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„Wie fröhliche, glückliche Krieger“

Vertreter der rechtskonservativen „Tea-Party“-Bewegung in den USA fühlen sich dazu genötigt, ihren Rang als derzeit sehr einflussreiche Bürgerbewegung zu verteidigen: Sie bringen sich gegen die neuen „Occupy Wall Street“-Proteste (Besetzt die Wall Street), die seit rund einem Monat für weltweites Aufsehen sorgen, in Stellung.

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Der seit Mitte September anhaltende Protest in New York und anderen Städten der USA transportiert die Wut breiter Bevölkerungsschichten auf eine superreiche Elite und entfesselte Finanzmärkte sowie die Sorge um die eigene Zukunft. Er richtet sich gegen die negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Mittelschicht und die ärmere Bevölkerung. Die Teilnehmer beschreiben sich in ihrem Hauptslogan als die „99 Prozent“ - in Anspielung auf das reichste Prozent der US-Bevölkerung.

Wurden die Proteste in New York von US-Medien anfangs belächelt, tauchen inzwischen Vergleiche zur Arbeiterbewegung der 30er Jahre und den Bürgerrechtskämpfen in den 60ern auf. Viele fühlen sich außerdem an die Anfänge der „Tea-Party“-Bewegung vor zwei Jahren erinnert. Immer öfter wird „Occupy Wall Street“ in den Medien als „linke Tea-Party“ tituliert.

„Tea-Party“-Bewegung

Der Name der Bewegung geht auf die „Boston Tea Party“ zurück, bei der Siedler 1773 aus Protest gegen die Steuer- und Zollpolitik der britischen Kolonialherren Tee ins Hafenbecken warfen.

Spendenaufrufe gegen neue „Bedrohung“

Das versetzt zahlreiche Anhänger der republikanischen Ablegerorganisation offenbar in Alarmstimmung: In ihren Bemühungen um Abgrenzung mischen sich „Tea-Party“-Anhänger unter die Protestierenden, um Jagd auf diffamierendes Material zu machen. Die US-Nachrichtenplattform „Politico“ listet auf, was „Tea-Party“-Anhänger an Beweisen für ihrer Ansicht nach inakzeptables, anstößiges Benehmen zusammentragen und verbreiten: Kontakte zu den verhassten Gewerkschaften werden demnach geoutet, aufwieglerische Reden aufgenommen, von Drogenmissbrauch und allerlei ausschweifenden Praktiken berichtet.

Republikanische Wähler demonstrieren gegen die Demonstranaten vor dem Weißen Hauses

AP/Alex Brandon

Demos gegen die Wall-Street-Proteste

Bilder wie das eines Demonstranten, der sich auf ein Polizeiauto entleert, werden gepostet, auf Versammlungen wird zu Spenden gegen die neuen „Bedrohung“ aufgerufen. Auch der „Tea Party Express“ rundmailte unlängst einen Spendenaufruf, unterlegt mit einander gegenübergestellten Fotos von US-Fahnen schwenkenden „Tea-Party“-Aktivisten einerseits und Protestierenden in bizarren Make-ups, wie sie gerade von der Polizei abgeführt werden, andererseits.

Offenbar soll tunlichst vermieden werden, die Proteste als breite Bürgerbewegung darzustellen, vielmehr als Freakshow zwielichtiger Punks, Anarchos und Außenseiter am Rande der Gesellschaft oder sogar am Abgrund der Kriminalität. In der Tat unterscheiden sich die von der Rechten publizierten Protestbilder sehr stark von jenen in den meisten Medien, was „Tea-Party“-Aktivisten auch lauthals beklagen - mehr dazu in fm4.ORF.at.

„Martin Luther King vs Malcolm X“

Der Kampagnenleiter der „Tea-Party“-Organisation „FreedomWorks“, Brendan Steinhauser, wagt einen historischen Vergleich: Die Taktik der „Tea-Party“ ähnle der von Martin Luther King, während „Occupy Wall Street“ mit Malcom X zu vergleichen sei, so Steinhauser gegenüber „Politico“. Und weiter: „Sie (die Protestierenden an der Wall Street, Anm.) sind wirklich richtig unglücklich und wütend“, während „Tea-Party“-Anhänger in den meisten fällen „fröhliche, glückliche Krieger“ seien.

In der Tat haben die beiden Bewegungen doch einiges gemeinsam. Beide sind Basisbewegungen. Und ein Teil der „Tea-Party“-Anhänger sympathisiert mit Positionen der Wall-Street-Protestierenden wie jene gegen steuerfinanzierte Bankenrettungsprogramme, auch wenn die Inhalte in den meisten Punkten bzw. im Detail weit auseinandergehen. In den gegenseitigen Schmähungen gibt es ebenfalls Parallelen, so wurden „Tea-Party“-Anhänger 2009 von den Liberalen gerne noch als absurde Ansammlung von Rechtsextremen und Rassisten abgekanzelt.

Die einzige Gemeinsamkeit?

„Wir sind beide Bürgerbewegungen, aber das ist nicht die Tea-Party“, wird der Wall-Street-Aktivist Kevin Zeese in „Publico“ zitiert. „Wir heißen sie aber willkommen, mitzumachen, wenn sie unseren Ärger über die wirtschaftliche Unsicherheit teilen.“ „Das einzige, was uns eint, sind unsere selbst gebastelten Schilder“, wird ein Demonstrant im US-Onlinemagazin The Daily Beast zitiert.

Demonstrant beim Kehren von Stufen

Reuters/Lucas Jackson

Ein Demonstrant kehrt demonstrativ zusammen

Fakt ist: Die Aktion von ein paar Dutzend Studenten an der Wall Street hat sich schnell zu einem Massenprotest ausgeweitet. Unterstützt von den Gewerkschaften fordern mittlerweile Zigtausende Demonstranten Reformen des US-Sozialsystems und eine höhere Besteuerung von Banken und Großverdienern. Doch so eindrucksvoll die Bilder wirken: Der Großteil der Amerikaner hält sich doch aus den Protesten heraus. Vor allem aber dürfte es im Gegensatz zur „Tea-Party“-Bewegung für eine neue linke Bewegung an Geld fehlen.

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