Kanzleramtschef teilt aus
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat es zurzeit nicht leicht. Die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms lässt manchem in ihrer CDU-CSU-FDP-Koalition die Nerven durchgehen. Nach FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler und dem Dauerstörfeuer von CSU-Chef Horst Seehofer wird nun Kanzleramtschef Ronald Pofalla zum Problem: Er will Merkels Politik verteidigen, vergreift sich aber in der Wortwahl.
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Der Streit in der Union über die Aufstockung des Euro-Rettungsfonds EFSF zieht weitere Kreise. Und die Schlagabtäusche, die in die Medien durchsickern, lassen nicht das Bild einer konservativen Partei, in der jeder seinen Knigge gelernt hat, entstehen. Pofalla hatte laut übereinstimmenden Medienberichten vom Wochenende den Vorsitzenden des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), vor anderen Parlamentariern mit den Worten „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ bedacht.
„Machst mit deiner Scheiße alle verrückt“
Auf einen Hinweis Bosbachs auf die im Grundgesetz garantierte Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten soll Pofalla zudem geantwortet haben: „Ich kann den Scheiß nicht mehr hören.“ Nachsatz Pofallas: „Du machst mit deiner Scheiße alle Leute verrückt.“ Bosbach lehnte bei der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms die Linie von Regierung und Fraktionsführung ab, ebenso wie einige andere Abgeordnete der Union, vor allem der CSU, und der FDP.

dapd/Berthold Stadler
Wird für die Partei zunehmend zum Problem: Roland Pofalla, einst Generalsekretär und CDU-Sprachrohr
Nun kommt auch vom Koalitionspartner FDP Kritik. „Wenn das Kanzleramt schon mit den eigenen Leuten derart umspringt, muss man sich nicht wundern, dass es in der Koalition oft hakt“, sagte der Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale (JuLis), Lasse Becker, der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstag-Ausgabe). Pofalla leiste schon lange keine gute Arbeit mehr. „Daraus sollten langsam Konsequenzen gezogen werden“, sagte Becker.
SPD: „Die Nerven liegen blank“
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte der Zeitung, Pofallas Verhalten sei „niveaulos und selbst entlarvend“. Wegen der Differenzen, die in der Koalition herrschten, forderte der SPD-Politiker Neuwahlen. Diese seien „der beste Weg, um zu einer frischen, kraftvollen und realistischen Regierung zu kommen“. Pofallas Verhalten sei bezeichnend für die Regierungskoalition: „Die Nerven in der Koalition liegen blank“, sagte er.
Bosbach dachte über Abschied nach
Der von Pofalla gescholtene Bosbach sagte dem Bayerischen Rundfunk, er wolle die Frage seines Verbleibs in der Politik zunächst offen lassen. „Die Wahlperiode ist ja gerade erst einmal zur Hälfte vorbei, und auch zu Hause wären die Wählerinnen und Wähler enttäuscht“, sagte er. In der vergangenen Woche hatte Bosbach unter dem Eindruck der innerparteilichen Kritik erklärt, bei der Wahl 2013 möglicherweise nicht mehr anzutreten.
CSU-Chef Seehofer, der mit seiner Partei dem ausgeweiteten Rettungsschirm ebenfalls skeptisch gegenübersteht, betonte bereits am Wochenende gegenüber der „Welt am Sonntag“, besonders Bosbach habe sich immer um eine sehr fundierte Argumentation bemüht: „Er ist bestimmt kein Querulant.“
Pofalla entschuldigt sich
Am Dienstagnachmittag wurde die Entschuldigung Pofallas bekannt. „Ich ärgere mich selbst sehr über das, was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Er habe sich mit Bosbach einen Tag nach dem Vorfall am Montagabend vergangener Woche bereits ausgesprochen. Ob die Affäre damit ausgestanden ist, bleibt abzuwarten. Viele Freunde dürfte Pofalla parteiintern nicht mehr haben, wenn die Version der raschen Aussprache vor über eine Woche stimmt.
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