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„No Sex, no Drugs, no Rock ’n’ Roll“

Am 18. November 1928 stand für Walt Disney, damals 26 und Besitzer einer kränkelnden Trickfilmfirma, viel auf dem Spiel. An jenem Tag wurde im New Yorker Colony Theater der Kurzfilm „Steamboat Willie“ mit Disneys neuer Comicfigur Micky Maus uraufgeführt. Micky tritt darin als Matrose eines Mississippi-Dampfers auf, der das Mäusemädchen Minni an Bord hievt und mannhaft vor Kater Karlo schützt.

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Jahrzehnte später ist Micky Maus eine Popikone - und hat wie kaum etwas anderes das USA-Bild im Rest der Welt geprägt. „Wie Coca-Cola symbolisiert Micky Maus Amerika“, erklärte der Journalist und Comic-Experte Andreas Platthaus. Allerdings zeichne Disney ein Idealbild: „Es ist ein harmonisches Amerika, ländlich geprägt und ohne Rassenkonflikte.“ Disneys USA seien eine „sehr saubere Welt. Was Disney nicht vertragen konnte, war die Vorstellung, dass seine Figuren mit Sexualität in Verbindung gebracht werden.“ Daher hätten Micky Maus und Donald Duck keine Kinder, sondern Neffen.

Hitler als Comic-Fan

Disneys heile Comic-Welt begeisterte in den 30er Jahren sogar Adolf Hitler. „Ich schenke dem Führer 12 Micky-Maus-Filme zu Weihnachten! Er freut sich sehr darüber. Ist ganz glücklich über diesen Schatz“, schrieb NS-Propagandaminister Joseph Goebbels im Dezember 1937 in sein Tagebuch. Im Dritten Reich arbeitete man mit allen Kräften daran, den deutschen Zeichentrickfilm auf Disney-Niveau zu heben. Mit dem 1943 fertiggestellten Kurzfilm „Armer Hansi“ wollte man dem ehrgeizigen Ziel näher kommen. Der erste abendfüllende Spielfilm hätte nach Goebbels’ und Hitlers Plänen 1947 erscheinen sollen.

Kein „Sprachrohr von Frustrationen“

„No Sex, no Drugs, no Rock ’n’ Roll“: Das ist das Erfolgsrezept, das die Figur offenbar so zeitlos attraktiv macht. Micky ist harmlos und versetzt niemanden in Schrecken. „Wir haben ihn nicht zum Sprachrohr von Frustrationen oder scharfer Satire gemacht“, sagte Disney selbst über seine Maus. „Micky war einfach eine kleine Persönlichkeit, die für Gelächter sorgen sollte.“

Das war allerdings nicht immer so: In „Steamboat Willie“ kann man Micky bei frechen, ungehobelten Eskapaden erleben. Auf Druck von amerikanischen Mütterverbänden schwächte Disney Mickys dunkle Seite aber immer mehr ab. 1932 führte er als Gegenpol den Enterich Donald Duck ein, der innerhalb der Disney-Politik weitaus mehr Spielraum hatte.

Seither wurde Micky immer braver. Zwei Berner Strafrechtsprofessoren haben sich die Gesetzeslage in Entenhausen genauer angeschaut und dabei herausgefunden, dass die Maus in den 50ern noch mehrere Straftaten jährlich beging, 1995 hingegen keine einzige mehr. Heute trete er „dem Unrecht geradezu zwanghaft entgegen“.

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