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„Haben Waffenhändler moralische Bedenken?“

Es scheint ein gutes Geschäft zu sein, das Agenturen mit dem Verfassen von wissenschaftlichen Ghostwriter-Arbeiten machen. Im Internet finden sich unzählige Angebote - vorwiegend aus Deutschland -, die alle dasselbe versprechen: fundierte wissenschaftliche Arbeiten mit hoher Qualität, und das innerhalb kürzester Zeit. Teilweise sogar mit Geld-zurück-Garantie.

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Auf Bestellung schreiben sie für Studenten Hausübungen, Diplomarbeiten und sogar Dissertationen und decken nahezu alle Fachbereiche ab. Rechtlich versuchen sich die Ghostwriter mit Klauseln abzusichern, in denen etwa steht, dass die Texte ausschließlich ein „Entwurf zur Anregung“ seien („Ghostwriter.nu“) - und der Auftraggeber diese nicht 1:1 für prüfungs- oder abschlussrelevante Zwecke verwenden darf.

Eine rechtliche Grauzone, wie Experten gegenüber dem Monatsmagazin „Datum“ urteilten. „Es gibt keine Regelung darüber, ob Ghostwriting zulässig ist oder nicht“, sagte etwa Leonhard Reis, Lehrender am Juridicum der Uni Wien und Rechtsanwalt, der sich mit Ghostwriting und Urheberrecht beschäftigt, gegenüber dem Magazin.

Der feine Unterschied macht´s

Der Geschäftsführer der deutschen Agentur Acad Write, Thomas Nemet, legt im Interview mit ORF.at Wert darauf, dass es sich bei den von seinem Unternehmen verfassten Arbeiten nicht um „Diplomarbeiten“ und „Dissertationen“ handelt, sondern um wissenschaftliche Arbeiten, was per se natürlich nicht illegal ist. Entscheidend ist, wie die Arbeit anschließend verwendet wird. Von diesem feinen Unterschied profitiert ein ganzer Geschäftszweig.

Auf dem Papier verpflichten sich Nemets Kunden dazu, die Arbeit nicht als ihre eigene einzureichen. Die Agentur hält sich damit straffrei. Was der Kunde nach dem Verfassen mit der Arbeit tut, ist Nemet egal: „Was der Kunde damit zu tun wünscht, muss er selbst entscheiden, das kann ich nicht sagen.“ Aber er sei ein grundsätzlich positiv denkender Mensch und gehe davon aus, „dass die Arbeit im rechtlichen Rahmen verwendet wird“. Wenn jemand allerdings doch einmal „meine“, er müsse diese Arbeit wo einreichen, „dann muss auch er dafür geradestehen“, sagte er.

4.000 Euro für 60 Seiten

Billig ist der Service für Studierende freilich nicht. Eine 60-seitige Arbeit kommt bei der Agentur Acad Write zum Beispiel auf etwa 3.000 bis 4.000 Euro - ohne empirischen Teil, so Nemet. Soll die Arbeit auch eine Umfrage oder statistische Auswertung beinhalten, kostet das extra. Auch viele andere Agenturen rangieren ungefähr in dieser Preisklasse und verlangen in etwa 30 bis 50 Euro pro Seite - je nach Komplexität und Aufwand.

Mehr als 300 Autoren arbeiten bei Acad Write, darunter auch einige Universitätsprofessoren, sagte Nemet. Von Jus, Medizin über Geisteswissenschaften decken sie laut seinen Angaben fast alle Fachbereiche ab. Der „geneigte“ Kunde füllt nur noch ein Kontaktformular auf der Website aus, wo er Thema, Seitenanzahl und Abgabetermin einträgt, und erhält - je nach Belieben mit eigener Mitarbeit oder auch ohne - einige Zeit später eine fertige wissenschaftliche Arbeit.

Der Waffenproduzent ist nicht der Mörder

Moralische oder rechtliche Bedenken hat Nemet bei seiner Tätigkeit absolut nicht. Er zieht in dem Zusammenhang einen ungewöhnlichen Vergleich heran: „Inwiefern haben Waffenhändler oder -Produzenten moralische Bedenken?“, fragt er zurück. Wenn jemand ein Küchenmesser kaufe, sei der Verkäufer auch nicht dafür verantwortlich, wenn derjenige seinen Schwiegervater damit umbringt.

Auch auf Studierendenseite dürften sich die Bedenken im Hintergrund halten, denn das Geschäft scheint gut zu laufen. In den über sieben Jahren seit Bestehen von Acad Write sind bereits 5.000 „Projekte“ umgesetzt worden. Das Unternehmen ist mittlerweile eine Aktiengesellschaft mit einem jährlichen Umsatz von zirka einer Million Euro. Seit einigen Monaten ist die Agentur neben Deutschland, der Schweiz und Ungarn auch in Österreich präsent. Ausgerechnet in Salzburg, der Heimatstadt des „Plagiatjägers“ Stefan Weber, eröffnete die Agentur ein Büro.

Auffliegen ist unwahrscheinlich, aber teuer

Weber sieht im Ghostwriting ein „Riesenproblem“, allerdings sei es allen „wurscht“, sagte er gegenüber „Datum“. Die Krux an der Sache ist, dass niemand wisse, wo man beginnen soll, den Autoren auf die Schliche zu kommen. Ghostwriter-Arbeiten sind schließlich schwerer zu enttarnen als Plagiate. Passiert das trotzdem einmal, droht dem Auftraggeber eine Anzeige wegen Betrugs. Abgesehen davon wird ihm auch der akademische Titel aberkannt. Laut dem Rechtsanwalt Reis könnte im Fall einer Betrugsanklage aber auch der Ghostwriter zur Verantwortung gezogen werden und als Beitragstäter angeklagt werden, Schutzklausel hin oder her.

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