Weitere DNA-Tests angekündigt
Am Tag, nachdem Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi unter bisher nicht geklärten Umständen ums Leben gekommen ist, hat ein Sprecher des Militärrates in Misrata bestätigt, dass der Leichnam erneut untersucht werden soll.
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Den Angaben zufolge sollen noch DNA-Tests vorgenommen werden, wobei diese bis zu zwei Tage in Anspruch nehmen könnten. Bereits zuvor wurde bestätigt, dass die Bestattung Gaddafis bis auf weiteres verschoben wurde. Die sterblichen Überreste befinden sich derzeit offenbar in einem Kühlraum eines Einkaufszentrums in der Nähe von Misrata.
Die von Bewaffneten bewachte und lediglich mit einer beigefarbenen Hose bekleidete Leiche liegt nach Agenturberichten auf einer blutüberströmten Matratze. Tausende Menschen standen vor dem Gebäudekomplex Schlange, um einen Blick auf den aufgebahrten Leichnam zu werfen. Zusammen mit rund 30 Personen wurde unter anderen auch einem AFP-Fotografen der Zutritt gewährt, wobei auch – von den TV-Sendern al-Arabija und al-Jazeera bereits publizierte – Bilder gemacht worden seien.
Auch die Nummer zwei des Nationalen Übergangsrates, Mahmud Dschibril, begab sich am Freitag nach Misrata, um die Leiche des langjährigen Machthabers zu sehen.
Bestattungstermin weiter offen
Der Informationsminister der neuen libyschen Führung, Mahmud Schamam, hatte zuvor gesagt, es sei unklar, wann und wo die Leiche des langjährigen libyschen Machthabers beigesetzt werden soll. Noch sei keine Entscheidung über die Bestattung getroffen worden. Am Donnerstagabend hatte der Nationale Übergangsrat zunächst gesagt, die Leiche solle nach einer Autopsie an einem unbekannten Ort beerdigt werden. Die neue Führung will vermeiden, dass Gaddafis Grab zur Pilgerstätte für letzte Anhänger wird.
UNO fordert Untersuchung
Unterdessen fordern auch die Vereinten Nationen (UNO) eine Untersuchung der Umstände des Todes von Gaddafi. „Wir wissen nicht, wie er gestorben ist. Dazu muss es eine Untersuchung geben“, sagte der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag in Genf.
Zuvor hatte Amnesty International eine offizielle Untersuchung der Todesumstände gefordert. Die neue Regierung müsse mit der „Kultur des Missbrauchs“ unter Gaddafi vollständig brechen und Menschenrechtsreformen durchsetzen, die das Land bitter nötig habe, hieß es. Die am Donnerstag aufgetauchten Amateuraufnahmen, die Gaddafi nach seiner Festnahme verwundet, aber am Leben zeigen, bezeichnete der UNO-Sprecher als „sehr beunruhigend“.
Videoaufnahmen als Beleg?
Grund dafür seien unter anderem Videoaufnahmen, auf denen Gaddafi nach seiner Festnahme offenbar noch lebend inmitten von Kämpfern des Übergangsrats zu sehen ist. Colville verwies darauf, dass es bereits eine UNO-Kommission gebe, die sich mit der Menschenrechtslage in Libyen befasse. Sie dürfte auch die Untersuchung vornehmen. Vermutlich werde es zu einer internationalen Untersuchungskommission kommen. Der UNO-Menschenrechtsrat hatte immer darauf bestanden, dass im Konflikt in Libyen alle Seiten die Menschenrechte einhalten müssen. Dazu gehöre auch das Verbot willkürlicher Hinrichtungen.
Arzt: Gaddafi „aus nächster Nähe“ erschossen
Nach Einschätzung eines Arztes war Gaddafi durch „Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch“ getötet worden. Ein Mediziner im Krankenhaus von Misrata, der Gaddafis Leiche untersucht habe, sei zu diesem Schluss gelangt, berichtete al-Arabija am Freitag. Das könnte auf eine Hinrichtung nach der Gefangennahme hindeuten. Laut offiziellen Angaben gab es keinen Befehl für Gaddafis Tötung.
„Übergaben ihn dem Sicherheitskomitee“
Ein Kämpfer der Milizen des Nationalen Übergangsrats, der nach eigenen Angaben am Donnerstag bei Gaddafis Festnahme in Sirte dabei war, stellte die Situation um Gaddafis Tod am Freitag in einem Gespräch mit al-Jazeera anders als der Arzt dar. Nach einem heftigen Feuergefecht mit seinen Leibwächtern am Zugang zu dem Abwasserrohr, in dem er sich versteckt hielt, habe sich Gaddafi ohne weitere Schwierigkeiten festnehmen lassen, sagte der Milizionär Osama al-Tajib.
„Wir übergaben ihn dem Sicherheitskomitee“, führte er weiter aus. „Doch dann brach ein Gefecht zwischen den Gaddafi-Loyalisten und den Revolutionären aus.“ Gaddafi sei dabei durch Schüsse in Kopf und Brust getroffen worden. „Wir legten ihn in einen Ambulanzwagen, ein Arzt machte Wiederbelebungsversuche, aber er starb.“
Verkündung von „Befreiung“ verschoben
Entgegen ersten Berichten will die neue libysche Führung unterdessen nicht am Samstag, sondern erst am Sonntag Libyen offiziell als „befreit“ erklären. „Wir werden die vollständige Befreiung Libyens am Sonntag um 17.00 Uhr auf dem Gerichtsplatz in Bengasi verkünden“, sagte ein ranghohes Mitglied des libyschen Nationalen Übergangsrats am Freitag.
Die neue Führung des Landes hatte den Fall der letzten Bastion von Gaddafi, der Hafenstadt Sirte, zur Bedingung gemacht, um die vollständige Befreiung Libyens zu verkünden, mit den Gesprächen zur Bildung einer Übergangsregierung zu beginnen und anschließend Wahlen anzusetzen.
„Noch zwei Etappen zu bewältigen“
Laut Dschibril gebe es noch zwei Etappen, die bewältigt werden müssten. Bei diesen handle es sich um Gaddafis Sohn Saif al-Islam und den Geheimdienstchef der Gaddafi-Regierung, Abdallah Senussi, deren Schicksal noch zu klären sei. Beide werden vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht. Über ihren Verbleib kursieren verschiedene Gerüchte.
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