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Terror und Kampf gegen den Terror

Es war nicht der erste große Anschlag von Al-Kaida, aber mit Sicherheit der spektakulärste und blutigste: Die Anschläge vom 11. September 2001 führten zu einem weltweiten Konflikt zwischen Sicherheitsbehörden und militanten Extremisten, der die folgenden Jahre prägen sollte. Die „9/11-Kriege“ nennt der britische Journalist Jason Burke diese Auseinandersetzungen.

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Bereits einen Monat nach den Terroranschlägen in den USA begann mit breiter internationaler Unterstützung der Militärangriff auf Afghanistan, das als Basis für das Terrornetz Al-Kaida ausgemacht worden war. Im März 2003 marschierten die USA dann ohne UNO-Mandat wegen der angeblichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen in den Irak ein.

Viele Opfer, kaum Gewinner?

Neben diesen beiden Kriegsschauplätzen setzte die Al-Kaida ihre Anschläge fort: in Europa, in Asien, in Nordafrika und im Nahen Osten - und freilich in den Kriegsregionen Irak, Afghanistan und Pakistan. Der Terror und der Kampf gegen den Terror wurden zu einer globalen Auseinandersetzung.

Feuerball beim Südturm des World Trade Centers

AP/Chao Soi Cheong

Die Anschläge von 9/11 als Auslöser für einen globalen Konflikt

Unter welchem Namen diese in die Geschichtsbücher eingehen werden, fragt sich Burke und schlägt in seinem Anfang September erschienenen Buch „The 9/11 Wars“ („9/11-Kriege“) eben diese Bezeichnung vor. Die Frage nach einem Gewinner dieser Kriege sei schwer zu beantworten, so Burke in einem Abstract seines Buches im britischen „Guardian“. Die Opfer seien hingegen leicht auszumachen: Er kommt selbst nach konservativen Schätzungen auf 250.000 Tote. Rechne man ebenfalls sehr vorsichtig drei Verletzte pro Getöteten, ergebe das eine Opferzahl von einer Millionen Menschen als Nachwirkungen der verheerenden Anschläge in den USA.

8.000 tote westliche Soldaten

Am genauesten sind noch die Zahlen der gefallenen Soldaten nachvollziehbar: Im Irak verloren bei den Operationen „Iraqi Freedom“ und „New Dawn“ nach Angaben des Pentagons bis Ende August 2011 4.476 US-Soldaten das Leben, rund 32.000 wurden verwundet. Mehr als 300 Soldaten anderer Nationen der US-geführten Koalition starben - die Hälfte davon waren Briten. Rund 1.500 Mitarbeiter von privaten Unternehmen, davon viele Söldner von Sicherheitsfirmen, kamen ums Leben, heißt es auf der unabhängigen Plattform iCasualties.org. In Afghanistan wurden seit Kriegsbeginn 2001 2.700 Soldaten getötet, davon rund 1.700 US-Amerikaner und 380 Briten.

60.000 Gegner getötet?

Im Irak wurden zwischen 2003 und 2010 rund 3.000 einheimische Soldaten und 12.000 Polizisten getötet. Andere Quellen sprechen insgesamt von rund 12.000 toten Einsatzkräften. Häufig waren Polizeischüler und Anmeldestellen für den Polizeidienst das Ziel von Selbstmordattentätern. Zudem wurden 8.000 Soldaten der Armee Saddam Husseins von US-Streitkräften getötet.

In Afghanistan verloren rund 3.000 Polizisten und 2.800 Soldaten das Leben, in Pakistan liegen die Schätzungen zwischen 2.000 und 4.000 Polizisten und bei 3.000 Mitgliedern des Militärs. Rechnet man die anderen Schauplätze von islamistischen Anschlägen vom Libanon über Saudi-Arabien bis zu Indonesien zusammen, schätzt Burke die Zahl der getöteten regionalen Einsatzkräfte auf 40.000 bis 50.000.

Wie viele feindliche Gegner getötet wurden, ist kaum festzustellen. Zwar heißt es von den westlichen Truppen, es gebe keine offizielle Zählung, die meisten Einheiten würden aber sehr wohl Aufzeichnungen darüber führen, wie viele Verluste man dem Gegner zugefügt habe, sagt Burke. Für den Irak und Pakistan schätzt er diese Zahl auf jeweils rund 20.000. In Afghanistan könnten es auch mehr sein. Das ergibt insgesamt eine Opferzahl von rund 60.000.

