Eine Billion Dollar wartet „offshore“
Viele der größten US-Unternehmen haben ihr Vermögen steuerschonend im Ausland geparkt. In Zeiten steigender Arbeitslosenzahlen und leerer Staatskassen versucht nun die US-Regierung das Kapital ins Land zurückzuholen. Doch die Konzerne fordern dafür eine deutliche Steuererleichterung, wie sie es 2005 schon einmal gab.
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Die Zahlen sind beeindruckend: Allein die IT-Riesen Apple, Google und Microsoft haben zusammen ein Vermögen von 58 Milliarden Dollar (40 Mrd. Euro) außerhalb den USA angelegt, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Und sie wären durchaus bereit, ihr Kapital wieder über die Landesgrenzen zu transferieren - jedoch nur, wenn die Einkommensteuer in diesem Fall von 35 Prozent auf 5,25 Prozent reduziert wird.
Finanzschub für marode US-Wirtschaft
Die Unternehmen und ihre Lobbyisten reiben sich bei der Aussicht auf kurzfristige „Steuerferien“ bereits die Hände, vergessen dabei aber nicht, auch mit Vorteilen für die US-Wirtschaft für den „Tax Holiday“ zu werben. So könnte von multinationalen Unternehmen insgesamt eine Billion Dollar zurück in die USA fließen und der Staatskasse damit einen kräftigen Finanzschub verschaffen. „Jede investierte Milliarde schafft direkt oder indirekt 15.000 bis 20.000 Jobs“, sagte etwa der Chef von Duke Energy, Jim Rogers. Der US-Energiekonzern hat 1,3 Mrd. Dollar im Ausland.
Shareholder als Profiteure
Doch ob die US-Arbeitnehmer tatsächlich von den zurückgeholten Milliarden profitieren, bleibt fraglich. Denn bereits 2005 hatte der US-Kongress unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush eine ähnliche Steueramnestie erlassen. Damals nutzten rund 800 Unternehmen die Möglichkeit und transferierten über 300 Mrd. Dollar in die USA, wie die „NYT“ berichtete. Dafür zahlten sie nur magere 16 Mrd. Dollar an Steuern.
Doch statt Arbeitsplätze zu schaffen und Investitionen zu tätigen, flossen 92 Prozent der Gelder in die Taschen der Anteilseigner und in den Rückkauf von Aktienpaketen, wie das National Bureau of Economic Research (NBER) mit Studien belegte. Die größten Profiteure waren die 15 größten US-Unternehmen, die daraufhin sogar Arbeitsplätze abbauten und Produktionsstätten ins Ausland verlagerten.
Anhand des Beispiels des US-Pharmariesen Merck zeigt die „NYT“, wie das System missbraucht wurde. Das Unternehmen brachte im Oktober 2005 15,9 Mrd. Dollar zurück ins Land (und lag damit hinter Pfizer mit 37 Mrd. Dollar auf Platz zwei). Doch von den versprochenen Investitionen in neue Forschungseinrichtungen und höheren Gehältern war wenig zu bemerken. Im Gegenteil: Nur einen Monat später wurden 7.000 Jobs gestrichen.
Arbeitsplätze abgebaut statt ausgebaut
Denn das Geld wurde an anderen Stellen viel dringender benötigt. Merck standen zu jenme Zeitpunkt hohe Schadenersatzklagen wegen Nebenwirkungen seines Schmerzmittels Vioxx ins Haus, zudem kosteten Managementfehler das Unternehmen mehrere Milliarden Dollar. Kein Wunder also, dass das Ringen im Kongress um den Steuererlass mit großem Interesse verfolgt wurde und der Jubel nach der Umsetzung besonders groß war.
Doch trotz der hohen Kosten für mehrere Gerichtsverfahren und hoher Steuernachzahlungen sprudelten die Dividenden der Aktionäre munter weiter. Die US-Mitarbeiter profitierten von dem Geldsegen hingegen kaum. Die Hälfte der weltweiten Einsparungen betrafen in den darauffolgenden drei Jahren Standorte in den USA. Doch Merck war nicht der einzige Konzern, der das billig transferierte Geld nicht unbedingt in den US-Arbeitsmarkt fließen lassen wollten. Hewlett-Packard zum Beispiel holte 14,5 Mrd. Dollar zurück in die Heimat - und baute kurz darauf 14.000 Jobs in den USA ab.
Werben um neue „Steuerferien“
Kein Wunder also, dass sich die Lobbyisten im Vorfeld einer neuerlichen Steueramnestie besonders ins Zeug legen. Die dafür eigens ins Leben gerufene „WIN America“-Kampagne, die von Dutzenden gobalen Unternehmen unterstützt wird, wird nicht müde, die Vorteile hervorzuheben, die „Steuerferien“ diesmal bringen würden. Bis zu 450.000 neue Jobs wären möglich, gerade weil diesmal viel mehr Geld im Ausland wartet.
Dot.com-Unternehmen wie Cisco Systems und Adobe haben große Teile ihres Vermögens im Ausland. Insgesamt würden 1,5 Billionen Dollar darauf warten, zurück ins Land geholt zu werden. Dem Staat würde das kurzfristig 50 Mrd. Dollar an Steuergeldern bringen. Doch ausgerechnet der Autor der Studie, die von den Befürwortern als Grundlage für ihre Versprechungen zitiert wird, warnt vor allzu großen Erwartungen. Allen Sinai bezweifelt, dass viel von dem Geld in Arbeitsplätze fließen würde.
Steuererleichterung nur gegen Vorgaben
An Geld würde es den Unternehmen nicht mangeln. Schon jetzt würden viele Unternehmen über große Kapitalreserven verfügen, die sie schon jetzt zum Ausbau von Arbeitsplätzen einsetzen könnten. Für ihn würde eine Steuererleichterung nur gemeinsam mit strengen Vorgaben Sinn ergeben, so Sinai. Dementsprechend zurückhaltend äußerste sich auch Präsident Barack Obama zu den Plänen einer Steueramnestie. Dennoch dürfte der Kongress wohl für eine Steuersenkung stimmen. Die dadurch zu lukrierenden Milliarden sind einfach zu verlockend.
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