von Kämpfern des libyschen Nationalen Übergangsrates von der Wüstenstadt Obari in die Stadt Zintan (Sintan) gebracht.
Der IStGH und die Europäische Union forderten Libyen nach der Festnahme zur Zusammenarbeit auf. Die neue Führung in Tripolis sei zur Überstellung des Gaddafi-Sohnes verpflichtet, da der IStGH einen Haftbefehl ausgestellt habe, erklärte ein IStGH-Sprecher am Samstag in Den Haag. Allerdings gebe es auch die Möglichkeit, den Prozess in Libyen abzuhalten. Wenn die libyschen Behörden das für besser hielten, könnten sie in Den Haag ein entsprechendes Vorgehen erwirken.
Libyer feiern Festnahme
In der Hauptstadt Tripolis wurde die Festnahme gefeiert. Auf den Straßen seien Jubel, Autohupen und vereinzelte Freudenschüsse zu hören, berichtete der Sender CNN. Eine Pressekonferenz des libyschen Übergangsrates, auf der die Festnahme verkündet wurde, endete laut einem Bericht von al-Jazeera mit dem Ausruf „Gott ist groß“. Auch in der Küstenstadt Misrata, dem Sitz des Übergangsrates, hätten Einwohner die Festnahme von Saif al-Islam gefeiert.
Aufenthaltsort war lange unklar
Der 1972 geborene Saif al-Islam ist der zweitälteste und bekannteste Sohn Gaddafis. Er galt lange Zeit als reformorientiert, schlug im Verlauf der Protestbewegung gegen seinen Vater aber einen zunehmend unversöhnlichen Ton an. Sein Aufenthaltsort war nach der Eroberung der Hauptstadt Tripolis durch die Aufständischen Ende August unbekannt.
Im Oktober war aus Kreisen der libyschen Übergangsregierung verlautet, Saif al-Islam befinde sich an der Grenze zu Niger und Algerien und wolle mit Hilfe eines gefälschten Passes das Land verlassen. Die Region sei extrem schwierig zu überwachen.
Enge Kontakte nach Österreich
Saif al-Islam unterhielt früher enge Beziehungen nach Österreich, unter anderem zum 2008 tödlich verunglückten Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. Nach dem Abschluss des Architekturstudiums absolvierte Saif al-Islam Mitte der 90er Jahre einen MBA-Lehrgang in Wien. Später folgte ein Doktoratsstudium an der renommierten London School of Economics. Der 39-Jährige spricht mehrere Fremdsprachen, darunter Englisch, Französisch und Deutsch.
Unter dem alten Regime seines Vaters war er Vorsitzender der Gaddafi International Foundation of Charitable Associations (GIFCA), einer Wohltätigkeitsorganisation, und wurde oft als Gaddafis politischer Nachfolger gehandelt, wobei er seinem Vater auch mehrmals widersprochen hat.
Drei Söhne tot, drei geflohen
Der frühere „Revolutionsführer“ Gaddafi, der am 20. Oktober getötet wurde, hatte insgesamt sieben Söhne (darunter einen aus erster Ehe) sowie zwei Töchter. Gaddafis ältester Sohn (aus erster Ehe), Muhammad, setzte sich gemeinsam mit seiner Stiefmutter, seinem Halbbruder Hannibal und seiner Halbschwester Aisha im Sommer ins benachbarte Algerien ab. Al-Saadi al-Gaddafi, der sechste Sohn des getöteten Diktators, floh im September in den Niger.
Chamis, Gaddafis siebenter und jüngster Sohn, wurde im August getötet, zuvor Saif al-Arab al-Gaddafi bei einem NATO-Angriff auf Tripolis schon im April. Dabei waren auch mehrere Enkel Gaddafis ums Leben gekommen. Mutassim Gaddafi, der viertälteste Sohn des getöteten „Revolutionsführers“ wurde am 20. Oktober festgenommen und erschossen. Über das Schicksal von Gaddafis jüngster, 1985 geborener (Adoptiv-)Tochter Hana ist so gut wie nichts bekannt. Das frühere Regime behauptete, sie sei 1986 bei US-Luftangriffen auf Ziele in Libyen ums Leben gekommen.
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