Zivilisten als Terrorziele

Am schwersten abzuschätzen ist die Zahl der getöteten Zivilisten. Sie machen den Hauptteil der Opfer der „9/11-Kriege“ aus. Einerseits gelten sie als „Kollateralschäden“, wie es in der Sprache des Militärs nüchtern heißt, andererseits waren die Zivilisten auch ganz bewusst Ziel von Attacken - etwa bei den Anschlägen am 11. September.

Zivilisten in Afghanistan

Reuters/Goran Tomasevic

Allzu oft geriet die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten

Die fast 3.000 Toten von 9/11 eingerechnet werden die westlichen Opfer von Al-Kaida-Attentaten auf 5.000 geschätzt. Rechnet man alle Anschläge militanter Islamisten - vor allem auch in Afghanistan, Pakistan und dem Irak - zusammen, kommt man wohl auf mindestens 10.000 Tote. Andere Schätzungen reichen bis zu 20.000.

Schätzungen weit auseinander

Wie viele Zivilisten im Irak seit dem Einmarsch der US-Truppen 2003 ihr Leben verloren haben, ist kaum abzuschätzen. Konservative Schätzungen sprechen von 65.000 bis 150.000 Toten. Von WikiLeaks veröffentlichte US-Militärdokumente sprechen von 66.000 toten Zivilisten bis 2009. Das irakische Gesundheitsministerium hat Aufzeichnungen über 87.000 Opfer von gewaltsamen Auseinandersetzungen, begann die Zählung aber erst 2005.

Die Nachrichtenagentur AP ergänzte diese Zahlen um die Jahre 2003 bis 2005 und kam auf rund 110.000 Opfer. Eine durchaus umstrittene Studie des wissenschaftlichen Fachmagazins „Lancet“ kam auf der Basis von Umfragedaten bis Ende 2006 schon auf 655.000 Tote. Dabei wurden aber auch jene Menschen eingerechnet, die nicht direkt Kampfhandlungen zum Opfer fielen, sondern etwa durch die schlechte Gesundheitsversorgung oder die schlechte Infrastruktur starben.

In Afghanistan wurden zwischen 11.000 und 14.000 Zivilisten getötet, drei- bis viermal so viele wurden verletzt. Viele der Opfer starben durch westliche Streitkräfte, allein in den ersten beiden Jahren der US-Offensive wurden bis zu 3.600 Menschen bei Luftangriffen getötet. In Pakistan sprechen entsprechende Quellen von 9.000 bis 10.000 Toten.

US-Staatsverschuldung als Vermächtnis

Neben all den Opfern sind auch die finanziellen Kosten der „9/11-Kriege“ nur schwer abzuschätzen: Allein für die USA kam der Haushaltsausschuss des Kongresses in Schätzungen auf Kosten für die Kriege im Irak und in Afghanistan bis 2017 von 1,2 Billionen bis 1,7 Billionen Dollar (780 Milliarden bis 1,1 Billionen Euro). Der Irak schlägt dabei mit rund drei Vierteln zu Buche.

Buchcover "The 9/11-Wars"

Verlag Allen Lane

Buchhinweis

Simon Burke: The 9/11 Wars. Penguin, 752 Seiten, 20,99 Euro.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ging 2008 in einem Buch sogar von einem Gesamtaufwand von drei Billionen Dollar aus, wenn man auch Ausgaben für die Botschaft, den Wiederaufbau und andere kriegsbedingte Angelegenheiten berücksichtigt. Die Berechnungen seien dabei noch zurückhaltend, da viele „versteckte Kosten“ gar nicht berücksichtigt seien. Auch der Schuldendienst wurde nicht einberechnet.

Der enorme Anstieg der Militärausgaben für die Kriege befeuerte auch die Staatsverschuldung der USA, die von 2001 bis Ende 2011 um 45 Prozentpunkte auf 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit auf insgesamt über 14 Billionen Dollar (rund zehn Billionen Euro) steigen wird.

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