„Die Stimmung ist bombig“
In 200 Betrieben österreichweit sind die Metallarbeiter am Freitag - erstmals in 25 Jahren - in einen Vollstreik getreten. Die Metaller kämpfen für eine kräftige Lohnerhöhung: Sie fordern bekanntlich 5,5 Prozent, während die Arbeitgeber zuletzt 3,65 anboten. Teilweise dauern die Warnstreiks den ganzen Tag, zum Teil eine Schicht lang.
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So wird etwa im Opel-Werk in Wien-Aspern ganztägig die Arbeit niedergelegt, im voestalpine-Werk in Linz werden sogar die Hochöfen heruntergefahren. Bestreikt werden unter anderem auch MAN, BMW, Magna, Otis, Kone, Schindler, Bosch Thyssen Krupp und PEWAG. Von den Ausständen sind alle Bundesländer betroffen, so die Metallergewerkschaft Pro-Ge.
„Signal der Stärke“
„Der Streik ist ein Signal für die Stärke der Arbeiterschaft“, so Peter Scherz (GLB), Mitglied des Streikkomitees bei Magna-Steyr in Graz. „Die Stimmung der Belegschaft ist kämpferisch, wie man das nach Jahrzehnten ohne Streik in der Metallindustrie nicht unbedingt annehmen müsste. Die Leute sind sich bewusst, dass die Forderung nach einer ordentlichen Lohnerhöhung gerecht ist.“

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Feuer vor der voest-Werkseinfahrt statt im Hochofen
Ab 6.00 Uhr wurde etwa die Linzer voest-Werkseinfahrt blockiert, am Vormittag fand eine Betriebsversammlung statt. „5,5“ - die Forderung der Metaller - stand auf einer Baggerschaufel. „Wir kämpfen für unseren Kollektivvertrag!“, war auf einem Transparent zu lesen, das die Protestierenden an einem Waggon angebracht hatten. Es werde nicht ordentlich verhandelt, kritisierte Konzernbetriebsratsvorsitzender Hans-Karl Schaller im Gespräch mit Journalisten. „Wir sind nicht die Rotzbuben von (Arbeitgeber-Chefverhandler Christoph, Anm.) Hinteregger.“
„Die Helden der Fabrik“
„Die Stimmung ist bombig“, so Schaller, der Zuspruch der Belegschaft sei groß. „Die Helden der Fabrik machen einen tollen Job und wollen sich nicht mit drei Prozent abspeisen lassen.“ Sollte es keine Einigung geben, gehe alles nieder, sagte der Betriebsratsvorsitzende. „Die Maßnahmen werden dann verschärft.“
Die Gewerkschaft folgt dabei einem Stufenplan, um den Druck zu erhöhen: Die ersten zwei Stufen waren die Betriebsversammlungen und einstündigen Warnstreiks, wie sie in den vergangenen Tagen bereits in vielen Betrieben abgehalten wurden. Stufe drei ist der befristete Streik, der derzeit läuft. Die nächste Eskalationsstufe wäre ein unbefristeter Ausstand - in mehreren Unternehmen gibt es bereits die entsprechenden Beschlüsse, am Montag damit zu beginnen.
Sonst „ist ihnen nicht mehr zu helfen“
Schaller zeigte sich aber überzeugt, dass es zu einer Einigung kommen wird. „Sollten die Alarmzeichen nicht erkannt werden, ist ihnen nicht mehr zu helfen.“ An der Betriebsversammlung am Linzer Standort der voestalpine nahmen laut Betriebsrat mehr als 4.000 Personen teil. Die Kampfmaßnahmen seien „nicht Jux und Tollerei“, betonte Schaller. „Wir wollen eine kräftige Lohnerhöhung“, erneuerte der Betriebsratschef die Forderung. Er berichtete von Zuspruch aus ganz Österreich - auch von Arbeitnehmern, die in Firmen beschäftigt sind, die nichts mit der voestalpine zu tun haben.
