Themenüberblick

„Erscheint mir als richtiger Zeitpunkt“

Die Gerüchte haben sich bereits am Mittwoch verdichtet - am Donnerstag hat Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch seinen Entschluss verkündet: Er werde seine Funktion als Bauernbund-Chef und ÖVP-Vizeklubchef im Parlament zurücklegen. Es sei für ihn immer schwieriger geworden, den nötigen Konsens im Bund und der Parteistruktur zu finden, begründete er den Schritt offiziell.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Tatsächlich dürfte für ihn der Druck aus den eigenen Reihen nach der Einladung des umstrittenen deutschen Autors Thilo Sarrazin zu groß geworden sein. Grillitsch war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, als er den Autor des Buches „Deutschland schafft sich ab“ nach Graz einlud. Bei der agrarischen Stammklientel und in den Reihen des Bauernbunds soll dieser Termin Ende September, der auch Freiheitliche bis zu FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nach Graz gelockt hatte, nur bedingt auf Begeisterung gestoßen sein.

Kritik auch für umstrittene Forderung

Fremdenfeindlichkeit sehe Grillitsch bei Sarrazin nicht, sagte er im Zuge von dessen Auftritt in Graz: „Ich glaube, man muss ganz einfach über diese Thesen, die Sarrazin aufstellt, diskutieren, ohne dass ich sie jetzt restlos teile.“ Zuletzt hatte Grillitsch mit der Forderung, „nicht integrierten“ Zuwanderern schrittweise Sozialleistungen zu streichen, auch innerhalb der eigenen Partei irritiert.

FPÖ-Chef Strache und der deutsche Autor Thilo Sarrazin

APA/Markus Leodolter

Auch FPÖ-Chef Strache nahm an Sarrazins umstrittenem Vortrag in Graz teil

Konsensfindung „immer schwieriger“

In seiner Rücktrittsaussendung äußerte sich Grillitsch nur indirekt zu den jüngsten von ihm ausgelösten Konflikten in der Partei. Der Rücktritt sei für ihn Anlass zu kritischer Selbstreflexion: „Gerade in den letzten Monaten ist mir bewusst geworden, dass es für mich immer schwieriger wurde, zum notwendigen Konsens und Ausgleich der unterschiedlichen Interessengruppen sowohl innerhalb des Bauernbundes wie auch im Gefüge der Partei beizutragen.“ Für Freitag ist eine Präsidiumssitzung angesetzt, wo eine „geordnete Übergabe“ erfolgen soll, hieß es aus dem Bauernbund zur APA.

„Nach über zehn Jahren in der Spitzenpolitik ist auch für mich die Zeit gekommen, in ein normales Leben zurückzukehren und mich neuen Aufgaben zu stellen“, so Grillitsch. Der Beschluss sei über den Sommer gereift. Beim Bundesbauernrat im Oktober habe er die programmatische Neuausrichtung des Bauernbundes erreicht. „Nachdem dieses Projekt nun abgeschlossen ist, erscheint mir jetzt als der richtige Zeitpunkt, mich aus der Spitzenpolitik zurückzuziehen.“

Nationalratsmandat bis 2013

Sein Nationalratsmandat will der 52-jährige Steirer bis zum Auslaufen der Legislaturperiode 2013 behalten. Die Übergabe der Ämter werde zügig und geordnet in den nächsten Tagen erfolgen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Er nehme seine „Verantwortung für Bauernbund und Partei wahr und übergebe den Hof rechtzeitig“, so Grillitsch in der Aussendung. Gerade im Hinblick auf die anstehenden großen Herausforderungen, etwa die Sicherung der landwirtschaftlichen Einkommen nach 2013, sei es notwendig, dass Bauernbund und Partei stark und geschlossen an einem Strang ziehen.

Über die Nachfolge an der Spitze des einflussreichen ÖVP-Bundes mit rund 300.000 Mitgliedern gab es vorerst keine Informationen. Grillitsch werde beim Präsidium am Freitag seinen Rücktritt offiziell erklären, hieß es nur. Die ebenfalls dort angestrebte „geordnete Übergabe“ impliziert aber, dass wohl schon ein neuer Präsident gefunden werden soll. Der scheidende Chef selbst will jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt keine öffentlichen Statements abgeben.

Raiffeisen-Funktionär Auer als Nachfolger?

In gut informierten Kreisen wurde am Donnerstag der einflussreiche Raiffeisen-Funktionär und Nationalratsabgeordnete Jakob Auer (63) als Nachfolger genannt. Er werde voraussichtlich die nächsten zwei Jahre als „Interimslösung“ eingesetzt, dann könnte etwa der niederösterreichische Bauernbund-Chef Hermann Schultes übernehmen. Auer stoße aber „nicht nur auf Gegenliebe der übrigen Bauernbund-Spitzenfunktionäre“, schreibt das Fachmagazin „Blick ins Land“ in seiner Onlineausgabe. „Als mögliche Kandidaten gelten auch der Obmann des niederösterreichischen Bauernbundes, Hermann Schultes, sowie der Obmann des Wiener Bauernbundes, Franz Windisch.“

Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger (ÖVP) zeigte sich „überrascht“ über den Rücktritt, bestätigte aber nicht, dass Auer Grillitsch nachfolgen werde: „Wer ihm nachfolgt, bestimmt letztlich das Bauernbund-Präsidium, weil es ja vor einer Wahl einmal eine geschäftsführende Funktion ist. Wenn das Jakob Auer ist, ist mir das sehr willkommen, aber das bestimmt der Bauernbund und niemand anderer, und ich werde das selbstverständlich akzeptieren, was dort beschlossen wird.“

„Keine zwielichtigen Zahlungen“

Die ÖVP hat Gerüchte über angebliche Parteienfinanzierung durch die Telekom via Grillitsch empört zurückgewiesen. „Es gab und gibt keine zwielichtigen Zahlungen von der Telekom in die ÖVP-Kasse“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch auf APA-Anfrage. „Vernaderungs- und Anschüttungsversuche“ des Grünen Abgeordneten Peter Pilz verbittet er sich.

Link: