Hungerstreik seit über 35 Tagen
Seit zweieinhalb Monaten gehen Hunderttausende Studenten in Chile auf die Straßen, um gegen die Bildungspolitik im Land zu protestieren. Wie ernst sogar den Jüngsten das Recht auf eine fundierte, finanzierbare Ausbildung ist, zeigt die Tatsache, dass sich eine Handvoll Gymnasiasten seit mehr als vier Wochen im Hungerstreik befinden - eine Schülerin ist schon in kritischem Zustand.
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Weiterhin nichts anderes als Wasser will die 19-jährige Gloria Negrete zu sich nehmen - und das, obwohl sie schon zwölf Kilogramm an Gewicht verloren hat und an Asthma leidet. Die junge Frau ist schon so geschwächt, dass jetzt bleibende Schäden drohen. Auch das Nervensystem der 19-Jährigen ist nach 35 Tagen Hungerstreik bereits stark angegriffen. Sogar der stellvertretende Gesundheitsminister Luis Castillo warnt vor einem Nierenversagen bei der jungen Frau. Lebensgefahr besteht laut dem behandelnden Krankenhaus aber noch nicht.
48-stündiger Generalstreik steht bevor
Die Proteste gegen das Bildungssystem sind längst eine landesweite Bewegung gegen die Regierung und Präsident Sebastian Pineras geworden: Mehr staatliche Unterstützung für Schüler, Studenten und Lehrende sowie eine gebührenfreie Chance auf Ausbildung lauten die Forderungen der Protestbewegung, gegen die die nervösen Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Santiago, aber auch in anderen Städten Chiles mit Gewalt und Wasserwerfern vorgehen.

AP/Roberto Candia
Farbenfroher Protest gegen die Bildungspolitik
Mindestens 1.000 Demonstranten wurden bereits inhaftiert, Dutzende Menschen verletzt. Auch 100 Polizisten trugen laut Innenministerium bei den Ausschreitungen Verletzungen davon. Doch auch wenn die Sicherheitskräfte brutal vorgehen, rief die Gewerkschaft des Landes, CUT, für Mittwoch und Donnerstag zu einem landesweiten, 48-stündige Generalstreik auf.
Studium für viele kaum finanzierbar
Seit Jahren liegt das Schulsystem des südamerikanischen Staates am Boden, lediglich - für die meisten nicht finanzierbare - Privatschulen garantieren Kindern einigermaßen international vergleichbare Standards in Sachen Bildung. Eine solide Grundausbildung ist aber auch in Chile unverzichtbare Basis für ein Studium: Die strengen Aufnahmetests an den Universitäten des fast 17 Millionen Einwohner zählenden Landes schaffen nur jene, die eine fundierte Schulbildung genossen haben.
Bleibt für Tausende angehende Studenten, die keinen Platz an öffentlichen Unis ergattern konnten, nur Privatuniversitäten. Und diese verlangen wiederum von den Interessenten meist unfinanzierbare Studiengebühren - ein Teufelskreis. Die Kosten eines Universitätsstudiums übersteigen in Chile die finanziellen Möglichkeiten von mehr als der Hälfte der Bevölkerung.
Angebote der Regierung offenbar halbherzig
Die anhaltenden Massenproteste haben den Präsidenten vor einigen Tagen dazu gebracht, zum Dialog aufzurufen und eine Reihe von Reformprojekten im Parlament vorzulegen. Unter anderem sollen mehr Studentendarlehen vergeben und deren Rückzahlung vereinfacht werden, kündigte Bildungsminister Felipe Bulnes an. Der Zinssatz für die Bildungsdarlehen soll seinen Angaben zufolge von 5,3 auf zwei Prozent gesenkt werden - ein Tropfen auf den heißen Stein für die meisten, die an einer Uni studieren wollen.
Einen wirklichen Willen zu einer umfassenden, erschwinglichen Neuorganisation des Bildungssystems nehmen die Demonstranten dem konservativen Havard-Absolventen Pineras nicht ab. Man hofft, dass der Generalstreik die Regierung zu mehr Zugeständnissen bringen wird.
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