Themenüberblick

Schüssel zog positive Bilanz

Er sei „absolut reinen Gewissens und reinen Herzens“, hat der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) bei der Pressekonferenz zu seinem Abgang erklärt. Mit der Bilanz seiner Regierungszeit könne er „sehr gut leben“. Als Schuldeingeständnis will er seinen Rücktritt denn auch nicht verstanden wissen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Es sei „sachlich ungerecht“, die ÖVP als Ganzes mit den Vorwürfen in Zusammenhang zu bringen, findet Schüssel. Er verstehe seinen Rücktritt nicht als Schuldeingeständnis, und das habe er ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und in einem Telefonat auch Parteichef Michael Spindelegger so gesagt, meinte Schüssel.

„Keine persönlichen Verfehlungen“

Er wolle dazu beitragen, dass eine objektive, unabhängige Aufklärung durch die Justiz erfolge. Auf Nachfrage, warum er jetzt zurücktrete, verwies Schüssel lediglich auf seine zuvor abgegebene Erklärung. Über seine Regierungszeit zog Schüssel freilich eine äußerst positive Bilanz und zählte den zahlreichen anwesenden Medienvertretern u. a. Privatisierungen, Unireform, Polizeireform, Pensionsreform und Steuerreform auf.

Von persönlichen Verfehlungen wollte Schüssel nichts wissen. Angesprochen auf die Ex-Minister Hubert Gorbach (BZÖ) und Mathias Reichhold (FPÖ) und die Telekom-Affäre, erklärte Schüssel, er lasse sich nicht dafür verantwortlich machen, was ein Minister nach seiner Amtszeit tue. Was er überschauen konnte und wofür er die Verantwortung habe, habe er ein gutes Gewissen.

Hochegger nie getroffen

Den Lobbyisten Peter Hochegger habe er nie getroffen, er kenne ihn nicht. Im Zusammenhang mit der BUWOG-Causa betonte Schüssel, dass der Bestbieter zum Zug gekommen sei. Aufklärung sei wichtig, aber vom Standpunkt der Regierung aus, soweit er es beurteilen könne, sei es eigentlich eine „saubere Geschichte“ gewesen.

Auf die Frage, ob es im Nachhinein falsch war, Karlheinz Grasser und Ernst Strasser (ÖVP) in die Regierung zu holen, meinte Schüssel: Grasser habe als Finanzminister gute Arbeit geleistet, was nach seinem Ausscheiden geschehen ist, müsse dieser argumentieren und rechtfertigen. Er habe „wenig“ Kontakt zu ihm. Er könne nicht ausschließen, dass jemand sein Vertrauen missbraucht habe, aber er wolle keine Vorverurteilungen machen, denn die Justiz sei am Zug.

„Kleine Spende, keine Korruption“

Ob der Ex-Kanzler glaube, eine gute Menschenkenntnis zu haben? „In der Regel ja, ich glaube schon.“ Strasser sei ein engagierter Minister „mit Ecken und Kanten“ gewesen. Aber: „Die Dinge, die nachher geschehen sind, haben mir überhaupt nicht gefallen, und die sind auch nicht in Ordnung, keine Frage.“ Auch seinen „Freund“ Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer - der sich dafür eingesetzt habe, dass ein Fußballverein eine „kleine Spende“ seitens der Telekom bekomme - verteidigte Schüssel: Der Begriff Korruption sei hier nicht angemessen, „das ist absurd“.

„Kein enges Verhältnis“ zu Mensdorff-Pouilly

Angesprochen auf die Causa Eurofighter erklärte Schüssel, es habe drei Rechnungshof-Berichte und zwei Untersuchungsausschüsse gegeben, da sei „nichts“ hängengeblieben. Er sei lediglich für Beschaffung zuständig gewesen, er habe nie mit EADS zusammengearbeitet. Etwaige Zahlungen der EADS an die ÖVP seien ihm nicht bekannt und er hätte das auch abgelehnt.

Zum Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly ließ sich Schüssel kein enges Verhältnis nachsagen: Es habe sich um den Ehemann einer Generalsekretärin und Ministerin von ihm gehandelt, und in dieser Funktion habe er ihn einige Male getroffen, sie hätten aber nie über Politik gesprochen, betonte er nach dem Verhältnis zu dem Lobbyisten gefragt.

Was etwaigen gesetzlichen Handlungsbedarf betrifft, meinte Schüssel, das Parlament müsse allfällige gesetzliche Konsequenzen überlegen. Die diskutierten Anfütterungsparagrafen hätten aber nicht zugetroffen. Im Zusammenhang mit dem Thema Freunderlwirtschaft sieht Schüssel die Gefahr, dass durch „überzogene Darstellung“ die positiven Seiten des politischen Handelns ins Rutschen gerieten.

„Großer Respekt“ aus der ÖVP

Die Parteien sahen den Rückzug naturgemäß unterschiedlich: ÖVP-Obmann Michael Spindelegger zollte Schüssel Respekt für die Entscheidung. Er sieht einen „konsequenten Schritt“ des früheren ÖVP-Obmanns. Die Volkspartei und Österreich seien ihm zu großem Dank verpflichtet, hätten doch viele jener Reformen, die Schüssel - teils gegen heftige Widerstände - durchgesetzt habe, Österreich nachhaltig modernisiert und wettbewerbsfähiger gemacht.

„Großen Respekt“ zollt auch ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. Denn Schüssel sei einer „Schmutzkübelkampagne“ ausgesetzt gewesen. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl sagte, der Schritt sei zu respektieren und verwies auf die Verdienste Schüssels für den Wirtschaftsstandort Österreich: „Schüssel hatte den Mut und Ehrgeiz, notwendige Reformen anzupacken und umzusetzen.“

FPÖ sieht indirektes Schuldeingeständnis

Die SPÖ rechnet damit, Schüssel als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss wiederzusehen. „Eine endgültige Beurteilung der persönlichen Integrität Schüssels wird maßgeblich von den Erkenntnissen der Untersuchung der politischen Verantwortung für die Skandale von Eurofighter über BUWOG bis Telekom abhängen“, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter.

Als „indirektes Schuldeingeständnis“ wertete FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky die Rücktrittsankündigung Schüssels. Vilimsky erinnerte daran, dass die „Knittelfelder Funktionärsversammlung“ 2002 ein Aufstand „gegen die Verschüsselung der damaligen FPÖ-Spitze“ gewesen sei.

Für Grüne „längst überfälliger“ Schritt

Aus Sicht der Grünen ist Schüssels Rücktrittsankündigung ein „längst überfälliger, aber nur erster Schritt“. Bundessprecherin Eva Glawischnig sagte: „Die politische Verantwortung unter Schwarz-Blau kann er nicht ablegen. Vorwürfe insbesondere gegen Karl-Heinz Grasser gab es ja schon sehr früh, und hier hat er über Jahre hinweg weggeschaut.“ Die Grünen pochen auch weiterhin auf eine Sondersitzung des Nationalrats unter dem Titel „schwarz-blauer Korruptionssumpf“. Das BZÖ will den Antrag unterstützen, die FPÖ stößt sich am Namen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Für BZÖ-Obmann Josef Bucher ist Schüssels Rückzug zu respektieren, hinterlässt aber einen schalen Beigeschmack. „Was steckt dahinter, dass der letzte ÖVP-Kanzler so blitzartig seine politische Karriere beendet?“, fragte sich der BZÖ-Chef.

Links: