Themenüberblick

Die neuen Ammen

Bereits in der Antike gab es Ammen: Frauen, die die Babys anderer gegen Entgelt stillen. Die Ammen des 21. Jahrhunderts tummeln sich im Internet. Auf Websites wie Onlythebreast.com oder Eatsonfeets.com (eine Anspielung auf „Meals on Wheels“, also „Essen auf Rädern“) blüht das Geschäft mit Muttermilch.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„54 Unzen flüssiges Gold“ bietet etwa eine 26-Jährige aus der Kleinstadt Irmo im US-Bundesstaat South Carolina zum Preis von zwei Dollar pro Unze an, also knapp 30 Milliliter Milch für fast 1,5 Euro. Die Verkäuferinnen werben mit biologischer Ernährung und rauchfreiem Haushalt und preisen sich mit Worten wie „Gesunde Mom von zwei wunderschönen Kindern“.

Auf Ebay verboten

Unter den Kunden finden sich verzweifelte Eltern von Vierlingen genauso wie Mütter, die etwa wegen der Einnahme von Medikamenten nicht stillen dürfen. Vereinzelt finden sich auch Anfragen von Männern, die Muttermilch „für private Angelegenheiten“ erwerben möchten. Einer gibt vor, mit Muttermilch gute Erfahrungen bei der Vorbeugung von grippalen Infekten gemacht zu haben.

Das US-Magazin „Wired“ berichtete von einer jungen Studentin aus Arizona, die mit dem Verkauf von überschüssiger Muttermilch den Lebensunterhalt für sich und ihr Baby bestreitet. Bis zu 20.000 Dollar Jahresverdienst wären möglich, so die Studentin, die angibt, als junge Mutter sonst keine Chancen auf einen Job zu haben.

Das Problem beim privaten Kauf von Muttermilch: Weder werden die Spenderinnen überprüft, noch die Milch kontrolliert. Websites wie Onlythebreast.com vermitteln nur die Kontakte, übernehmen aber keine Verantwortung, so „Wired“. Die Onlineplattform Ebay lässt den Verkauf von Muttermilch bereits seit längerem nicht mehr zu.

Ist Muttermilch ein Lebensmittel?

In den USA gilt Muttermilch laut „Wired“ als Lebensmittel und wird daher im Gegensatz zu anderen Körperflüssigkeiten, wie Blut, nicht vom Staat kontrolliert. Muttermilch darf daher unkontrolliert getauscht, gekauft und verkauft werden. In Österreich gilt Muttermilch nicht als Lebensmittel, hieß es gegenüber ORF.at aus dem Gesundheitsministerium. Das Justizministerium erklärte gegenüber ORF.at, dass der private Verkauf von Muttermilch in Österreich nicht sittenwidrig sei.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Babys in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren. Es sei das ideale Nahrungsmittel und gebe dem Neugeborenen alle Bestandteile einer gesunden Ernährung.

Strenge Kontrolle bei Milchsammelstellen

Kontrolliert und risikofrei läuft die Weitergabe von Muttermilch bei Milchsammelstellen, die in Krankenhäuser integriert sind, ab. Die ersten Milchsammelstellen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnet. In Österreich gibt es derzeit zwei, eine an der Wiener Semmelweisklinik und eine an der Universitätsklinik Graz. Dort wird die Muttermilch mikrobiologisch untersucht, kontrolliert und pasteurisiert. Die Hauptabnehmer der Milchsammelstelle der Semmelweisklinik sind laut Website vor allem Spitäler, Neonatologien und Geburtenstationen.

Aber auch privat können Eltern die Milch - um 7,28 Euro pro Liter - kaufen. Dafür ist allerdings eine ärztliche Verordnung nötig. Diese bekommen beispielsweise Eltern von frühgeborenen oder kranken Säuglingen, von Mehrlingen sowie Mütter, die nicht stillen können, weil sie etwa Medikamente einnehmen müssen. Die Spenderinnen erhalten eine Aufwandsentschädigung von 2,33 Euro pro Liter Muttermilch. In Graz erhalten Spenderinnen 3,63 Euro pro Liter. Die Milch werde nur innerhalb des Krankenhauses weitergegeben, hieß es gegenüber ORF.at.

FDA warnt vor „fremder“ Muttermilch

Auch in den USA gibt es ein gut ausgebautes Netz von Milchsammelstellen, die ohne Profit arbeiten und die Milch von Spenderinnen kontrollieren und pasteurisieren, bevor sie sie an Krankenhäuser und die Eltern von Frühchen weitergegeben wird - der Preis liegt laut „Wired“ mit ungefähr vier Dollar pro Unze allerdings etwas höher als auf Websites wie Onlythebreast.com.

Die behördliche Lebensmittelüberwachung (FDA), die dem US-Gesundheitsministerium unterstellt ist, warnte im November 2010 davor, Säuglinge mit nicht kontrollierter Muttermilch zu füttern: Infektionskrankheiten und Erkrankungen durch verunreinigte Milch könnten die Folge sein.

Romana Beer, ORF.at

Links: