Vom Wirtschaftsmotor zur Krisenregion
Steinkohle, das „Grubengold“ aus dem Ruhrpott, hat einst ganz Deutschland mit Energie versorgt. Mit dem Beginn der Kohlekrise im Jahr 1957 wurde der Niedergang der Industrieregion eingeläutet. Hunderttausende Bergleute wurden arbeitslos. Noch heute kämpft die Region mit dem Strukturwandel der deutschen Wirtschaft.
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Die Kohlebergwerke in Nordrhein-Westfalen waren in den Nachkriegsjahren die Symbole für das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Mehr als 600.000 Kumpel arbeiteten auf dem Höhepunkt des Wirtschaftsbooms in den Zechen. Im Jahr 1950 betrug die Kohleförderung 125 Millionen Tonnen pro Jahr, doppelt so viel, wie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch schon Ende der 1950er Jahre begann der Niedergang des Bergbaus.
Expansion und Preisverfall
Die Nachfrage nach Steinkohle nahm nach dem Wirtschaftsaufschwung kontinuierlich ab. Auch die Öffnung der Märkte und die Abschaffung der Einfuhrzölle auf Erdöl führten zu einem Preisverfall bei Kohle. Erdöl wurde primärer Energielieferant in der Schifffahrt und in vielen weiteren Industriezweigen. Dem gegenüber stand eine deutsche Kohleindustrie, die im Aufschwung stark expandiert hatte. Aus Angst das Wirtschaftswunder durch einen Kohleengpass abzuwürgen, hatte die BRD die Expansion des Kohleabbaus stark subventioniert. Das führte zu einer Übersättigung des Marktes.
Der Begriff Ruhrpott
Umgangssprachlich wird das Ruhrgebiet als Revier, Ruhrpott, Kohlenpott und einfach nur Pott bezeichnet. Abgeleitet werden die Namen vom Wort Pütt, das in der westfälischen Bergmannssprache so viel wie Bergwerk, Schacht und Grube heißt.
Am 30. September 1958 begann das Zechensterben mit der Stilllegung des Bergwerks Lieselotte in Bochum. Die Stadt, die über viele Jahrzehnte eng mit dem Bergbau verbunden war, musste infolge zusehen, wie ein Betrieb nach dem anderen geschlossen wurde. Ein schwerer Schlag, da Bochum noch in der Zwischenkriegszeit mit über 70 Schachtanlagen die zechenreichste Stadt Europas war. Innerhalb eines Jahrzehnts wurden im Ruhrpott 78 weitere Bergwerke dichtgemacht, 320.000 Kumpel verloren ihren Arbeitsplatz.
Strukturwandel bis heute spürbar
Noch heute sind die Folgen des Strukturwandels in der Region spürbar. Laut der Bundesagentur für Arbeit lag die Arbeitslosenquote 2010 im Ruhrpott mit 10,8 Prozent weit über dem deutschen Durchschnitt mit 7,6 Prozent. In den ehemaligen Industriehochburgen Gelsenkirchen (14,6 Prozent), Duisburg (13,1 Prozent) und Dortmund (13 Prozent) war die Arbeitslosigkeit sogar noch höher. Verschärft wurde die Arbeitssituation durch das Abwandern der Schwerindustrie. Nach der Schließung der Kohlegruben begann das Sterben der Hochöfen von Hoesch, Krupp und Thyssen.
Ballungszentrum in Deutschland
Das Ruhrgebiet ist mit über fünf Millionen Einwohnern der größte Ballungsraum Deutschlands. Die dichtbesiedelte Industrieregion wird von mehreren Großstädten gebildet, die über die Jahre zusammengewachsen sind. Die fünf größten Städte sind Düsseldorf, Dortmund, Essen, Duisburg und Bochum.
Durch die Ansiedlung von Forschungsinstituten und Technologieparks wurde in den vergangenen Jahren versucht, neue Impulse für die Wirtschaft zu setzten - mit gemischtem Erfolg. Die Strukturschwäche zeigt sich auch heute noch in der Abwanderung von gut ausgebildeten Facharbeitern und jungen Akademikern. Selbst die Bezeichnung Ruhrgebiet wurde aus Marketinggründen aus dem offiziellen Sprachgebrauch verbannt. Die gewählten Stadtväter in der Region sprechen heute lieber von der Metropole Ruhr. Das soll moderner klingen und weniger nach kohlegeschwärzter Vergangenheit.
Neues Image
Auch kulturell wird versucht, den Ruhrpott aufzupolieren. 2010 wurde das Ruhrgebiet unter dem Titel Ruhr.2010 zur Kulturhauptstadt Europas. Mit der Ruhrtriennale – einem Theater- und Opernfestival – und der Nacht der Industriekultur haben sich zwei Kulturveranstaltungen international etablieren können. Dazu gibt es über 200 Museen und eine Fülle von Musik- und Sprechtheatern. Seine Vergangenheit kann das „Revier“ aber auch dort nicht abschütteln: Die ausrangierten Fabrikhallen, Zechen und Hochöfen dienen oft als Bühne und Kulisse.
Die Hoffnung, dass sich die Imagekorrektur bald in besseren Wirtschaftszahlen niederschlägt, hat sich bis jetzt kaum erfüllt. Im Gegenteil: 30 der 53 Kommunen in der Ruhrregion kämpfen gegen eine Überschuldung und befinden sich im Nothaushalt. Das heißt, dass die Ausgaben einer Kommune erst von einer Aufsichtsbehörde genehmigt werden müssen. Auch der endgültige Ausstieg aus der Kohleförderung im Ruhrpott wird keine Erleichterung bringen. Noch sind fünf Zechen mit knapp 30.000 Beschäftigten in Betrieb. Bis Ende 2012 sollen zwei Bergwerke schließen, bis 2018 die letzten drei.
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