Heikle Fragen wieder aufgeschoben?
Großer Wurf oder doch nur ein paar leere Kilometer mehr? Nachdem erst die Rede von einem „Lösungspaket“ für die europäische Schuldenkrise inklusive Reform des Euro-Rettungsschirms und Bankenstabilisierung die Rede gewesen war, schien die Euphorie am Donnerstagabend schon wieder etwas verflogen zu sein.
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Zwischendurch war sogar von einer Absage bzw. Verschiebung des Gipfels wegen angeblicher Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und Deutschland die Rede.
Der Gipfel würde zwar stattfinden, hieß es dann am Abend unter Berufung auf das Büro von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, allerdings werde der von Freitag bis Sonntag anberaumte Verhandlungsmarathon eine Reihe von Fragen offenlassen. Es sei zu erwarten, dass nach dem abschließenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU-27 bzw. der Euro-Zone am Sonntag noch „viele technische Präzisierungsarbeiten“ notwendig sein würden. Strittig sei weiterhin die konkrete Ausstattung des Euro-Rettungsschirms EFSF (European Financial Stability Facility).
„Zeichen stehen auf Sturm“
Allerdings ließen Medienberichte zu den Differenzen zwischen Berlin und Paris, den beiden derzeitigen Hauptakteuren in der Bewältigung der Euro-Krise, erahnen, dass es noch um mehr als um „Präzisierung“ ging. Die „Zeichen stehen auf Sturm“, hieß es, und der Gipfel drohe an den Meinungsverschiedenheiten zu scheitern. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beklagte, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bewege sich „keinen Millimeter“.
Umstrittener „Hebel“ für Rettungsschirm
Weiter strittig war scheinbar die Frage der Ausstattung des EFSF mit einem finanztechnischen „Hebel“, um sein Garantievolumen zu erhöhen. Berlin lehne es strikt ab, dass der Rettungsschirm mit Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgestattet werden soll. Trotzdem, wurde Van Rompuys Büro zitiert, würden die Divergenzen „übertrieben“ dargestellt: „Der Gipfel findet statt.“ Spekuliert wurde auch darüber, dass das Thema Hebel überhaupt beim Gipfel vorerst ausgeklammert und kommende Woche bei einem deutsch-französischen Extragipfel verhandelt werde. Ein Treffen zwischen Merkel, Sarkozy und Spitzen von EU und EZB war zuvor am Mittwochabend ohne Ergebnisse geblieben. Nun soll es überhaupt am Mittwoch kommender Woche einen zweiten Gipfel geben. Dabei soll es um die konkreten Regeln für den EFSF gehen, wie Merkel am Donnerstagabend erklärte.
Wieder weiter weg vom großen Wurf
Anfangs hatte es diese Woche geheißen, dass am Sonntag ein „Lösungspaket“ auf dem Tisch liegen solle, um die Krise endlich etwas zu entschärfen. Eindringlich hatte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso darauf verwiesen, dass der Gipfel „einer der kritischsten in der Geschichte“ der EU sei, und er betonte, dass sowohl ein positiver als auch negativer Ausgang ein enormes Echo haben würde.
IWF unzufrieden?
Doch am Donnerstag schien zwischendurch nicht einmal die reibungslose Auszahlung der nächsten Kredittranche an Griechenland - die ebenfalls beim Gipfel in Brüssel auf Schiene gebracht werden soll - sicher. Dabei war dieser Punkt zuvor als praktisch abgehakt betrachtet worden.
Danach dementierte der Internationale Währungsfonds (IWF) Meldungen, wonach er bei der Gewährung der inzwischen sechsten, acht Milliarden Euro umfassenden Kreditlinie für Griechenland bremse. Die acht Milliarden sind die letzte Tranche aus dem ersten, schon im Mai 2010 beschlossenen Hilfspaket. Grünes Licht dafür muss vor den Euro-Regierungschef die Troika aus EU, EZB und IWF geben.
Griechenland-Kredit „so schnell wie möglich“
„Der IWF glaubt, dass die Annahmen der Troika-Partner zu optimistisch sind“, hieß es. „Der IWF will erst einmal sehen, was die Euro-Gruppe und der Europäische Rat beschließen“, hieß es. Später ließ der IWF wissen, dass die betreffende Kredittranche „wahrscheinlich Anfang November“ ausbezahlt werden könne. Eine endgültige Entscheidung gab es dazu aber noch nicht. Der Prüfbericht der Troika, in dem diese die Fortschritte Griechenlands bei der Sanierung seiner Staatsfinanzen beurteilt, ging inzwischen an die Regierungen der einzelnen Euro-Länder.
Obwohl der IWF nicht restlos mit dem Tempo zufrieden sei, habe er empfohlen, den „Kredit so schnell wie möglich“ auszubezahlen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters, der der Troika-Bericht laut eigenen Angaben ebenfalls vorlag. Eine wesentliche Frage - die der Schuldentragfähigkeit Griechenlands - sei allerdings nach wie vor offen. Dabei gehe es darum, zu klären, ob Athen in der Lage ist, die Krise nachhaltig durchzutauchen und weitere Hilfszahlungen überhaupt Sinn ergeben. Der IWF sei in diesem Punkt skeptischer als die Europäer.
Der Abschlussbericht der Troika war ursprünglich für den 24. Oktober erwartet worden, wurde wegen des EU-Gipfels aber vorgezogen. Ohne die nächste Kreditlinie droht Griechenland in absehbarer Zeit die Zahlungsunfähigkeit.
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