Staat versagte bei Prävention
Ein Verkehrsunfall, bei dem ein 19-jähriger ethnischer Bulgare getötet wurde, hat zu blutigen Krawallen mit Hunderten Verhaftungen geführt. Der tragische Zwischenfall vom Freitag der Vorwoche im südbulgarischen Ort Katuniza hatte umgehend nationalistische und rassistische Krawalle ausgelöst.
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Bei Demos und gewalttätigen Übergriffen - die sich mittlerweile auf mehrere Städte im Land ausgeweitet haben - gehen seither vor allem nachts Häuser und Autos in Flammen auf. Dutzende wurden bei den Zusammenstößen und Schlägereien zwischen ethnischen Bulgaren und Roma bereits verletzt.
Die Lokalbevölkerung von Katuniza gibt dem Roma-Clanboss Kiril Raschkow die Hauptschuld am tödlichen Unfall. In dem Auto waren Mitglieder seines Clans gesessen, und laut Augenzeugenberichten überfuhr der Fahrer den 19-Jährigen absichtlich. Der Fahrer selbst behauptet, er sei nicht stehen geblieben, weil er dachte, er habe einen Hund angefahren. Raschkow, besser bekannt unter dem Spitznamen „Zar Kiro“, und sein Clan sollen laut bulgarischen Medienberichten eine Mafia-ähnliche Unternehmung in der Gegend nahe der zweitgrößten bulgarischen Stadt Plowdiw aufgezogen haben.

APA/EPA/Vassil Donev
Eines der Häuser von „Zar Kiro“
Berühmt-berüchtigte Figur
Laut der auf Mittel- und Osteuropa spezialisierten Nachrichtenwebsite TOL ist „Zar Kiro“ bereits seit mehr als 20 Jahre berühmt-berüchtigt in der Region. Sein Vermögen soll er mit dem Verkauf gepanschten Alkohols und einem Ring an Geldtaschendieben und Frauenhändlern gemacht haben. Die Bevölkerung klage nicht erst jetzt darüber, dass Raschkow und sein Clan sie regelrecht terrorisieren und die lokalen Behörden bestechen würden, so die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). Auch die Roma selbst würden darunter leiden.
„Das Verhalten von Raschkows Clan war für Bulgaren wie Roma in Katunzia seit vielen Jahren ein Problem“, so der TOL-Kolumnist Bojko Wassilew. Doch der Staat habe dabei versagt, für den nötigen Schutz zu sorgen und die Schuldigen vor Gericht zu bringen. Dieser Mangel an staatlichem Eingreifen „kann leicht zu ethnischen Untertönen führen, wenn sich die Gemüter erhitzen“.
Krawalle auch nach Festnahme
Mittlerweile wurde „Zar Kiro“ festgenommen - doch die Krawalle ebben deshalb nicht ab. Auch nach dessen Festnahme protestieren Bulgaren slawischer Abstammung in vielen Städten gegen die Roma-Minderheit - auch in der Hauptstadt Sofia. So überfielen nach einem nicht gewalttätigen Protest gegen die Roma im südbulgarischen Blagoewgrad Skinheads in der Nacht zum Donnerstag zwei Roma im Stadtzentrum und schlugen sie zusammen. Daraufhin versammelten sich rund 300 Menschen aus dem Roma-Viertel. Die Polizei konnte weitere Zusammenstöße verhindern. Zwei Jugendliche wurden festgenommen, teilte das Innenministerium mit.

AP/Valentina Petrova
Polizei bewacht das ausgebrannte Haus Raschkows
Die nationalistische Ataka-Partei setzt weiter ihre mehrtägige Protestaktion am Präsidentensitz in Sofia fort. Die Partei, die sowohl im bulgarischen als auch im EU-Parlament vertreten ist, hatte die Einberufung des Rates für nationale Sicherheit unter Vorsitz von Staatspräsident Georgi Parwanow gefordert. Das Gremium wird nun an diesem Samstag zusammenkommen und sich mit den Auseinandersetzungen befassen. Gleichzeitig soll es in Sofia wieder Anti-Roma-Proteste geben.
Roma rüsten sich gegen Angriffe
Die Roma in Bulgarien fürchten neue Zusammenstöße mit Nationalisten. Um sich zu verteidigen, hielten viele von ihnen nach Medienberichten Stöcke, Äxte und Schusswaffen parat. In dem Balkan-Land leben mehrere Hunderttausend Roma - mit wenigen Ausnahmen - in bitterer Armut. Angesichts der ethnischen Spannung im Lande wurde in der orthodoxen Kathedrale der Schwarzmeer-Stadt Warna am Donnerstag ein Bittgebet für Frieden abgehalten, berichtete die private Nachrichtenagentur Focus.

AP/Valentina Petrova
Bulgarische Ultranationalisten bei einer Anti-Roma-Demo
Bulgarien ist das EU-Land mit dem größten Anteil an Roma gemessen an der Gesamtbevölkerung. Roma sind die zweitgrößte Minderheit und die drittgrößte ethnische Gruppierung (nach den Bulgaren und den Türken). Laut Volkszählung vor zehn Jahren lebten damals 371.000 Roma in Bulgarien - Schätzungen gehen aber von bis zu 800.000 aus.
Vor einem Jahr hatten EU-weit die gewaltsamen massenhaften Deportationen rumänischer und bulgarischer Roma aus Frankreich wochenlang für Aufregung und heftige Debatten gesorgt. Die EU nahm das zum Anlass, einen Aktionsplan zur verbesserten Integration von Roma zu verabschieden - doch an der oft sozial und ökonomisch desaströsen Lage der rund 12 Millionen Roma hat sich seither kaum etwas geändert.
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