Themenüberblick

„Grund für Befangenheit beseitigt“

Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat am Mittwoch das neue „Kabinett der Fachleute“ unter Ministerpräsident Mario Monti vereidigt. Das ausschließlich aus Technokraten bestehende Kabinett war nur wenige Stunden zuvor der Öffentlichkeit präsentiert worden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Als Erster legte der zukünftige Premier seinen Eid ab. Im Anschluss an die Zeremonie im Quirinale, dem Sitz des Staatspräsidenten, stand für Monti die Amtsübernahme von seinem Vorgänger Silvio Berlusconi im Palazzo Chigi auf dem Programm.

Italiens designierter Premier Mario Monti schüttelt Staatspräsident Giorgio Napolitano die Hand

AP/Gregorio Borgia

Staatspräsident Napolitano mit Italiens 63. Kabinett nach der Vereidigung

Regierungsbildung im Rekordtempo

Monti, der mit seinem Kabinett Italien aus der Krise führen soll, wurde erst am Sonntag, einen Tag nach dem Rücktritt von Premier Silvio Berlusconi, von Napolitano der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Zwei Tage lang hatte der designierte Premier Konsultationen mit allen Parteien, aber auch Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitnehmer geführt.

Der ehemalige EU-Kommissar, der nicht zuletzt hohes Ansehen in Brüssel genießt, hatte zunächst einer Regierungsbildung nur „unter Vorbehalt“ zugestimmt. Der 68-Jährige wollte erst klären, wie breit der Rückhalt für eine Notregierung ist.

Dank an Napolitano und Berlusconi

Die letzten Hindernisse auf dem Weg zu einer neuen Führung des hoch verschuldeten Landes wurden dennoch erst am Mittwoch ausgeräumt. Auch an der Ministerliste wurde offenbar bis zuletzt gefeilt. Darauf deutet hin, dass sich die für 11.00 Uhr angekündigte Vorstellung des Übergangskabinetts um mehr als zwei Stunden verzögerte.

Monti dankte im Anschluss den politischen Kräften, die sein Kabinett unterstützen wollen. Dass sich keine Politiker an seiner Regierung beteiligen, werde die Arbeit des Kabinetts erleichtern. Monti dankte bei der Vorstellung seines Kabinetts neben Napolitano auch seinem in der Schulden- und Wirtschaftskrise zurückgetretenen Vorgänger Berlusconi für die konstruktive Zusammenarbeit.

Premier und Wirtschaftsminister in Personalunion

Italiens neues Kabinett ist mit 17 Ministern deutlich schlanker als jenes von Berlusconi (23 Minister, Anm.). Vertreter der Parteien sind entgegen früheren Überlegungen im Kabinett nicht vertreten. „Während der Konsultationen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Abwesenheit von Politikern der Regierung die Arbeit erleichtert, da sie einen Grund für Befangenheit beseitigt“, sagte Monti.

Monti wird nicht nur als Premier, sondern mit dem Wirtschaftsministerium eine weitere Schlüsselrolle in der Übergangsregierung einnehmen. Eine weitere Schlüsselposition nimmt zudem der 56-jährige Corrado Passera ein, der bisher mit der Intesa Sanpaolo einem der größten Bankhäuser des Landes vorstand. In der Regierung Monti übernimmt Passera nun mit den Agenden wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur und Transport ein neues „Superministerium“. Als künftiger Industrieminister wird sich Passera intensiv um den Wirtschaftsaufschwung Italiens kümmern müssen.

Italiens designierter Premier Mario Monti vor der Presse

APA/EPA/Giuseppe Lami

Monti präsentiert seine Ministerliste vor versammelter Presse

Das Innenministerium übernimmt Polizeichefin Anna Maria Cancellieri. Der Rektor der Mailänder Universität Cattolica del Sacro Cuore, Lorenzo Ornaghi, wird Kulturminister. Neuer Außenminister wird Giulio Maria Terzi di Sant’Agata, Justizministerin Paola Severino, Verteidigungsminister Gianpaolo di Paola.

Mario Catania übernimmt das Landwirtschaftsressort, neuer Umweltminister wird Corrado Clini, Arbeitsministerin Elsa Fornero und Gesundheitsminister Renato Balduzzi. Für die Bildungsagenden ist künftig Francesco Profumo zuständig. Minister ohne Portfolio werden Enzo Moavero Milanesi (Europa), Piero Gnudi (Sport und Tourismus), Fabrizio Barca (Regionen), Piero Giarda (Beziehungen zum Parlament) und Andrea Riccardi (Kooperation und Integration). Mit Antonio Catricala gehört dem Kabinett Monti zudem ein Staatssekretär an.

Lob und erste Kritik

Bei der Vorstellung der Minister erklärte Monti, der Erfolg der neuen Regierung werde entscheidend davon abhängen, ob sie sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament von den geplanten Reformen überzeugen könne. Er hoffe, dass die Regierung zu einer Beruhigung des politischen Klimas in Italien beitragen könne. Einen Interessenskonflikt bei der Ernennung des Bankmanagers Passera sehe er nicht, so Monti.

Ungeachtet der Vorschusslorbeeren hegen viele Finanzexperten weiter erhebliche Zweifel, ob Monti die vor ihm liegende Herkulesaufgabe bewältigen kann. Sorgen bereitet den Experten vor allem die italienische Kombination aus hohen Schulden und lethargischem Wirtschaftswachstum: Der Schuldenstand des Landes wird kommendes Jahr bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung verharren - das ist doppelt so viel wie der Euro-Stabilitätspakt erlaubt. Gleichzeitig wird die drittgrößte Volkswirtschaft Europas auch 2012 den Prognosen zufolge wirtschaftlich nicht auf die Beine kommen.

Durchbruch am Dienstag

Bewiesen hat Monti bisher, ass er keine Zeit verstreichen lassen will. Auf den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung folgten zwei Tage intensiver Verhandlungen mit Vertretern der Parteien, Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Den entscheidenden Durchbruch erzielte der ehemalige EU-Kommissar am Dienstag, nachdem sowohl Berlusconis Partei Popolo della Liberta (PdL) als auch die bisher oppositionelle Demokratische Partei (PD) ihre Unterstützung zugesagt hatten.

Zuletzt traf er sich am Dienstagabend noch mit PdL-Chef Angelino Alfano zu letzten Konsultationen. Die PdL ist die stärkste Einzelpartei, die Montis Übergangsregierung unterstützen soll. Bis zuletzt wurde darüber spekuliert, dass mit dem Berlusconi-Vertrauten Gianni Letta und dem ehemaligen Premier Giuliano Amato (PD) auch Vertreter der zwei größten Parlamentsparteien Regierungsverantwortung übernehmen sollten. Laut Medienberichten scheiterte das Vorhaben offenbar an einem Veto der jeweiligen Gegenseite.

„Werden Weg aus der Krise finden“

„Ich bin völlig überzeugt, dass unser Land in der Lage ist, solch eine schwere Zeit zu überwinden“, sagte Monti nach den zweitägigen Gesprächen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und von Gewerkschaften. Der 68-jährige Wirtschafts- und Finanzexperte rief zu „wirtschaftlichem, sozialem und zivilem Wachstum“ auf, das „stabil und von langer Dauer“ sein solle.

Alle Verhandlungspartner seien sich der aktuellen „Notsituation“ bewusst, wie Monti weiter betonte. Alle Parteien seien demnach zur Kooperation bereit, um Lösungen für die Schuldenkrise und für den Wirtschaftsaufschwung im Land zu finden. Die Gruppierungen hätten sich zu Opfern bereit gezeigt. Er zeigte sich überzeugt, dass Italien die schwierige Phase überwinden werde.

Berlusconi räumte Amtssitz

Berlusconi räumte bereits am Tag vor seinem letzten Arbeitstag seinen Amtssitz. Einem Medienbericht zufolge nahm er neben drei Fotos, auf denen Berlusconi mit George W. Bush und den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. abgebildet sein soll, auch zwei Gastgeschenke aus seiner Amtszeit mit. Der Tageszeitung „La Repubblica“ zufolge soll es sich um einen kasachischen Krummsäbel und eine chinesische Ming-Vase gehandelt haben. Er habe die Stücke aus Hunderten Gastgeschenken aus seiner Amtszeit ausgewählt, weil er mit ihnen sehr persönliche Erinnerungen verbinde, berichtete das Blatt am Mittwoch.

Links: