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Fragen bleiben nach Rückzug offen

Angesichts der andauernden Kämpfe in Libyen hat die US-Regierung versichert, dass alle derzeit in dem Land vorhandenen Massenvernichtungswaffen „gesichert“ seien. Das betrifft nach Angaben eines Pentagon-Sprechers vom Mittwoch insbesondere Senfgasvorräte der Regierung von Machthaber Muammar al-Gaddafi in einer Größenordnung von mehr als zehn Tonnen. Dennoch bleiben Fragen offen.

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Sorgen bereite dem US-Verteidigungsministerium etwa ein Standort mit Hunderten Raketenwerfern, sagte der Sprecher. Die USA würden alle Waffen auch weiter überwachen, könnten aber keine Bodentruppen zu ihrer Sicherung einsetzen.

Bereits am Dienstag hatte das Pentagon versichert, Gaddafis Giftgasvorräte weiterhin genau zu beobachten. Demnach werden Chemiewaffenstandorte mit Satelliten überwacht, unter anderem auch die Senfgasvorräte in Rabta etwa 100 Kilometer südlich von Tripolis sowie in al-Dschufra südlich von Sirte. Libyen war im Jahr 2004 der UNO-Organisation für das Verbot von Chemiewaffen beigetreten, besitzt aber noch immer 11,25 Tonnen Senfgas. Der Organisation zufolge wurde die Munition zur Verbreitung des Gases aber bereits zerstört.

Senfgas

Der harmlos klingende Name „Senfgas“ kommt vom typischen Geruch der Chemikalie Bis(2-chlorethyl)sulfid, die nach Senf oder Knoblauch riecht. Senfgas ist ein chemischer Kampfstoff aus der Gruppe der Loste, der erstmals im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Senfgas verursacht schwere Hautschäden.

Rebellen waren alarmiert

Die libyschen Rebellen befürchteten bis zuletzt, dass Regimetruppen die C-Waffen verwenden könnten. Bei einem Treffen mit Vertretern der Europäischen Union und der NATO in Brüssel hatte Rebellengeneral Abdulfatah Junis, der Ende Juli getötet worden war, die Befürchtung geäußert, dass Gaddafi sogar noch über 25 Prozent seiner Chemiewaffen verfügen könnte. Er forderte damals vom Westen Helikopter, Panzerabwehrraketen und Schnellboote mit Torpedos, um die Zivilbevölkerung und die Rebellentruppen schützen zu können.

Was passiert mit Waffen nach Gaddafis Ende?

Auch nach einem möglichen endgültigen Sieg über Gaddafi ist nicht klar, wer sich Zugang zu den Depots mit Chemiewaffen verschaffen könnte. 2004 gab es in Libyen laut dem Büro für das Chemiewaffenverbot (OPCW) in Den Haag noch mehrere hunderttausend Tonnen Senfgas und Sarin, um Chemiewaffen zu produzieren. Unter OPCW-Aufsicht wurden damals zwar mehrere tausend Bomben, die mit Chemikalien gefüllt werden sollten, vernichtet, seriöse Angaben darüber, wie viel tatsächlich noch übrig geblieben ist, gab es aber auch damals nicht. Auch was mit den herkömmlichen Waffen der Gaddafi-Getreuen passieren wird, gibt im Westen Anlass zur Sorge.

Massenvernichtungswaffen trotz Verbots

Die Befürchtung, dass Libyen noch C-Waffen haben könnte, hat geschichtliche Wurzeln: Ende 2003 hatte das damals noch als „Schurkenstaat“ isolierte Libyen zwar erklärt, auf atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) zu verzichten, ausländische Inspekteure fanden danach dennoch tonnenweise Chemiewaffen sowie Material zur Herstellung von biologischen Waffen. Trotz des Verbots chemischer Kampfstoffe wurden C-Waffen immer wieder eingesetzt: so beispielsweise vom Irak im ersten Golf-Krieg sowie gegen die kurdische Bevölkerung.

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