Lustvoll in Wunden gebohrt
Helmut Qualtingers Todestag jährt sich am Donnerstag zum 25. Mal. Mit dem Mitläufer „Der Herr Karl“ schrieb sich Qualtinger ins kollektive Bewusstsein der Nation ein und sorgte für einen Sturm der Entrüstung in einem Land, in dem die Verdrängung der Nazi-Gräuel zum guten Ton gehörte.
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So verschmolz nach Qualtingers Tod am 29. September 1986 - er starb an den Folgen eines Leberleidens - die Erinnerung an den Schauspieler mit seiner Figur, die ihn sogar an den Broadway führte. Dabei begegnete dem „Herrn Karl“ aufgebrachte Empörung, nachdem dieser 1961 erstmals seine Ansichten eines Urwiener Wendehalses zum Besten gab.
Dass die Ablehnung allzu schnell in Begeisterung umschlug - fünf Jahre später war die Schallplatte bereits ein Verkaufshit -, veranlasste Peter Turrini zum Hinweis auf eine „österreichische Liebe“, die „Zuwendung vorgibt und Erstickung will“. Die ganze Nation habe Qualtinger „ungefragt die kumpelhafte Bezeichnung ‚Quasi‘ verliehen, weil sie nicht hören wollte, was er sagte, sondern nur, wie er es sagte“.
Der „Travnicek“
Und das sagte „die grantige Instanz“ Österreichs höchst feinsinnig: Anfang der 1950er Jahre schloss sich Qualtinger der kabarettistischen Gruppe Bronner, Merz und Kehlmann („Reigen 1951“) an. Zusammen mit Carl Merz verfasste er über 100 Kabarettnummern und auch den „Herrn Karl“. „Brettl vor dem Kopf“ hieß eines der erfolgreichsten Programme der Anfangszeit, „Dachl überm Kopf“ spielte man, als die Gruppe ein eigenes Haus in Opernnähe eröffnete.
Alle Programme, die österreichische Archetypen wie den „Travnicek“ satirisch beleuchteten, brachten den Kabarettisten einen überwältigenden Erfolg und sind später teilweise als Bücher, auf Schallplatten und als Zeitungskolumnen erschienen.
Mann der vielen Gesichter
TV-Meilensteine wie die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (1961), Kabaretthits wie „Der g’schupfte Ferdl“ und der „Wilde mit seiner Maschin“ sowie Rollen in Blockbustern wie „Der Name der Rose“ (1986) zeigten die enorme Wandlungsfähigkeit des Schauspielers Qualtinger. Erfolge feierte er auch in „Die letzten Tage der Menschheit“, als Titus Feuerfuchs in Nestroys „Talisman“ am Wiener Volkstheater und in der Friedrich-Dürrenmatt-Bearbeitung von Shakespeares „König Johann“. Das Schauspielhaus in der Porzellangasse wurde zu Qualtingers künstlerischer Heimat. Hier überzeugte er 1980 bei den Wiener Festwochen mit der Regie der „Unüberwindlichen“ von Karl Kraus.
Schließlich war Qualtinger eben auch durch und durch Wiener. Geboren wurde er am 8. Oktober 1928 als Sohn eines Gymnasialprofessors in der Bundeshauptstadt. Er begann nach der Matura ein Medizinstudium, gab es aber bald wieder auf. Als Journalist und Lektor reiste er durch Europa, arbeitete zeitweise als Lokalreporter und Filmkritiker und begann, Kabaretttexte und Theaterstücke zu schreiben. Er spielte im Studio der Hochschulen in Wien, einer Studentenbühne, und zwar das Kabarettprogramm Die Grimasse.
Qualtinger narrte seine Umgebung gern
Dass Qualtinger im täglichen Umgang auch nicht der Leichteste war, ließ er Medien, Figuren der Öffentlichkeit und Freunde mit seinen „practical jokes“ spüren. So schlug er dem Unterrichtsminister Felix Hurdes vor, den Buchstaben „U“ aus dem Deutschen zu entfernen, da dieser „unsittlich, unseriös und unschön“ sei. Außenminister Leopold Figl lockte er mit russischem Akzent als sowjetischer Besatzungsoffizier in den Stadtpark, einige Kulturjournalisten kamen zum Westbahnhof, um dort den „Eskimodichter und Nobelpreisträger Kobuk“ zu interviewen - und fanden dort Qualtinger vor.
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