„Schluchz!“, „Jubel!“, „Freu!“
60 Jahre „Micky Maus“-Heft: Seit seinen Anfängen hat sich die mittlerweile wöchentlich erscheinende Zeitschrift ein riesiges Publikum erarbeitet. Den Erfolg verdankt das Heft jedoch nicht nur den handgezeichneten Disney-Figuren, sondern zu einem wesentlichen Teil auch einer deutschen Frau: Erika Fuchs, Herausgeberin von 1951 bis 1988 und gut 44 Jahre Übersetzerin der „Micky Maus“-Comics.
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Als die 1906 in Rostock geborene Kunsthistorikerin in den 1950er-Jahren zum ersten Mal ein Comic-Heft sah, war sie entsetzt. „Diese vielen Bilder und die Sprechblasen, das kam mir irgendwie so verworren vor“, erinnerte sie sich kurz vor ihrem Tod im Jahr 2005.
Die ablehnende Haltung war damals nicht ungewöhnlich: Comics kämpften mit dem Ruf, als „unnötiger Schund“ zu „asozialer Haltung“ und „Gefühlsverrohung“ zu führen und „dumpfe Triebe und Instinkte“ zu wecken, wie verschiedene Jugendschriftenausschüsse in Deutschland empört berichteten.

Disney/Micky Maus-Magazin/Egmont Ehapa Verlag
Micky und Minni begleiteten Generationen von Jugendlichen
„Das geht nicht in Deutschland“
Die Übersetzungen der ersten „Micky Maus“-Hefte machte sie daher eher widerwillig und aus Geldmangel. Als zweifache Mutter hielt man sie für geeignet, die amerikanischen Comics kindtauglich zu übertragen. „Ich sagte spontan, das geht nicht in Deutschland“, erinnerte sich Fuchs. Erst allmählich packte sie das Vergnügen an der sprachlichen Tüftelei mit den kurzen Blasentexten.
„An sich ist der amerikanische Text vollkommen unübersetzbar“, sagte sie. Wortwitz und Anspielungen des Originals mussten durch eigene Kreationen ersetzt werden. Sprachbegeistert und belesen in deutscher und englischer Literatur, war sie schließlich in ihrem Element. „Ich konnte aus dem Vollen schöpfen und jeden sprechen lassen, wie es mir Spaß macht.“
„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“
Berühmt machten sie schließlich nicht nur zahllose längst zum sprachlichen Allgemeingut gewordene Sprüche aus ihren vielen Disney-Übersetzungen wie „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör": Bei der lange verpönten „Peng, bumm“-Sprache der Comics zog Fuchs ebenfalls alle Register. Sie schuf neue Ausdrücke wie „grübel, grübel“ und „seufz“, griff aber auch auf Bewährtes zurück: „Klickeradoms!“ Diese Wortschöpfung von Wilhelm Busch gibt bei Donald Duck das sehr spezielle Geräusch wieder, das entsteht, wenn eine mit Glühbirnen und Flaschen gefüllte Blechwanne zu Boden geworfen wird.

Disney/Egmont Ehapa Verlag
„Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen."
Die Lautmalereien werden sogar noch ironisch kommentiert. Als Donald mit „Sass! Zack! Schnorch! Gazong!“ schnarcht, bemerkt einer seiner Neffen: „Reines Hochdeutsch ist das nicht.“ Ihr „Erikativ“ (wie der Inflektiv als Hommage an Fuchs oft genannt wird), der Verben auf ihren Wortstamm reduzierte, fand als „Grummel“, „Ächz“, „Würg“ und „Bibber“ Eingang in die Alltagssprache.
Schiller-Zitate in Entenhausen
Zitate deutscher Dichter und Denker, flotte Jugendsprache und geschwollene Redensarten, Wortspiele und rhetorische Stilmittel - all das floss in die Fuchs’schen Sprechblasentexte ein. „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr“, geloben Donalds Neffen Tick, Trick und Track frei nach Schiller. An anderer Stelle japsen sie: „Mir kreist der Hut! - Mein Gehirn käst! - Meins ist völlig verdunstet!“
Schnell eroberte das „Micky Maus“-Heft den deutschsprachigen Raum. Erschien es anfangs noch monatlich mit vereinzelten Sonderheften wurde 1956 auf ein 14-tägiges, ein Jahr später auf wöchentliches Erscheinen umgestellt. Zu den Comics gesellte sich ein redaktioneller Teil - und begehrte Extras von Urzeitkrebsen über Detektivausrüstung bis zum legendären Furzkissen machten auch standhafte Nichtleser zu Anhängern des Magazins.
Donald als Publikumsliebling
Trotz des Hefttitels ist Micky nicht die beliebteste Figur bei den Lesern: Viel größeren Anklang findet die gefiederte Sippe rund um den arbeitsscheuen Pechvogel Donald Duck. Auch Fuchs erklärt den Erpel zu ihrem Liebling: „Er ist ein negativer Held, der viel anfängt, dem aber nichts gelingt, weil er einfach zu phantasievoll ist und nach anfänglichem Erfolg scheitert.“
60 Jahre nach dem Erscheinen der ersten „Micky Maus"-Ausgabe gibt es auch in Österreich kaum jemanden, der nicht zumindest ein paar der Abenteuer aus Entenhausen kennt bzw. mit den Texten von Fuchs groß geworden ist. Die Übersetzerin selbst war bis ins Alter von 82 Jahren als Übersetzerin und Chefredakteurin tätig. Doch auch wenn sie angeblich bis zum Ende ihrer Karriere Comics nie freiwillig lesen wollte, waren die Zeichnungen von Carl Barks für sie Kunstwerke. Und auch an sich selbst, ihre Mitarbeiter und Nachfolger stellte sie hohe Anforderungen: „Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“
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