Bestürzung und Ärger in Österreich
Österreichs Banken droht neues Ungemach aus Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orban hat am Montag einen partiellen Schuldenerlass für ungarische Kreditnehmer unterstützt. Viele von ihnen nahmen Wohnbaukredite in Schweizer Franken auf - und können diese nach dem Franken-Höhenflug nicht mehr begleichen. Ihre Verluste sollen nun teilweise die Banken tragen.
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Nach den Plänen der Regierungspartei FIDESZ-MPSZ und den mitregierenden Christdemokraten (KDNP) sollen Devisen-Kreditinhaber die Möglichkeit erhalten, ihre ausstehende Kreditsumme noch in diesem Sommer auf einmal zurückzuzahlen. Das solle zum bereits festgelegten Kurs von 180 Forint zum Schweizer Franken und 250 Forint zum Euro erfolgen, sagte Orban in einer Rede vor dem Parlament. Die Kosten für die Tilgung sollen die Banken tragen, so der ungarische Premier.
800.000 Ungarn tief verschuldet
Orban betonte, dass Kreditnehmer, die ihre Franken-Darlehen unter dem festgelegten Wechselkurs aufgenommen hatten, benachteiligt würden. Die meisten derzeit bestehenden Kredite seien bei einem Wechselkurs von 150 bis 165 Forint je Franken aufgenommen worden. Die Regierung hält es Orban zufolge aber für rechtskonform, dass das Parlament in die Hypothekar-Verträge eingreift.
Betroffen sind laut einer Schätzung des ORF-Mittagsjournals rund 800.000 Ungarn, die wegen des starken Schweizer Franken in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Insgesamt sollen rund 1,3 Millionen Ungarn Fremdwährungskredite aufgenommen haben - mehr dazu in oe1.ORF.at.
OeNB bestürzt
Das Vorpreschen Budapests wird in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ziemlich kritisch gesehen: Dort ist man „bestürzt“, dass „ein EU-Mitglied Fakten schafft, die mit den EU-Binnenmarktregeln kaum vereinbar“ seien. Die daraus entstehende Rechtsunsicherheit würde Investoren abschrecken, was Ungarn in weiterer Folge selbst wirtschaftlich schaden könnte.
Spindelegger will vor EuGH ziehen
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) zeigte sich von Ungarns Ansinnen erbost und drohte mit dem Gang zum EuGH. Nach dem EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel erklärte Spindelegger, er habe „in schroffer Form“ gegenüber seinem ungarischen Amtskollege Janos Martonyi die Haltung Österreichs dargelegt. Ein Gesetz, das Kreditnehmern eine begünstigte Rückzahlung von Fremdwährungsdarlehen geben würde, würde bedeuten, dass Österreichs Banken „in ihrer Existenz bedroht“ seien.
Fekter schreibt Protestbrief
Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) protestierte am Montag in einem Brief an den ungarischen Wirtschaftsminister gegen die geplante „Zwangskonvertierung“. Die Maßnahme werde zu „riesigen und sofort entstehenden Verlusten“ im gesamten ungarischen Bankensystem führen und gefährde „die Finanzmarktstabilität in Ost- und Zentraleuropa und Europa als Ganzes“, schrieb Fekter an ihren Kollegen György Matolcsy.
„Wir weisen die geplanten Maßnahmen entschieden zurück, weil sie einen Bruch von Rechtssicherheit darstellen, wie er bisher noch in keinem EU-Mitgliedsland vorgekommen ist.“ Die Maßnahme sei „keine in einer Marktwirtschaft akzeptable Praxis“ und verstoße gegen „alle Erwartungen, die ein Investor in einer funktionierenden Marktwirtschaft und Demokratie haben kann“.
Milliardenkredite in Gefahr
Für die heimischen Banken geht es auf jeden Fall um größere Summen. Die Erste Bank hat in Ungarn Schweizer Franken-Kredite in der Höhe von umgerechnet drei Milliarden Euro vergeben. Bei der Raiffeisen Bank International sind es Franken-Kredite im Wert von 3,4 Milliarden Euro in vier Ländern, nämlich Ungarn, Kroatien und Polen. Wie hoch das Volumen in Ungarn allein ist, wollte man bei Raiffeisen nicht beziffern.
Die direkten Auswirkungen auf die Banken sind noch unklar. Nach Berechnungen des ungarischen Wirtschaftsmagazins „Portfolio“ müssen die Banken bei ihren Fremdwährungskreditgeschäften aber mit Verlusten von rund 20 Prozent rechnen
Ungarn verliert an Attraktivität
Österreichs Banken wollten sich am Montag nicht zu den Vorschlägen äußern. Für sie sind die Pläne aber nach der Einführung der ungarischen Bankensteuer ein neuerlicher Rückschlag auf dem ohnehin schwierigen ungarischen Markt, wo viele Institute wegen der schlechten Wirtschaftsentwicklung mit steigenden Rückstellungen für faule Kredite kämpfen.
Analysten halten daher auch eine Abwanderung ausländischer Banken für möglich. Zwar seien die konkreten Auswirkungen auf die Institute noch nicht absehbar, sagte Nomura-Analyst Peter Attard Montalto. „Aber das Ergebnis für die Banken wird sicher schlechter. Ich glaube, es gibt jetzt die reale Gefahr einer Flucht ausländischer Banken.“
Kursrutsche von heimischen Banken
Einige der Institute tragen sich tatsächlich mit solchen Gedanken: Bei einer der betroffenen Banken hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, Ungarn würde durch die Pläne für ausländische Investoren komplett unattraktiv. An der Börse in Wien zählten die Bankaktien am Montag mit Abschlägen von zeitweise rund acht Prozent zu den größten Verlierern.
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