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Die Strategie der Verteidigung

Doktor Conrad Murray spielte eine Schlüsselrolle in den letzten Lebensstunden von Michael Jackson. Der Leibarzt betreute den „King of Pop“ in der Nacht zum 25. Juni 2009 in dessen Villa in Los Angeles und versorgte den über Schlafprobleme klagenden Musiker mit Medikamenten. Jackson starb kurz darauf an einer Überdosis des starken Betäubungsmittels Propofol.

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Mehr als zwei Jahre später beginnt am Dienstag mit den Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung der letzte juristische Akt in dem Drama. Murray muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten, ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu vier Jahre Haft.

Der Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf das Privatleben eines Superstars, der sich von der Öffentlichkeit abzuschotten versuchte. In jenem Sommer 2009 stand der 50-jährige Jackson kurz vor der Rückkehr auf die Bühne, nachdem seine Karriere in den Jahren zuvor von finanziellen und juristischen Problemen und vor allem von künstlerischem Niedergang gekennzeichnet war. Von Vorwürfen der sexuellen Belästigung von Kindern war Jackson zwar freigesprochen worden, der Skandal ramponierte aber nachhaltig sein Image: Die groß angekündigte Konzertreihe „This is it“ in London sollte die schwarze Serie beenden und an die früheren Erfolge des Moonwalk-Erfinders anknüpfen.

Arzt von Konzertveranstalter angeheuert

Murray wurde vom Konzertveranstalter AEG Live angeheuert, um dem unter Schlafproblemen leidenden „King of Pop“ bei seiner ersten Tour seit 1997 zur Seite zu stehen. Der Mediziner hat zugegeben, Jackson in den Stunden vor dessen Ableben neben anderen Mitteln auch das sonst nur bei Operationen verwendete Propofol verabreicht zu haben. Allerdings besteht Murray darauf, dass das auf den ausdrücklichen Wunsch des Musikers geschehen sei und die Menge nicht zum Tod habe führen können. Seine Verteidigung argumentiert, dass sich Jackson womöglich selbst eine Extradosis gegeben habe, als Murray nicht im Raum war.

Der Prozess gegen den Mediziner sollte ursprünglich schon im Mai beginnen, Murrays Anwälte beantragten aber Aufschub, um sich besser vorbereiten zu können. Am vergangenen Freitag wurden die fünf Frauen und sieben Männer benannt, die über Jacksons Leibarzt richten müssen. Die zwölf Geschworenen hatten ein minutiöses Auswahlverfahren durchlaufen, das ihre Unvoreingenommenheit sicherstellen soll.

Erinnerung an O.-J.-Simpson-Prozess

Murrays Anwälte rechnen mit riesigem Interesse der Öffentlichkeit - ähnlich wie bei dem spektakulären Mordprozess gegen den früheren US-Footballstar O. J. Simpson Mitte der 90er Jahre. Ein faires Verfahren sei unter diesen Umständen kaum möglich, sagen sie. Die Anhörungen sind auf etwa fünf Wochen angesetzt und werden im Fernsehen und im Internet live übertragen. US-Medienberichten zufolge sollen dabei Autopsiefotos des toten Popstars gezeigt werden. Auch Jacksons 14-jähriger Sohn Prince und seine 13-jährige Tochter Paris sollen offenbar aussagen.

Die Anklage porträtiert den heute 58-jährigen Murray als überschuldeten Hochstapler, der seinen Job als Jacksons Privatarzt dazu genutzt habe, Frauen zu beeindrucken. Murray soll bei der Behandlung des Popstars nachlässig gewesen sein. So soll er rund um den Todeszeitpunkt mehr mit Telefonaten mit seinen Mätressen als mit dem Zustand seines Patienten beschäftigt gewesen sein.

Rückschläge für Verteidigung

Murrays Anwälte wollen dagegen zeigen, dass Jackson schon Monate vor seinem Tod körperlich und psychisch schwer angeschlagen war. Die Verteidigung musste aber einige Rückschläge hinnehmen: So lehnte das Gericht mehrere ehemalige Ärzte Jacksons als Zeugen ab, mit deren Aussagen Murrays Anwälte die Medikamentenabhängigkeit des Popstars nachweisen wollten. Außerdem sperrte sich Richter Michael Pastor gegen den Auftritt von Polizisten, die 2003 bei einer Razzia im Zusammenhang mit den Vorwürfen der Kindesbelästigung in Jacksons Anwesen Propofol gefunden hatten.

Murray schwieg bisher in der Öffentlichkeit zu den Vorwürfen. Nur im August 2009 meldete er sich in einem Internetvideo zu Wort. „Ich habe alles getan, was ich konnte“, sagte er damals. „Ich habe die Wahrheit gesagt. Und ich vertraue darauf, dass die Wahrheit am Ende siegt.“

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