Zugleich warf die Metallergewerkschaft Pro-Ge am Nachmittag einigen Industriellen vor, die streikenden Mitarbeiter unter Druck zu setzen. Sie forderte die Arbeitgeberseite auf, diese „niveaulosen Einschüchterungsversuche“ einzustellen. Und sie stellte klar: „Streiks stellen niemals einen Kündigungs- oder Entlassungsgrund dar.“
„Zu lange Unterwerfung“
Claus Raidl, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Böhler-Uddeholm, erwartet ein nachgebessertes Angebot der Metallindustrie in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen. Die Streiks findet er zu diesem frühen Zeitpunkt überzogen, dramatisch seien diese aber nicht, sagte er in der ZIB - mehr dazu in tvthek.ORF.at. Die von den Gewerkschaften geforderten 5,5 Prozent werde es jedenfalls nicht spielen, meinte Raidl.
Die Forderung der Metaller
Die Metaller fordern 5,5 Prozent mehr Lohn, das Angebot der Unternehmer lag zuletzt bei 3,65 Prozent plus 200 Euro Einmalzahlung. Nach Rechnung der Gewerkschaft brächte das inflationsbereinigt nur 40 Euro netto. Der Mindestlohn der Metaller liegt derzeit bei 1.515 Euro brutto.
Dabei wären diese nach Meinung des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB (GLB) mehr als überfällig, denn die Realeinkommen würden seit den 90er Jahren stagnieren. „Die Gewerkschaften haben viel zu lange durch ihre Unterwerfung unter die von Unternehmerseite propagierte Standortsicherung eine falsch verstandene Solidarität geleistet, der jetzt wieder ins Treffen geführte ‚soziale Friede‘ hat im Ergebnis nur zum Zurückbleiben der Löhne und Gehälter geführt“, so GLB-Bundesvorsitzender Josef Stingl. In der Metallindustrie gibt es 165.000 Beschäftigte plus knapp 20.000 Leiharbeiter. Wird gestreikt, dürfen auch die Leiharbeiter nicht weiterarbeiten, so die Pro-Ge. Das Streikrecht ist unter anderem durch die Verfassung abgesichert.
Arbeitgeber orten politische Motive
Die Arbeitgeberseite hatte sich nach der abgebrochenen Verhandlungsrunde am Mittwoch enttäuscht gezeigt. Chefverhandler Hinteregger kritisierte den Verhandlungsstil der Gewerkschafter scharf. Von den Streikmaßnahmen zeigte sich Hinteregger nicht überrascht. In diesem Jahr gebe es offenbar einen neuen Verhandlungsstil, Löhne und Gehälter festzulegen sei offenbar nicht die oberste Priorität.
Vielmehr wolle man sich seitens der Gewerkschaft wahrnehmbar machen, Betriebsversammlungen und letztlich Streiks abhalten, so Hinteregger. Politologen sehen dagegen keine politischen Hintergründe. Vielmehr sei der Druck von der Basis so stark, dass der Gewerkschaft nichts anderes übriggeblieben sei, als auf den Tisch zu hauen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Zuletzt 1986 Arbeit niedergelegt
Mit Streiks wurde zwar regelmäßig gedroht, allerdings wurde diese Maßnahme nur selten eingesetzt. Zuletzt wurde vor 25 Jahren, nämlich im November 1986, bei den Metallern zur Unterstützung der Forderungen bei Kollektivvertragsverhandlungen gestreikt. Dabei ging es in kurzen Warnstreiks um die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung und mehr Lohn.
Davor streikten die Metallarbeiter im Mai 1962. Dieser Arbeitskampf hatte mehrere Ziele: die Abschaffung der damaligen eigenen Frauenlohngruppen, Lohnerhöhungen sowie arbeitsrechtliche Verbesserungen bei Krankenstand. Krankheit dürfe kein Entlassungsgrund mehr sein, forderten die Beschäftigten. Damals waren österreichweit rund 200.000 Beschäftigte vier Tage lang im Streik, die Arbeitsniederlegung war erfolgreich.
Die Lohnabschlüsse in der Metallindustrie gelten als richtungsweisend für die gesamte Herbstlohnrunde, wobei der Metaller-KV an der obersten Bandbreite der Abschlüsse liegt. So beträgt das Mindesteinkommen eines Metallers derzeit 1.515 Euro brutto.
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