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NATO wollte „Bedrohung verringern“

Der Tod des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi wirft weiterhin Fragen auf. Die NATO sagte am Freitag, nichts von der Anwesenheit Gaddafis gewusst zu haben, als sie am Donnerstag einen Fahrzeugkonvoi in der Stadt Sirte angriff und damit „wahrscheinlich“ zu seiner Tötung beigetragen hat.

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Konvoi keine Gefahr für Zivilisten dargestellt habe. Ziel der NATO-Mission sei aber nur der Schutz der Zivilbevölkerung gewesen. „Die Attacke stand in keinem Verhältnis zum erlassenen Flugverbot“, sagte Lawrow am Freitag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. „Die Umstände des Todes werfen viele Fragen auf“, so Lawrow weiter.

„Erhebliche Menge von Waffen“

Von einem NATO-Sprecher wurden zuvor Medienberichte bestätigt, wonach der Konvoi des flüchtenden libyschen Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafi von Flugzeugen des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses angegriffen wurde. Wie aus einer am Freitag von der NATO veröffentlichten Darstellung der Ereignisse hervorgeht, sei von NATO-Flugzeugen ein Konvoi von rund 75 Militärfahrzeugen in der Nähe der Stadt Sirte entdeckt worden. Zunächst sei ein einziges Fahrzeug beschossen worden, „um die Bedrohung zu verringern“.

Zerstörte Gebäude in Sirte

Reuters/Esam Al-Fetori

Zerstörte Fahrzeuge in Sirte am mutmaßlichen Ort des NATO-Angriffs

Daraufhin habe sich der Konvoi aufgeteilt, die gepanzerten Fahrzeuge seien in verschiedene Richtungen gefahren. Sie seien mit „einer erheblichen Menge von Waffen und Munition beladen“ gewesen.

„Später“ von Gaddafis Anwesenheit erfahren

Eine Gruppe von 20 Fahrzeugen sei dann mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden gefahren. NATO-Flugzeuge hätten daraufhin auf diese Fahrzeuge geschossen und etwa zehn davon zerstört. „Zur Zeit des Angriffs wusste die NATO nicht, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befand“, heißt es in der Mitteilung der NATO. „Das Eingreifen der NATO war ausschließlich durch die Verringerung der Bedrohung für die Bevölkerung begründet.“

„Wir haben später durch offene Quellen und durch Aufklärung von Verbündeten erfahren, dass sich Gaddafi im Konvoi befand und der Angriff wahrscheinlich zu seiner Gefangennahme beigetragen hat“, heißt es in der NATO-Mitteilung.

Aus von Libyen-Einsatz verkündet

Nach dem Tod Gaddafis ist unterdessen ein Ende des NATO-Libyen-Einsatzes nur mehr eine Frage der Zeit. Wie NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Freitagabend in Brüssel mitteilte, soll der Einsatz bis Ende des Monats beendet werden. Bis dahin wolle die Allianz ihren Einsatz nach und nach zurückfahren, halte sich vorerst aber weiter bereit, Zivilisten zu schützen.

Die Entscheidung sei jedoch nur vorläufig - eine endgültige Entscheidung über den Ende März gestarteten NATO-Einsatz Unified Protector (Vereinigte Schutzmacht) werde laut Rasmussen in der kommenden Woche getroffen.

Rasmussen sagte zudem, „sehr stolz“ zu sein, „was wir gemeinsam mit unseren Partnern erreicht haben“. Durch den NATO-Einsatz seien „Massaker verhindert und zahllose Menschenleben gerettet“ worden. „Wir haben die Bedingungen geschaffen, unter denen das libysche Volk jetzt selbst über seine Zukunft entscheiden kann.“

Über 9.600 Kampfeinsätze

Mit dem Militäreinsatz in Libyen reagierte die Internationale Gemeinschaft auf die brutale Unterdrückung von Regimekritikern. Der UNO-Sicherheitsrat beschloss am 17. März 2011 Resolution 1973. Darin wurde ein Waffenembargo bestätigt, eine Flugverbotszone erlaubt und es wurden „alle nötigen Maßnahmen“ zum Schutz der Zivilbevölkerung genehmigt. Unmittelbar danach begannen Frankreich, Großbritannien und die USA mit Luftangriffen vor allem auf Gaddafi-Truppen, die auf die Rebellenhochburg Bengasi vorrückten.

Die Resolution 1973

Acht Seiten enthält die UNO-Resolution 1973, die die Gewalt gegen Zivilisten in Libyen stoppen soll. Sie erlaubt unter anderem „alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten und zivil bewohnte Gebiete in der Republik Libyen zu schützen“, unter anderem mit Luftangriffen gegen Militärgerät, Truppen und Gefechtsstellungen zur Durchsetzung eines Flugverbotes über Libyen.

Die NATO übernahm am 31. März das Kommando über den Militäreinsatz. An der Operation „Geeinter Beschützer“ nahmen zwölf der 28 NATO-Staaten sowie Jordanien, Katar, Schweden und die Vereinigten Arabischen Emirate teil. Die teilnehmenden NATO-Staaten waren: Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Spanien, Türkei und die USA. Oberkommandant wurde der kanadische General Charles Bouchard.

Zu Beginn des Einsatzes kontrollierten 21 NATO-Kriegsschiffe die Küste Libyens, zuletzt waren es noch zwölf. 300 Schiffe wurden auf Waffen durchsucht, elf Schiffen wurde das Anlaufen libyscher Häfen untersagt. Die Luftwaffen der Verbündeten flogen rund 26.000 Einsätze. Dazu werden auch Flüge von Tankflugzeugen und Aufklärungsflugzeugen gerechnet. Die Zahl der Kampfeinsätze wird mit gut 9.600 angegeben.

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