Ureinwohner am Fischen gehindert
Der drittgrößte Stausee der Welt sollte im brasilianischen Amazonas-Becken mit dem Bau des Belo-Monte-Staudamms entstehen. Die Proteste gegen das enorme Bauprojekt waren enorm. Am Mittwoch (Ortszeit) stoppte nun ein brasilianisches Gericht den Bau. Die Begründung: Er hindere Ureinwohner am Fischen.
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Das Baukonsortium Norte Energie dürfe keine Infrastrukturmaßnahmen vornehmen, die den natürlichen Fluss des Xingu-Flusses und damit den Fischbestand und das Fischen der Ureinwohner beeinträchtigen, so das Urteil. Eine Kanalumleitung für den Staudamm würde das Wasservolumen des Xingu, eines Seitenflusses des Amazonas, erheblich reduzieren und den Fischfang erschweren bzw. unmöglich machen.
Elf Prozent des Strombedarfs
Für die brasilianische Regierung ist das elf Mrd. Dollar (8,1 Mrd. Euro) teure Projekt zentral für die nationale Energieproduktion. Er sollte ab 2015 bereits elf Prozent des landesweiten Strombedarfs decken. Der Staudamm wäre auf eine Stromleistung von 11.000 Megawatt ausgelegt. Noch höhere Leistungen erbringen derzeit der ebenfalls brasilianische Itaipu-Stausee mit 14.000 Megawatt und der Dreischluchtenstausee in China mit 18.000 Megawatt.

AP/Eraldo Peres
Indios protestieren gegen den Bau des Staudamms
Die Kraftwerkspläne hatten im Frühjahr sogar zu Spannungen zwischen der brasilianischen Regierung und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) geführt. Deren Menschenrechtskommission hatte „zum Schutz der indigenen Bevölkerung“ eine sofortige Aussetzung des Genehmigungsverfahrens und der Bauarbeiten gefordert sowie Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Die Regierung bezeichnete die Forderungen als „voreilig und ungerechtfertigt“.
Auflagen nicht eingehalten
Erst im Juni hatte die brasilianische Umweltbehörde die endgültige Genehmigung für den Bau des Kraftwerks erteilt, da es Garantien für den Erhalt des Ökosystems und der Lebensgewohnheiten der Bevölkerung am Xingu-Fluss gebe. Das war dem Gericht, das nun den Baustopp anordnete, offenbar zu wenig.
Nur wenige Wochen vor der Entscheidung der Umweltbehörde hatte dieselbe Behörde in einem von brasilianischen Medien zitierten Bericht kritisiert, dass beim Bau des drittgrößten Staudamms der Welt die sozialen und Umweltschutzauflagen bis zu diesem Zeitpunkt größtenteils nicht eingehalten worden seien. Bei den Bauvorbereitungen seien bis April nur fünf der insgesamt 40 Auflagen erfüllt worden. Als einer der Hauptverstöße gegen die Auflagen wurde dem Bericht zufolge die mangelnde Vorbereitung auf den massiven Ansturm Tausender Wanderarbeiter für den Staudamm kritisiert.
500 Quadratkilometer überflutet
Für die Entschädigung der Ureinwohner waren bei Genehmigung des Projekts umgerechnet rund 570 Mio. Euro veranschlagt worden. Der Stausee hätte rund 500 Quadratkilometer Land überflutet. Die Bewegung Xingu Vivo ging davon aus, dass rund 20.000 Einwohner ihren Lebensraum verloren hätten. Andere Schätzungen gehen von 30.000 bis 40.000 Umsiedlungen aus. Umso intensiver waren die Proteste gegen das Projekt.
Prominente Gegner
Einer der engagiertesten Kämpfer gegen das Vorhaben war der aus Österreich stammende Bischof und Alternative Nobelpreisträger 2010, Erwin Kräutler. Wie andere Kritiker sah er die Existenzgrundlage der dort lebenden Indios gefährdet.
Prominente Unterstützung erhielt die Protestbewegung aus Menschenrechtlern, Kirchenvertretern und Oppositionspolitikern mit dem Regisseur James Cameron und dem Sänger Sting. Cameron hatte gewarnt, die lokalen Stämme im Amazonas-Regenwald könnten Gewalt anwenden, um den Bau zu stoppen.
Andritz „sehr gelassen“
Mit der Andritz AG gab es neben Kräutler auch auf Zulieferseite einen heimischen Akteur. Im Februar sicherte sich der österreichische Anlagenbauer einen Auftragsanteil in dreistelliger Millionenhöhe. Das Unternehmen reagierte am Donnerstag „sehr gelassen“ auf den gerichtlich verhängten Baustopp. Es handle sich ja um keine endgültige Einstellung. Die Baustelle sei noch nicht eingerichtet, und Andritz sei noch gar nicht an der Arbeit, so ein Sprecher des Unternehmens auf APA-Anfrage: „Wir gehen davon aus, dass wir den Auftrag ausführen werden“.
Bei dem Unternehmen argumentierte man, auch der erste Baustopp Mitte Februar dieses Jahres sei von einem lokalen Gericht verhängt worden, ein übergeordnetes Gericht habe diesen nach wenigen Tagen wieder aufgehoben. Es habe praktisch „null Verzögerung“ gegeben. „Auch diesmal erfolgte die Anordnung zur vorläufigen Einstellung der Arbeiten auf Anordnung eines lokalen Gerichts“, so der Sprecher.
Aus diesem Grund warnte der WWF vor verfrühtem Jubel: „Die aktuelle richterliche Verfügung kann in der nächsten Instanz in Brasilia angefochten werden.“ Der WWF bezeichnet das Milliardenprojekt als „unrentabel und eine ökologische und soziale Katastrophe“.
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