Zusammenstöße mit der Polizei
Nach einer Revolte und einem Brand im Flüchtlingslager auf der italienischen Insel Lampedusa ist es am Mittwoch erneut zu chaotischen Szenen gekommen. Hunderte tunesische Migranten protestierten unweit des Hafens gegen ihre Abschiebung und lieferten sich Zusammenstöße mit der Polizei.
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Laut italienischen Medienberichten entwendete eine Gruppe von Flüchtlingen aus einem Restaurant einige Gasflaschen und drohte, sich damit in die Luft zu sprengen. Nachdem daraufhin die Polizei eingriff, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen mehrere Personen verletzt wurden. Zu den Zusammenstößen kam es unweit des abgebrannten Auffanglagers, in dem sich immer noch rund hundert Migranten aufhielten. Unter den Verletzten befand sich auch ein französisch-kanadischer Menschenrechtsaktivist.
Einwohner attackieren Flüchtlinge
Einige aufgebrachte Einwohner der Insel bewarfen die Tunesier mit Steinen. Auch ein TV-Team der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt RAI wurde von Bewohnern der Insel angegriffen. „Wir sind wie im Krieg, der Staat hat uns ganz alleingelassen und die Bürger wollen sich selbst verteidigen“, warnte Lampedusas Bürgermeister Dino De Rubeis, der sich in seinem Büro verschanzte, während vor dem Rathaus Dutzende Einwohner der Insel gegen die Präsenz von etwa tausend Tunesiern demonstrierten.
Sturm auf Büro des Bürgermeisters
Mehrere der italienischen Demonstranten versuchten, in das Büro des Bürgermeisters einzudringen, um gegen die - aus ihrer Sicht zu lasche - Reaktion auf den Flüchtlingsaufstand zu protestieren. Die Schulen auf der zwischen Sizilien und Tunesien gelegenen Insel blieben laut italienischen Medienberichten am Mittwoch wegen Sicherheitsbedenken geschlossen. Der Bürgermeister appellierte an die italienische Regierung, sofort alle Flüchtlinge von der Insel wegzubringen. Migranten, die auf der Insel landen, sollten auf Schiffen untergebracht werden, verlangte De Rubeis mit dem Argument, unter ihnen würden sich mehrere Kriminelle befinden.
Verdacht auf Brandstiftung im Lager
Die Gewalt war eskaliert, nachdem im Auffanglager Lampedusa, in dem bis am Dienstag 1.300 Personen untergebracht waren, ein Brand ausgebrochen war. Die Flammen im einzigen Auffanglager der Insel entwickelten sich in der Küche und im Lager, in dem die Lebensmittel aufbewahrt waren. Rettungsmannschaften brauchten mehrere Stunden, um die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Rund 800 Tunesier nutzten die chaotischen Zustände aus, um vom Auffanglager zu flüchten. Etwa 400 von ihnen wurden unweit des Hafens festgenommen. Ein Großteil des Auffanglagers wurde von den Flammen zerstört.
Die italienischen Justizbehörden leiteten eine Untersuchung ein. Es bestünden keine Zweifel, dass der Brand gelegt wurde, hieß es. Die Aktion wurde als Protest gegen die Pläne der Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die tunesischen Flüchtlinge in ihre Heimat abzuschieben, interpretiert.
UNHCR sieht Warnungen bestätigt
Rund 200 tunesische Migranten, die im abgebrannten Auffanglager untergebracht waren, wurden mit Flugzeugen der italienischen Luftwaffe nach Sizilien geflogen. Weitere 1.000 Tunesier verbrachten die Nacht im Freien im kommunalen Stadion Lampedusas. Weitere 100 Flüchtlinge, darunter 20 Frauen, übernachteten in einem Teil des fast vollständig zerstörten Auffanglagers.
Der Brand sei „die Folge der durch das lange Festhalten der Migranten ausgelösten wachsenden Spannungen“ zwischen den Flüchtlingen, sagte eine Sprecherin der italienischen Vertretung des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Laura Boldrini. Das UNHCR habe die italienischen Behörden mehrmals auf das Problem der Überbelegung des Lagers auf Lampedusa angesprochen und verlangt, dass die Insassen in Unterkünfte im Rest des Landes verlegt würden.
Flüchtlingsstrom reißt nicht ab
Inzwischen reißt die Flüchtlingswelle in Richtung Süditalien nicht ab. 149 Migranten, darunter 40 Kinder, erreichten in der Nacht auf Mittwoch die Küsten Kalabriens an Bord eines alten Bootes. Drei Migranten wurden zu Kontrollen ins Spital eingeliefert. Sie berichteten, sie seien von den türkischen Küsten abgefahren. Die meisten darunter waren Kurden türkischer Staatsangehörigkeit.
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