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Viel Unmut, wenig Konkretes

Knapp drei Wochen nach Beginn der Proteste an der New Yorker Wall Street soll am Mittwoch die bisher größte Aktion gegen Banken beginnen. Unterstützt von zahlreichen Gewerkschaften wollen die Aktivisten von „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“) vom Rathaus zum Zucotti-Park marschieren, um gegen die Macht der Banken zu demonstrieren. Die Veranstalter rechnen mit Tausenden Teilnehmern.

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In den letzten drei Wochen demonstrierten Tausende Menschen vorwiegend in New York gegen einen ganzen Katalog von Dingen, die nach ihrer Ansicht in den USA und dem Rest der Welt falsch laufen: das Wirtschaftssystem, die Sozialpolitik, die Justiz, die Klimapolitik - vor allem aber die Macht der Banken. Der Zucotti-Park an der Liberty Street ist seit drei Wochen das inoffizielle Hauptquartier der Besetzer, weil die wegen Terrorgefahr streng bewachte Wall Street selbst keine größeren Demonstrationen zulässt.

Am Sonntag waren bei einem Protestmarsch etwa 700 Demonstranten festgenommen worden, als sie über die Fahrbahn der Brooklyn Bridge marschierten. Die meisten der wegen Ruhestörung Festgenommen wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie gerichtliche Vorladungen erhalten hatten. Sie hatten bei einem Demonstrationszug den Fußweg der vielbefahrenen Brücke verlassen, waren auf die Fahrbahn gegangen und hatten die Brücke blockiert.

Mann wird von Polizisten auf der Brooklyn Bridge abgeführt

Reuters/Jessica Rinaldi

Polizisten nehmen auf der Brooklyn Bridge Demonstranten fest

Was wollen die Demonstranten?

Die zumeist jungen Demonstranten machen ihrem Ärger über Rettungspläne für reiche Banken, die Finanznot von Studenten und kleinen Leuten und Polizeistaatmethoden Luft. Sie ziehen Parallelen zum Umbruch in der arabischen Welt, zu den Protestcamps der „Indignados“ („Empörten“) in Spanien und zur Anti-Vietnamkrieg-Bewegung in den 1960er Jahren. Konkrete Forderungen waren bisher ausgeblieben, es bleibt schwer, die Konturen der Protestbewegung nachzuzeichnen. Frust über Arbeitslosigkeit mischt sich mit Verärgerung über die ungleiche Einkommensverteilung, Erderwärmung und die Ellbogengesellschaft.

„Wir wollen die Wall Street gar nicht abschaffen“, sagte Jackie Fellner dem Wirtschftsmagazin „Businessweek“. „Das ist nicht Arm gegen Reich. Es ist dagegen, dass das große Geld diktiert, wer gewählt und was beschlossen wird.“ Die 32-Jährige ist selbst Managerin, hat sich dem Protest aber angeschlossen. Ebenso wie Denise Martinez, eine Lehrerin: „Die Ursache des Protests ist, dass die Banken hier an der Wall Street und anderswo die wirtschaftlichen Probleme verursacht haben, sich aber nicht an der Lösung beteiligen.“

Mangelnde politische Verantwortung?

Eine Demonstrantin sagte gegenüber der „New York Times“: „Es ist egal, wogegen du protestiert, Hauptsache, du protestierst.“ Aussagen wie diese und die letztlich nur vagen Forderungen lassen viele zwiespältig auf die Demonstranten blicken. In den Medien wird vielfach deren Visionslosigkeit kritisiert. Ein Kommentar im „Economist“ beanstandet die mangelnde politische Verantwortung der jungen Demonstranten.

Nur ein sehr geringer Teil habe sich 2010 an den „Midterm-Elections“ beteiligt, wie die Wahlstatistiken zeigten. Nun stellten sie sich gegen ein System, das zu verhindern sie gar nicht erst versucht hätten. „Der wohl größte Grund, warum sich junge Menschen von ihrer Regierung so entfremdet fühlen, ist, dass sie sich selbst von dem Prozess entfernt haben, diese mitzubestimmen“, meint der „Economist“.

Die Bewegung weitet sich in jedem Fall aus und findet bereits Nachahmer in zahlreichen anderen US-Städten wie Boston, Chicago, San Francisco und Los Angeles. In San Francisco etwa campierten mehr als 20 Menschen vor einer Niederlassung der Notenbank Fed und hielten Poster in die Höhe mit Sprüchen wie „Verhaftet die überbezahlten Manager“.

Großinvestor bekundet Solidarität

Unterstützung von unerwarteter Seite erhielten die Demonstranten vom US-Großinvestor George Soros. Er erklärte seine Sympathie für die Protestbewegung. „Offen gesagt kann ich ihre Gefühle verstehen“, so Soros am Montag in New York. Auf der einen Seite müssten etwa Kleinunternehmer mit immer höheren Zinsen für ihre Kreditkarten kämpfen, auf der anderen Seite fahre die Finanzbranche riesige Gewinne ein und zahle üppige Boni aus.

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