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„Einige Herausforderungen“

Der Papst geht, die Probleme bleiben. So bilanzierte die dpa den Papst-Besuch in Deutschland. In vielen deutschen Medien wurde eine kritische Bilanz des viertägigen Besuchs von Benedikt XVI., bei dem der Papst von den Katholiken mehr „Rom-Treue“ forderte, gezogen.

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Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch formulierte die Bilanz diplomatisch: Der Papst habe wichtige Anstöße geliefert, die Katholiken aber „vor einige Herausforderungen“ gestellt. Über die Herausforderungen würden die Bischöfe, so Zollitsch in seiner Funktion als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, bei ihrer Vollversammlung von 4. bis 7. Oktober in Fulda reden.

Zum Abschluss seines Besuchs hatte der Pontifex in Freiburg eine radikale Neuausrichtung der katholischen Kirche gefordert. Er stellte die Zusammenarbeit mit dem Staat infrage. Die Kirche dürfe sich nicht der Gegenwart anpassen, sondern müsse mehr auf Distanz zur Gesellschaft gehen.

EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und Papst Benedikt XVI

APA/dpa/Norbert Neetz

Persönlich herzlich, in der Sache hart: Papst Benedikt und der Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider

Die Botschaft des Papstes

In anderen Reden und Predigten verlangte der 84-Jährige am Wochenende von den Gläubigen Treue zu Rom. An die Jugend appellierte der Papst, „glühende Heilige“ zu werden. Konkrete Lösungsvorschläge für die aktuellen Probleme lieferte er nicht. Vielmehr öffnete er mit seiner Anregung, dass die Kirche auf ihre staatliche Privilegien verzichten soll, ein weiteres Diskussionsfeld. Zudem war in seinen Reden eine gewisse Kritik an dem Dialogprozess zu hören, den Zollitsch nach den lauten Forderungen nach Reformen ins Leben gerufen hat und der bei der Vollversammlung vorangetrieben werden soll.

"Nicht auf die Christen zugegangen

Das Echo in deutschen Medien war entsprechend. „Benedikt XVI. hat die Christen in Deutschland besucht. Auf sie zugegangen ist er nicht“, kommentierte die „Main-Post“ aus Würzburg. „Der Heilige Vater hat die Erwartungen bei seinem Heimatbesuch nicht erfüllt“, schrieb die „Financial Times Deutschland“: „Es ging ihm unüberhörbar mehr darum, den Restbestand an Kirche zu festigen, als um Skeptiker zu werben. Statt wirklich den Dialog über innerkirchliche Reformen zu pflegen, war seine zentrale Botschaft: Steht treu an der Seite Roms.“

„Für diese vier Tage wurden etliche Bordsteine blank poliert, Altarbühnen errichtet und Pilgerwege geschottert. Neue Brücken zwischen unterschiedlich Glaubenden und Denkenden entstanden nicht“, schrieb die „Sächsische Zeitung“.

Papst Benedikt XVI bei der Abschlussmesse in Freiburg

APA/dpa/Bernd Weissbrod

Past verlangt „Treue zu Rom“

„Benedikt hat auch während seines Besuchs in seinem Heimatland an keiner Stelle die Bereitschaft erkennen lassen, bei der Durchsetzung einer möglichst einheitlichen, starken römisch-katholischen Identität in aller Welt die lokalen Kosten dieses Unterfangens zu berücksichtigen“, bilanziert Reinhard Bingener in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: In Rom lasse man sich offensichtlich nicht von der auch für viele nicht katholische Christen bedrückenden Realität beirren, dass die katholische Kirche nicht nur in Deutschland dramatisch an Ansehen verloren habe.

