„Industrie-, nicht Atomunfall“
Im südfranzösischen Atomkraftwerk Marcoule hat sich am Montag eine Explosion ereignet. Laut der Tageszeitung „Le Figaro“ kam bei dem Unfall ein Mensch ums Leben, vier weitere wurden verletzt, aber nicht radioaktiv verstrahlt, bestätigte das französische Innenministerium. Radioaktives Material entwich offenbar nicht aus der Anlage nahe Avignon.
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Eine Sprecherin der Atomanlage in Marcoule schilderte am Montag, es handle sich um einen Verbrennungsofen für schwach radioaktive Abfälle. „Der interne Notfallplan ist in Kraft getreten, alles ist unter Kontrolle“, sagte eine Sprecherin des Kommissariats für Atomenergie (CEA). Ein Feuer, das durch die Explosion ausgelöst wurde, brachte die Feuerwehr schnell unter Kontrolle. Ursache und Sicherheitsstufe des Unfalls waren zunächst nicht bekannt.
Keine Strahlung entwichen
Nach vorerst widersprüchlichen Meldungen scheint nun klar zu sein, dass keine radioaktiven Stoffe freigesetzt wurden. Das bestätigte neben der Atomenergiekommission ASN auch der Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), Sven Dokter und das Innenministerium. Die Sprecherin der Atomanlage in Marcoule hatte zuvor gesagt, ob Radioaktivität in die Umwelt gelangt sei, wisse man nicht.

Google Earth/ORF.at (Montage)
Die Anlage ist rund 30 Kilometer von Avignon entfernt
„Es handelt sich um einen Industrieunfall, nicht um einen Atomunfall“, sagte auch ein Sprecher des staatlichen Stromkonzerns EDF, dessen Tochterunternehmen Socodei die Anlage betreibt. Die Behörden richteten sofort nach dem Unglück eine Sicherheitszone ein. Die Anlage in Codolet, die zum Atomkomplex Marcoule gehört, wurde laut Innenministerium nicht evakuiert. Weder in der Anlage noch außerhalb sei Radioaktivität gemessen worden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet wollte sich noch am Nachmittag vor Ort über die Auswirkungen der Explosion informieren, deren Ursache zunächst unklar war.
Offenbar keine größeren Schäden
Ein Ofen, wo schwach und mittelstark radioaktives Material verbrannt wird und radioaktive Stoffe durch Filter zurückgehalten werden, war zuvor explodiert. Dokter betonte unter Verweis auf Informationen des Institut de Radioprotection et de Surete Nucleaire (IRSN), dass auch nicht mehr damit gerechnet werde, dass noch Radioaktivität austreten könnte. „Das Gebäude, in dem sich dieser Ofen befindet, ist intakt.“ Zu den schwach radioaktiven Abfällen zählen unter anderem Kleidung von Arbeitern sowie Metalle und Beton. Sie wurde nach Angaben des Innenministeriums nicht evakuiert.
In einem anderen Teil der Anlage Marcoule wird das hoch gefährliche Uran-Plutonium-Gemisch MOX produziert, das aus abgebrannten Uran-Brennstäben hergestellt wird. Erst im vergangenen Jahr hatte die Atomaufsicht dort zu „Wachsamkeit und Fortschritten“ in Fragen der Sicherheit gemahnt. Im Frühjahr 2009 hatte sich in der MOX-Produktionsstätte ein Unfall der Stufe zwei auf einer siebenstufigen Skala ereignet. Marcoule im Rhonetal ist der weltweit größte Herstellungsort der MOX-Brennstäbe. Das Kraftwerk liegt bei den Gemeinden Chusclan und Codolet etwa 30 Kilometer nördlich von Avignon in der französischen Region Languedoc-Roussillon im Departement Gard an der Rhone.
Mehrere stillgelegte Reaktoren
Die Anlage besteht aus mehreren stillgelegten kleineren Reaktoren. Auf dem Gelände im Rhonetal ging bereits 1956 der Reaktorblock G-1 in Betrieb und lieferte als eines der weltweit ersten AKWs kommerziell genutzten Atomstrom. Die vom CEA betriebenen Meiler G-2 und G-3 mit einer Bruttoleistung von jeweils 43 Megawatt folgten 1959 und 1960. Sie wurden 1980 beziehungsweise 1984 wieder vom Netz genommen.
Auf dem Gelände Marcoule nahm 1973 auch der Forschungsreaktor Phenix den Betrieb auf. Der lediglich zu Testzwecken genutzte Prototyp des pannenanfälligen „Schnellen Brüters“ Superphenix, der 1998 endgültig abgeschaltet wurde, wurde nach mehreren kleineren Zwischenfällen 2010 auf Dauer vom Netz genommen.
Frankreich ist mit 58 Reaktoren der größte Atomstromproduzent Europas. Auch nach dem Unglück von Fukushima hält die Regierung an der Atomkraft fest. Sie begründet das mit der ihren Angaben zufolge hohen Sicherheit französischer Atomkraftwerke.
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