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Zwischen Genie und Dämonen

Verhältnismäßig wenig war bisher über Apple-Mitbegründer Steve Jobs bekannt, persönliche Dinge hielt er wie neue Apple-Produkte streng geheim. Mit der Montag erschienenen Biografie von Walter Isaacson gibt Jobs - aber auch sein Umfeld bis zu seinen Feinden - tiefe Einblicke in sein Leben.

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„Es gibt keine Leichen in meinem Keller, die nicht ans Tageslicht dürfen“, erklärte Jobs seinem Biografen Isaacson, als dieser sich 2009, kurz nachdem Jobs sich zum zweiten Mal aus gesundheitlichen Gründen von der Apple-Spitze zurückgezogen hatte, schließlich doch entschied, Jobs’ Biografie zu schreiben.

Vegetarismus hilft nicht gegen Körpergeruch

Jobs hatte den ehemaligen „Time“-Journalisten und CNN-CEO bereits 2004 gefragt, ob er seine Lebensgeschichte aufschreiben möchte. Isaacson lehnte zuerst ab, weil er dachte, Jobs sei zu jung. Später fand er heraus, dass Jobs ihn knapp vor seiner ersten Krebsoperation gefragt hatte. Ab 2009 führte Isaacson schließlich über 40 Interviews mit Jobs, einige davon bei langen Spaziergängen, Jobs’ bevorzugte Art, über Dinge zu sprechen.

Er sprach aber auch mit Ex-Freundinnen von Jobs, wie der Sängerin Joan Baez, der Mutter von Jobs’ erster Tochter, Chrisann Brennan, und dem Chefingenieur von Atari, Al Alcorn. Während seiner Zeit bei Atari glaubte Jobs, dass fleischlose Ernährung mit viel Obst auch gegen Körpergeruch hilft, sogar ohne Deodorant und Duschen. „Sein Geruch oder seine Art haben mich nicht abgeschreckt“, so Alcorn, „ich mochte ihn.“ Daher habe er ihn in die Nachtschicht geschickt.

„Wie ein Hare Krishna“

Alcorn stellte Jobs nach dessen siebenmonatiger Pilgerfahrt nach Indien bei Atari wieder ein, nachdem Jobs gekleidet „wie ein Hare Krishna“ in seinem Büro erschienen war. Im Anschluss arbeitete Jobs mit Apple-Mitbegründer Steve Wozniak an einem Projekt für Atari, und Jobs zog Wozniak laut dessen Angaben über den Tisch - was diesen heute noch schmerzt, wie er Isaacson sagte. Jobs selbst bestritt das immer. Jobs sei eine komplexe Persönlichkeit, und seine manipulative Ader sei nur eine seiner dunklen Seiten, die ihn erfolgreich machen würden, so Wozniak. Er selbst etwa hätte Apple als Firma nie aufbauen können.

Gezeichnet von Realitätsverzerrungen

Jobs habe ihn gezielt dazu aufgefordert mit Weggefährten und Kritikern zu reden, so Isaacson, manchmal sei das nötig gewesen, um Jobs’ Realitätsverzerrungen geradezurücken. Auch Jobs’ Frau, Laurene Powell, habe ihn aufgefordert, Jobs’ Stärken, aber auch Schwächen gleich zu behandeln und nichts schönzuschreiben.

Und so zeichnet Isaacson auf rund 700 Seiten das Bild eines Mannes, der einerseits ein Genie war, andererseits aber mit seinem Streben nach Perfektion und einer kompromisslosen Ehrlichkeit viele Leute vor den Kopf stieß. Jobs sei von Dämonen besessen gewesen, schreibt Isaacson mehrmals, gleichzeitig sei Jobs’ Persönlichkeit mit den Produkten, die unter seiner Ägide entstanden, untrennbar verbunden. Das verdeutlicht auch die Kapitelgliederung anhand wichtiger Stationen von Jobs’ Leben - viele davon sind Produkte und Firmen wie der Apple II, Pixar und der iMac.

Schonungslos zur Konkurrenz

Jobs rechnet zum Teil schonungslos mit der Konkurrenz ab, zeigt aber auch immer wieder versöhnliche Seiten, etwa als er Google-Mitbegründer Larry Page, kurz bevor dieser CEO von Google wurde, trotz seines Hasses auf Googles mobiles Betriebssystem Android doch empfing. Jobs habe vor seinem Tod alles darangesetzt, Android zu „vernichten“, weil er es für eine Nachahmung von Apple-Software hielt, schreibt Isaacson. Er habe sich aber seiner eigenen Mentoren Bill Hewlett und David Packard (die Gründer des Computerkonzerns Hewlett-Packard) erinnert und Page doch empfangen.

Buchhinweis

Walter Isaacson: Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers. C. Bertelsmann, 704 Seiten, 25,70 Euro.

Adoption als Triebfeder?

Eine der Haupttriebfedern für Jobs sei seine Adoption gewesen, so Isaacson. Als Kind habe er sich als etwas Besonderes gefühlt, da sein Adoptivvater Paul Jobs ihm gesagt habe, dass seine Eltern ihn speziell ausgesucht hätten. Das Verlassenwerden habe ihn aber auch geprägt, sagt Brennan. Jobs selbst tat das gegenüber Isaacson als „lächerlich“ ab, Wegbegleitern soll er in jungen Jahren aber immer wieder geklagt haben, dass er sich von seinen biologischen Eltern verlassen fühlte.

Jobs hat seinen Vater als solchen persönlich nie kennengelernt, er hat ihm zufällig einmal die Hand geschüttelt, als er in seinem Restaurant saß. „Als ich nach meiner Mutter gesucht habe, habe ich auch Einiges über meinen Vater erfahren, und das hat mir nicht gefallen“, zitiert Isaacson Jobs. Er hatte jedoch Kontakt zu seiner leiblichen Schwester, der Autorin Mona Simpson. Auch das Verhältnis zu seiner ersten Tochter Lisa wurde mit den Jahren besser und innig.

Jobs bereute Fehlentscheidungen

Jobs selbst war sich seiner Schwächen bewusst, wie Isaacson weiter schreibt. Und die Enthüllung dieser Schwächen war ihm durchaus unangenehm, er musste sich selbst erst daran gewöhnen. Er habe einige Entscheidungen in seinem Leben bereut, darunter die, dass er sich erst neun Monate nach der Krebsdiagnose operieren ließ, sagte er Isaacson.

Jobs habe das Buch zum Teil auch gemacht, weil er wusste, dass nach seinem Tod viele Leute über ihn schreiben würden und dass er manches davon nicht mögen würde. Er wollte diesen Leute schon im Vorfeld eine Antwort geben, schreibt Isaacson.

Das Buch selbst habe Jobs nicht lesen wollen, nur bei der Gestaltung des Covers wollte Jobs mitreden, nachdem ihm die erste Version gar nicht gefallen hatte. Typisch für einen Mann, für den Design ein besonders wichtiger Teil des Produkts war und der Dinge bis ins letzte Detail kontrollierte. Und auch wenn Jobs in den Inhalt selbst nicht eingriffen hat, wie Isaacson selbst schreibt, kontrolliert er mit der autorisierten Biografie doch sein Bild in der Öffentlichkeit bis über seinen Tod hinaus.

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