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Neue Einnahmen für die Musikindustrie

Nach jahrelanger Flaute häufen sich die Angebote, mit denen nicht nur die Musikindustrie im Netz Geld verdienen will. „Wir erreichen eine verlorene Generation“, sagte Jonathan Forster, Europachef des Onlinestreamingservice Spotify, das seit Dienstag in Österreich verfügbar ist.

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Spotify startete vor drei Jahren in Schweden und hat sich seitdem laut eigenen Angaben zu einem Erfolg entwickelt. Jeder dritte Schwede nutze das Service, „weit“ über zehn Millionen Spotify-Nutzer gebe es weltweit, mehr als zwei Millionen zahlen dafür. „Wir haben bisher über 100 Millionen Euro an die Musikindustrie ausgezahlt“, sagt Forster gegenüber ORF.at. „Wir sind die größte Einnahmequelle für die schwedische Industrie.“ Es gebe Künstler, die von Spotify leben würden.

Spotify ist auf dem Computer kostenlos nutzbar, allerdings nur mit Werbeeinblendungen und auf zehn Stunden im Monat beschränkt. Der unlimitierte Zugriff ohne Werbung kostet 4,99 Euro. Der Premium-Account für 9,99 ermöglicht die Nutzung auf einem Smartphone. Dafür kann der Nutzer Musik auf bis zu drei Geräten offline speichern, um sie auch ohne Internetverbindung nutzen zu können. Für den Zugriff auf die rund 15 Millionen Songs, pro Tag kommen laut Angaben 20.000 neue dazu, muss die passende Software installiert werden.

Zweifler wollten Beweise

Die Gespräche mit der österreichischen Urheberrechtsgesellschaft AKM für die notwendigen Musikrechte seien gut gelaufen, so Forster. Es habe sich dabei gezeigt, dass man dieselben Ziele habe, nämlich den österreichischen Musikmarkt größer zu machen. Auch die Verwertungsgesellschaft Austro Mechana bezeichnet die Gespräche gegenüber ORF.at als konstruktiv.

So einfach waren die Verhandlungen mit den diversen zuständigen Stellen, darunter die Plattenlabels, offenbar nicht immer, wie Forster auf Nachfrage mit sehr bedächtiger Wortwahl zugibt. „Es gab echte Pioniere, die sehr hilfreich waren. Ihnen sind wir dankbar.“ Es habe aber auch eine Menge Zweifler gegeben, denen das bisherige Modell gut gefallen habe. Sie hätten Beweise sehen wollen, dass Spotifys Modell funktioniere, was beim Start schwierig gewesen sei.

„Haben viel Energie investiert“

„Wir haben sehr viel Energie investiert, um der Industrie zu erklären, was wir vorhaben und warum das eine gute Idee ist - und auch, um sie besser zu verstehen“, sagt Forster. Entsprechend wichtig sei der Start in den USA Mitte Juli gewesen, denn das sei die Heimat für weite Teile der Musikindustrie. „Dass wir über diese Hürde gekommen sind, zeigt meiner Meinung nach, wie gut unser Modell funktioniert.“

Das unterstreicht laut Spotify auch eine Studie, wonach die Musikpiraterie in Schweden seit 2009 um 25 Prozent zurückgegangen ist. Trotz all dieser laut Spotify eindeutig positiven Beweise gibt es immer wieder Stimmen aus der Industrie, die über zu geringe Einnahmen aus dem Service klagen.

Rückkehr der „verlorenen Generation“

Für Forster gewinnt die Industrie durch Spotify nicht zuletzt dadurch, weil sie damit die „verlorene Generation“ der Teenager erreiche, die keine CDs und auch nicht bei iTunes kaufen, so Forster. „Viele unserer Nutzer kommen aus einer demografischen Schicht, die für die Musikindustrie tot war.“ Die Jungen würden wie frühere Generationen auch Musik hören wollen, aber eben anders. „Wenn sie versuchen, Dinge zurückzuhalten, besorgen sich die Leute das auf eine andere Weise. Sie können die Distribution nicht mehr kontrollieren.“

Laut Forster sind die über 400 Millionen Playlists Spotifys Schlüssel zum Erfolg. „Egal ob jung oder alt, sobald unsere Nutzer Playlists teilen, fangen sie an, Musik zu schätzen.“ Desto mehr Musik geschätzt werde, desto eher werde auch dafür bezahlt. Er hoffe, dass auch andere Industrien, wie etwa die Buchbranche, dem Beispiel der Musikindustrie folgen, denn diese sei derzeit „progressiv wie nie“. Zahlreiche Services würden nun Lizenzen bekommen, es werde „wirklich“ über Digitalisierung nachgedacht.

Konkurrent Simfy mit einer Million Nutzer

Auf Playlists, Werbung für die kostenlose Nutzung (auf 20 Stunden begrenzt) und Abomodelle für mobile Geräte setzt auch das deutsche Streamingservice Simfy als direkter Konkurrent Spotifys. Zudem kann man den Service auch über die Website nutzen. Simfy ist offiziell seit März 2011 in Österreich verfügbar und bietet seit kurzem neben Deutschland, der Schweiz und Österreich (DACH) auch in Belgien Zugriff auf rund 13 Millionen Songs.

Simfy hatte im Mai 2011 nach einem Jahr Betrieb in der DACH-Region eine Million Nutzer, wie viele davon zahlen, wollte Simfy gegenüber ORF.at nicht sagen. Man sei mit der Nutzerentwicklung zufrieden und werde von den Labels „ganz toll unterstützt“, etwa mit Vorveröffentlichungen, die die Labels dann wiederum für die Promotion nutzen könnten, so Simfy-Sprecher. In Österreich werde es mit dem Start von Spotify nun „spannend“, das Modell Streaming sei noch ziemlich neu und habe ein Umdenken erfordert.

Spotify nur für Facebook-Nutzer

Inwieweit auch die Anbieter selbst Geld machen, war weder bei Spotify noch bei Simfy direkt in Erfahrung zu bringen. Laut einem Bericht des Billboard-Magazins soll Spotifys Nettoverlust 2010 rund 30 Millionen Euro betragen haben, bei mehr als doppelt so viel Umsatz. Der Großteil davon wurde von den zahlenden Kunden bestritten, mit 90 Prozent nutzte aber die überwiegende Mehrheit das Gratismodell. Wie viele Kunden Songs kaufen, wollte Spotify auf Anfrage nicht sagen.

Angesichts der großen Märkte - neben den USA ist Spotify unter anderem in Spanien, Frankreich und Großbritannien vertreten - und der engen Kooperation mit Facebook seit Ende September dürften die genannten Zahlen deutlich überholt sein. Alleine Facebook, das für die Erstanmeldung bei Spotify verpflichtend ist, soll Spotify einige Millionen neuer Nutzer eingebracht haben. Auch stellte der Anbieter im April dieses Jahres sein Abosystem um. Spotify selbst gibt an, derzeit stark in die Expansion und den Ausbau des Service zu investieren. „Wir haben uns auf ein langes Rennen eingestellt“, sagt Forster.

Nadja Igler, ORF.at

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