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Wird „Berater“ neuer Vizepremier?

Ja zu einer Notstandsregierung unter der Führung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti, jedoch nur unter Bedingungen - das erklärte der scheidende italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi Donnerstagabend nach einer Parteisitzung. Damit macht Berlusconi zwar den Weg für eine Übergangsregierung frei - er will ihr jedoch weiter seinen Stempel aufdrücken.

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Seit 1994 prägte Berlusconi die italienische Innenpolitik, nun scheint seine Zeit abgelaufen. Unter dem Druck wachsender Schulden und mangelnder Reformen erklärte sich der Ministerpräsident vor wenigen Tagen zum Rücktritt bereit. Doch es ist ein Abschied auf Raten. Denn solange seine Mitte-rechts-Partei Popolo della Liberta (PdL) stärkste Fraktion im Parlament bleibt, kann ihr Chef Berlusconi weiter das Geschehen bestimmen.

Gianni Letta

Gianni Letta ist Staatssekretär ohne Aufgabenbereich. Der 76-Jährige hat in der Partei keine Funktion, ist jedoch immer an der Seite von Silvio Berlusconi. In Italien wird Letta gerne mit Kardinal Richelieu verglichen: als „Consigliere“ („Berater“) für den „Cavaliere“ Berlusconi in allen Lebenslagen.

Um ein Machtvakuum zu verhindern, unterstütze die PdL den Wirtschaftsexperten und EU-Kommissar Monti als neuen Ministerpräsidenten, hieß es aus Regierungskreisen. Doch für das Amt des Vizepremiers wolle Berlusconi seinen Vertrauten, den Staatssekretär Gianni Letta. Dieses Szenario könnte schon am Wochenende eintreten. Denn sollten die derzeit laufenden Abstimmungen über die Sparmaßnahmen im Senat wie geplant am Samstag abgeschlossen sein, ist der Weg für eine Übergangsregierung endgültig frei.

Gegenkandidat zu Monti?

Bei einem Gipfeltreffen der Berlusconi-Partei PdL regte sich am Freitag allerdings Widerstand gegen eine Regierung mit der oppositionellen PD. Aus Regierungsquellen war zu hören, dass Berlusconi daher offenbar auch daran denke, einen Alternativkandidaten zu Monti vorzuschlagen, um den parteiinternen Widerstand zu überwinden. Zugleich könnte Berlusconi auch die Unterstützung der Lega Nord für ein Übergangskabinett gewinnen. Die rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord stemmt sich gegen ein Kabinett Monti und verlangt vorgezogene Parlamentswahlen.

Glückwünsche von Berlusconi

Wie genau diese „Notregierung“ aussehen soll, darüber streitet Berlusconis Partei auch noch mit der oppositionellen Mitte-links-Gruppierung Demokratische Partei (PD), der stärksten Oppositionspartei. Mehrere Spitzenpolitiker aus Berlusconis Lager wollen kein Kabinett mit der Linken unterstützen. Die mit Berlusconi verbündete rechtspopulistische Lega Nord kündigte an, dass sie in Opposition gehen werde, sollte Monti zum Premier ernannt werden. Die oppositionelle PD rief am Freitag die im Parlament vertretenen Parteien auf, eine Regierung Monti zu unterstützen. Italien könne sich in dieser schwierigen Konjunktur ein politisches Vakuum nicht leisten.

Ehemaliger EU-Kommissar Mario Monti

AP/Pier Paolo Cito

Monti war sowohl EU-Kommissar für den Binnenmarkt als auch für Wettbewerb

Doch Monti kann auf einen mächtigen Unterstützer zählen: Staatspräsident Giorgio Napolitano. Dieser ernannte Monti noch am Tag der Rücktrittsankündigung von Berlusconi zum Senator auf Lebenszeit. Auch ein Glückwunschtelegramm von Berlusconi nährte Spekulationen über seine Zukunft. Berlusconi wünsche Monti eine „fruchtbare Arbeit im Interesse des Landes“, stand in dem Schreiben zu lesen.

Donnerstagabend war Monti zu einem „Freundschaftsbesuch“ beim Staatsoberhaupt geladen. Er wolle nur seinen Dank für die Ernennung zum Senator auf Lebenszeit aussprechen, hieß es in einer knappen Mitteilung aus dem Präsidentenpalast. Doch in Regierungskreisen wird bereits spekuliert, dass Monti Napolitano seine Ideen für die künftige Regierung Italiens präsentieren könnte.

Technokrat mit Verstand

Mit Monti würde ein Politiker das Zepter Italiens übernehmen, der das komplette Gegenteil seines Vorgängers repräsentiert. Der 68-jährige Professor besitzt ausgezeichnete Manieren, ist gebildet und weltoffen. Gleichzeitig pflegt er einen sehr sachlichen, fast technokratischen Stil. Dass er sich durchsetzten kann, hat er bereits in seiner Arbeit als EU-Wettbewerbskommissar bewiesen, als er sich gegen Firmenriesen wie Microsoft und General Electric durchzusetzen wusste.

Ein Freund der Regierung Berlusconi war Monti nie. Dem Medienmogul warf er nicht ohne Ironie vor allem vor, sich „niemals wirklich für Wirtschaftspolitik interessiert“ und sich trotz handfester Mehrheiten nicht um Reformen gekümmert zu haben. Trotzdem, oder vielleicht sogar deshalb, könnte es Monti gelingen, eine große Mehrheit der Parteien hinter sich zu vereinen. Als klassischer Wirtschaftsliberaler ist ihm auf jeden Fall die italienische Industrie gewogen. Gleichzeitig könnte er mit seinen sozialen Ideen auch viele Linke zufriedenstellen.

Berlusconi mit Fieber im Senat

Berlusconi dürfte der Stress der letzten Tage offenbar zusetzen: „Ich habe 39 Grad Fieber, wollte Sie aber trotzdem treffen“, sagte Berlusconi Donnerstagabend bei dem Treffen mit den PdL-Senatoren. Berlusconis persönlicher Arzt Alberto Zangrillo bestätigte, dass das hohe Fieber auf den Stress dieser Woche zurückzuführen sei, in der der Premier seinen Rücktritt angekündigt hatte.

„Berlusconi sollte sich absolute Ruhe gönnen, doch er folgt meinem Rat nicht“, so Zangrillo, der Berlusconi in den letzten Tagen dreimal besucht hatte. „Berlusconi ist von den letzten Ereignissen mitgenommen, er empfindet großes Verantwortungsbewusstsein seinem Land gegenüber. In den letzten zwei Tagen hat er nicht mehr als drei Stunden geschlafen. Es besteht Gefahr für seine Gesundheit“, sagte der Arzt im Gespräch mit der Mailänder Tageszeitung „Corriere della sera“ (Freitag-Ausgabe).

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