„Welt“: Reformer und Bewahrer sollen eigene Vorurteile überprüfen

In der „Welt“ sieht man den Papst-Besuch wiederum als Chance, habe doch die Kirche in den vier Tagen bewiesen, dass sie eben keine Minderheitenreligion sei: „Das größte Fragezeichen hinter Benedikts Grundthese aber haben jetzt die Gläubigen in Deutschland gesetzt. Gerade in Freiburg, wo sie die öffentlichen Plätze mit ihrer Freude über den ihnen zugewandten Papst erfüllten, haben sie eine vitale Volkskirchlichkeit demonstriert, die sich ihrer Überzeugungen nicht schämt, sondern den christlichen Glauben im bürgerlichen Leben ausdrücken will. Damit eröffnet sich eine Chance für den innerkatholischen Streit zwischen Reformern und Bewahrern.“

„Viele konservative Bischöfe verachten das Kirchenvolk als lau und liberalistisch“, so die „Welt“ weiter: „Umgekehrt hat sich in zahlreichen Gemeinden die Haltung verfestigt, die höheren Geweihten bis hinauf zum Papst seien so kalte Knochen, dass man ihnen keine wärmeren Gefühle entgegenbringen kann. Jetzt aber, nach diesem Besuch, haben beide Seiten allen Grund, ihre eigenen Vorurteile zu überprüfen.“

„Ermutigt, den Weg der Erneuerung zu gehen“

Zollitsch verwies nach der Abreise des Papstes auf eine bisher nicht veröffentlichte Tischrede Benedikts XVI., bei der er ihm den Rücken gestärkt habe. „Er hat uns ermutigt, den Weg der Erneuerung zu gehen.“ Der Papst habe die konkreten Probleme nicht angesprochen, weil es ihm um die grundsätzliche Frage des Glaubens gehe. „Wenn wir diese zentrale Frage nach unserem Glauben klären, wird es uns helfen, die Einzelfragen zu lösen.“

Auch die Feststellung des Papstes, dass sich die Kirche ihren eigentlichen Aufgaben besser zuwenden könnte, wenn sie sich von ihren staatlichen Privilegien trenne, wertete Zollitsch nur als Signal zum Innehalten. Dem Papst gehe es nicht um die Abschaffung der Kirchensteuer oder des Religionsunterrichts. Er habe vielmehr sagen wollen, dass sich die Kirche nicht zu sehr um ihre finanzielle Absicherung kümmern solle, sondern mehr um ihren inneren Geist.

„Reise gut überstanden“

Es war der dritte Besuch des deutschen Papstes in seiner Heimat und der erste Staatsbesuch in Deutschland. Am Sonntagabend flog er nach Rom zurück. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi zog eine positive Bilanz der Reise: „Dem Papst geht es außerordentlich gut. Wir sind etwas erstaunt, wie gut er diese Reise überstanden hat.“

Es war ein Besuch mit großem Programm und noch größeren Erwartungen. Als spektakulär und historisch wurden des Papstes Auftritte im Bundestag in Berlin und beim Ökumenegipfel in Erfurt gewertet. Allerdings hatten sich viele deutlichere Signale für eine Annäherung zwischen katholischer und evangelischer Kirche gewünscht.

Küng: „Wo dieser Papst ist, ist Vergangenheit“

Der Tübinger Theologe Hans Küng ist von der Bilanz bitter enttäuscht. In einem Gastbeitrag für die in Chemnitz erscheinende „Freie Presse“ schrieb Küng, das Motto des Besuches habe zwar geheißen: „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. Doch richtig sei: „Wo dieser Papst ist, da ist Vergangenheit.“

Benedikt XVI. habe ein offenes Ohr und ein „hörendes Herz“ versprochen. Tatsächlich habe das Oberhaupt der katholischen Kirche aber mit versteinertem Herz auf die Reformanliegen der meisten deutschen Christen reagiert. Deutschland habe vier Tage Personenkult erlebt, die Bischöfe hätten als Statisten fungiert. Das stoße ungezählte Menschen inner- und außerhalb der Kirche vor den Kopf.

Als besonders enttäuschend bewertete Küng das Treffen mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Augustinerkloster zu Erfurt. Joseph Ratzinger wirke seit nunmehr dreißig Jahren als Haupthindernis für die ökumenische Verständigung mit der evangelischen Kirche, sagte Küng. Der Papst erkenne diese Kirche nicht einmal an. „Hinter dem Lächeln des alten Mannes zeigt sich das Gesicht des starren Dogmatikers, des römischen Traditionalisten und des kalten Machtpolitikers.“

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