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Warten auf Entscheidungsschlacht

Rückkehr im Triumph: Erstmals seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes ist der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, in Tripolis eingetroffen. Hunderte Anhänger, Rebellenmilitärs und Honoratioren der Hauptstadt bereiteten ihm am Samstagabend einen begeisterten Empfang.

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Das berichteten Augenzeugen. Vor den letzten verbliebenen Hochburgen der Gaddafi-Loyalisten warteten die Milizionäre des Übergangsrats am Wochenende noch auf den Befehl zu einer Großoffensive.

Bisher hatte sich Dschalil, der führende Politiker des Übergangsrats, in der ostlibyschen Großstadt Bengasi aufgehalten. Dort war im Februar der Volksaufstand ausgebrochen, der Ende August zur Vertreibung des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi aus Tripolis geführt hatte. Dschalil war bis dahin Justizminister Gaddafis gewesen und hatte sich den Aufständischen in Bengasi angeschlossen. Für ein Kabinettsmitglied des alten Regimes galt er als relativ aufgeschlossen in Menschenrechtsfragen. Dschalil verfügte aber nur über wenig Einfluss.

Übergangsregierung in zehn Tagen geplant

Die neue Führung will in spätestens zehn Tagen eine Übergangsregierung bilden. Der Regierungschef des Nationalen Übergangsrates, Mahmud Dschibril, sagte am Sonntag in Tripolis, die neue Regierung werde binnen einer Woche oder zehn Tagen gebildet und sich aus Vertretern der Regionen des Landes zusammensetzen. Sie soll seinen Angaben zufolge die Entscheidungen des Übergangsrates umsetzen. Nach einer vollständigen Befreiung Libyens werde dann eine andere Regierung gebildet.

Weiter Gefahr von Gaddafi-Söldnern?

Laut Medienberichten vom Sonntag warnte Dschalil im Kreise der Rebellenführung vor zu großem Optimismus. Gaddafi habe immer noch Geld, um Söldner anzuwerben. Der Aufenthaltsort des früheren Despoten ist weiterhin unbekannt, wird aber in Libyen vermutet. Die schon länger erwartete Ankunft Dschalils sollte auch dazu beitragen, die Kluft zwischen der politischen Führung des Aufstands und den Rebellenmilitärs in der Hauptstadt zu schließen. Am Empfang für Dschalil auf dem Militärflughafen Mitiga nahm auch der Militärkommandeur von Tripolis, Abdelhakim Abulhadsch, teil.

Einige westliche Beobachter misstrauen ihm wegen seiner Vergangenheit als Mitglied einer militanten Islamistengruppe. Abulhadsch war 2004 von der CIA gefoltert und zwangsweise nach Libyen gebracht worden. Nach dem Umsturz hatte er erklärt, zu den demokratischen Werten zu stehen, zu denen sich der Übergangsrat bekennt.

Heftige Gefechte vor Bani Walid

Kämpfer der Rebellenmilizen warteten am Wochenende weiter auf den Befehl zu einer Großoffensive gegen die von Gaddafi-Anhängern besetzte Wüstenstadt Bani Walid. Die Verbände der Aufständischen würden sich nun in der Umgebung der Stadt neu gruppieren, berichteten Reporter des Fernsehsenders CNN aus dem Frontgebiet.

Am Vortag hatten Rebellenstoßtrupps Gaddafis Getreuen am Stadtrand heftige Gefechte geliefert. Die Kämpfer des ehemaligen Diktators leisteten mehr Widerstand als erwartet. Bani Walid, 150 Kilometer südöstlich von Tripolis, ist eine von vier Enklaven, die noch von Gaddafi-Streitkräften gehalten werden.

Sirte von Rebellen eingeschlossen

Rebellen begannen unterdessen die Gaddafi-Hochburg Sebha, 600 Kilometer südlich von Tripolis, zu umzingeln, berichtete CNN. Außerdem schnitten sie den Weg in Gaddafis Geburtsstadt Sirte an der Mittelmeerküste von Süden her ab, so dass auch diese Hochburg des alten Regimes nun eingeschlossen ist. Der Übergangsrat hatte den Gaddafi-Anhängern ein Ultimatum gesetzt, um die Waffen niederzulegen. Es war in der Nacht auf Samstag abgelaufen.

Ölproduktion wieder angelaufen

Nach Angaben der Übergangsregierung wurde in Libyen am Samstag wieder mit der Ölproduktion begonnen. Libyen hat die größten Ölreserven Afrikas. Vor Beginn der Unruhen gegen Gaddafi verkaufte das Land 85 Prozent seiner Exporte nach Europa. Im Zuge des sechsmonatigen Bürgerkriegs war die Förderung praktisch zum Erliegen gekommen. Mittlerweile stehen europäische Ölgesellschaften wie die italienische ENI und die österreichische OMV in den Startlöchern, um ihre Produktion wieder hochzufahren.

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