„Kampf gegen Hass gewonnen“
Vier Wochen nach den blutigen Anschlägen in Norwegen hat das Wochenende in dem Land im Zeichen der Erinnerung an die Bluttaten gestanden. Bei einer nationalen Trauerfeier in einem Konzertsaal in der Hauptstadt Oslo kamen am Sonntag rund 6.700 Menschen zusammen.
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„Gemeinsam haben wir gegen den Hass gewonnen“, sagte Regierungschef Jens Stoltenberg bei seiner Ansprache im Spektrum-Konzertsaal. „Gemeinsam haben wir uns für Offenheit, Toleranz und Gemeinschaftssinn entschieden.“ Unter den Gästen waren Überlebende der Anschläge, Angehörige von Opfern, Vertreter der Rettungskräfte, norwegische Minister sowie Staats- und Regierungschefs aus allen skandinavischen Ländern.
Bewegende Worte König Haralds
Auch Norwegens König Harald V. und Mitglieder der anderen skandinavischen Königshäuser nahmen an der Zeremonie teil und sprach sichtlich bewegt in der im Halbdunkel liegenden Halle zu den Menschen. „Als Vater, Großvater und Ehemann kann ich Ihren Schmerz nur erahnen. Als König dieses Landes fühle ich mit jedem von Ihnen“, sagte der Monarch.

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Stimmung duch spärliche Beleuchtung
„Ich glaube weiterhin daran, dass die Freiheit stärker ist als die Angst. Ich glaube weiterhin an eine offene norwegische Demokratie und Gesellschaft. Und ich glaube weiterhin an unsere Fähigkeit, in unserem eigenen Land frei und sicher zu leben“, sagte König Harald V.
Namen der Opfer verlesen
Der rechtsradikale Attentäter Anders Behring Breivik hat sein Ziel verfehlt, Norwegen steht weiterhin für eine offene und tolerante Gesellschaft. Dies machten alle noch einmal deutlich: Norwegens Gesellschaft werde wachsam bleiben, wenn es um Extremismus geht, und „Hass mit Argumenten bekämpfen“, sagte Stoltenberg. „Wir brauchen euch alle. Egal wo ihr wohnt, egal zu welchem Gott ihr betet. Jeder von uns kann Verantwortung übernehmen. Jeder von uns kann die Freiheit bewachen.“
Als die Namen der 77 Opfer verlesen wurden, brachen Menschen in Tränen aus, andere standen zum Zeichen des Respekts auf. Auf der Bühne brannten 77 Kerzen.
Überlebende am Wort
Durch die Veranstaltung führte die Künstlerin Haddy N’jie, deren Vater aus Gambia stammt und deren Mutter Norwegerin ist. Damit sollte der offene Charakter der norwegischen Gesellschaft symbolisiert werden - die der geständige Attentäter Breivik mit seinen Anschlägen bekämpfen wollte.
Zwischen Ansprachen und Musikstücken erzählten Überlebende von ihren Ängsten und dem Kampf, das Trauma zu überwinden: „Ich habe immer noch Angst ... und habe die Jalousien in meinem Büro geschlossen, damit ich die Zerstörung nicht sehe“, berichtete Eva Hilderum, eine Angestellte des Transportministeriums, von ihrem Leben nach der Bombe.

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Stoltenberg bei der Trauerfeier
Aufruf zu Toleranz
Musiker spielten Werke von Mozart bis zu norwegischem Rap. Selbst Norwegens Erfolgsband A-ha kehrte nach ihrer Auflösung im vergangenen Jahr für die Gedenkzeremonie noch einmal vereint auf die Bühne zurück. Mit ihrem Hit „Stay On These Roads“ aus dem Jahr 1988 zogen sie die Zuhörer in ihren Bann.
Gegen Ende der Feier riefen Vertreter der Weltreligionen und der der Humanistischen Gesellschaft zu Toleranz auf. Stoltenberg sagte: „Die Trauer der Familien können wir nur erahnen: den leeren Stuhl beim Sonntagsessen, ein Geburtstag ohne das Geburtstagskind, das erste Weihnachtsfest.“ Die Zeremonie sei ein wichtiger Schritt, um das Geschehene zu verarbeiten.
Zurück auf Utöya
Die Veranstaltung in Oslo bildete das Ende der dreitägigen Trauerfeierlichkeiten. Rund 750 Menschen - Überlebende des Massakers und ihre Verwandten und Freunde - hatten sich am Samstag auf die rund 40 Kilometer von Oslo entfernte Insel Utöya.
Wie auch am Tag davor, als rund 500 Angehörige und Freunde der Todesopfer sich auf der Insel erstmals persönlich ein Bild vom Ort des Blutbads gemacht hatten, standen zahlreiche Ärzte, Psychologen und christliche wie muslimische Geistliche bereit, um den Besuchern zur Seite zu stehen. Für die Presse war die Insel gesperrt. