Gefundenes Fressen für die Medien
„Engelsgesicht“, „eiskalter Engel“, „verrückte Sexmörderin“: Für Boulevardmedien rund um die Welt war der Prozess gegen Amanda Knox, der 2009 im italienischen Perugia begann, ein gefundenes Fressen. Im Oktober 2011 endete der Prozess des Jahrhunderts mit Freisprüchen. Nun gab es erneut Schuldsprüche.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Am 4. Dezember 2009 wurde Knox als Haupttäterin im Mordfall Meredith Kercher von einer Geschworenenjury für schuldig befunden und zu 26 Jahren Haft verurteilt. Die damals 22-jährige US-Studentin wurde beschuldigt, ihrer 21-jährigen britischen Studienkollegin Kercher bei einem Sexspiel die Kehle durchgeschnitten zu haben. Knox betonte dagegen immer ihre Unschuld.

Reuters/Daniele la Monaca
Das Haus, in dem Meredith Kercher gefunden wurde, steht nun zum Verkauf
Stimmungsmache statt Beweisen
Der Fall warf von Beginn an die Frage medialer Vorverurteilung auf. Vor allem britische und italienische Zeitungen zeichneten das Bild des nach außen hin wohlerzogenen Mädchens, das im Geheimen Sex- und Gewaltfantasien frönt. Angeführt wurden dabei etwa Details wie Knox’ Einträge auf der Webplattform MySpace, wo sie sich als „Foxy Knoxy“ (etwa: durchtriebenes Luder) präsentierte.
Auf einem Foto zeigte sich Knox lachend beim Posieren hinter einem historischen Maschinengewehr. Laut britischen Medien war das Foto des später gelöschten MySpace-Accounts mit der Beschreibung versehen: „The Nazi inside“ (etwa: Der Nazi in mir). Auch die Anklage versuchte, mit derlei Details Stimmung bei den Geschworenen zu machen. Die Familie der Angeklagten reagierte mit einer „Gegenkampagne“ in den Medien, im Zuge derer Knox’ Angehörige die Studentin als unschuldiges Opfer schlechter Polizeiarbeit darstellten.
Familie kämpfte gegen Anschuldigungen
Knox’ Stiefmutter Cassandra versicherte etwa, dass sie nichts von den Vorwürfen auch nur annähernd glaube. Die leibliche Mutter verwies in etlichen Interviews auf die zweifelhafte Beweislage und flog öffentlichkeitswirksam nach Italien, um bei ihrer Tochter zu sein. Zudem ließ auch der Vater von Knox kaum eine Gelegenheit aus, auf die Unschuld seiner Tochter zu verweisen und ihren ebenfalls angeklagten Ex-Freund Sollecito als „netten Burschen“ zu beschreiben. Zudem wurden damals im Internet Seiten wie Friends of Amanda Knox und Amanda Defence Fund eingerichtet.
Buch über Knox’ Gefängnisleben
Im Herbst 2010, einen Monat vor dem Beginn des Berufungsverfahrens, erschien ein Buch über Knox’ Leben im Gefängnis. Das Buch mit dem Titel „Take Me With You - Talks with Amanda Knox in Prison“ beruht auf Gesprächen, die der Abgeordnete Rocco Girlanda mit ihr führte. Die Familie des Mordopfers reagierte alles andere als erfreut auf das Werk. Sie bezeichneten es als „unangemessen“ und unnötig.
Proteste gegen Dornhelm-Film
Im Februar 2011 wurde in den USA ein TV-Film über den mysteriösen Mordfall gezeigt. Regie führte der Österreicher Robert Dornhelm, die Rolle von Knox spielte Hayden Panettiere. Dornhelms Film basierte weitgehend auf Gerichtsakten, jedoch vermied er jegliche Schlussfolgerungen über Schuld oder Unschuld der Amerikanerin. Allerdings zog er die DNA-Untersuchungen in Zweifel, auf deren Grundlage Knox verurteilt wurde.
Gegen den Film hatten sowohl die Angehörigen von Knox als auch des Mordopfers vergeblich protestiert. Der Film komme „zur Unzeit“, da das Berufungsverfahren damals noch lief, sagte ein Sprecher der Knox-Familie. Ein Vertreter der Familie von Kercher sagte, einen Film schon jetzt zu machen sei „völlig unangemessen und ungerechtfertigt“, da die Tragödie in den Gedanken der Familie noch derart präsent sei.
Freispruch nach fehlerhaften DNA-Beweisen
Am 7. September 2011 dann der nächste Sieg für Knox: Der Richter wies das Ansuchten des Staatsanwaltes für eine neuerliche DNA-Untersuchung ab. Damit wurde der Anklage ihre wichtigste Argumentation entzogen. Denn ohne ein Motiv und Zeugenaussagen, musste sich die Staatsanwaltschaft alleine auf Indizienbeweise verlassen. Und gerade der Umgang mit den DNA-Spuren wurde von einer unabhängigen Kommission stark kritisiert.
Am 3. Oktober kam dann der Freispruch für Knox und ihren Ex-Freund Sollecito durch das Berufungsgericht in Perugia. Knox kehrte nach insgesamt vier Jahren in italienischer Haft in ihre Heimatstadt Seattle zurück, Sollecito nahm sein Studium in Verona wieder auf.
Memoiren veröffentlicht
Ein neues Kapitel in dem Justizkrimi wurde Ende März 2013 aufgeschlagen: Das oberste Gericht Italiens hob den Freispruch auf. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, die Richter hätten in dem Berufungsverfahren mit dem Freispruch „den Kompass verloren“. „Ich bin enttäuscht“, sagte dazu Knox nach Angaben ihres Anwalts Carlo dalla Vedova.
Nur wenige Wochen nach der Aufhebung der Freisprüche erschienen Knox’ Memoiren, in denen sie ihre Sicht der Ereignisse seit dem 2. November 2007 darlegt, dem Tag als Kercher ermordet aufgefunden wurde. In dem Buch „Waiting to Be Heard“ (deutsch: „Zeit, gehört zu werden“), erschienen im Verlag HarperCollins, schildert sie sich als naives Mädchen, das unschuldig in die Fänge einer irregeleiteten Justiz geriet.
Ihr eigentümliches Verhalten danach - bei Verhören und Tatrekonstruktionen, aber vor allem, dass sie in Verhören einen unschuldigen örtlichen Barbesitzer als Täter nannte - erklärt sie damit, dass alles „so surreal und einschüchternd“ gewesen sei.
Prozess neu aufgerollt
Seit Herbst 2013 lief nun der neue Prozess in Florenz nach Aufhebung der Freisprüche. Knox nahm nicht persönlich daran teil. „Ich wäre für den Prozess zurückgekommen“, sagte sie in einem Interview gegenüber der Zeitung „La Repubblica“, „aber ich habe Angst, ich war für vier Jahre im Gefängnis, ohne etwas Böses getan zu haben, und obwohl ich meine Unschuld herausgeschrien habe, hat mir niemand geglaubt.“ Vor dem Urteil hatte sie sich demonstrativ optimistisch gezeigt.
Haus zum Kauf angeboten
Das zweistöckige Haus, in dem Kercher in Perugia ermordet wurde, wird unterdessen zum Kauf angeboten. Das Objekt mit einem 5.000 Quadratmeter großen Garten ist für 460.000 Euro zu haben.
Link: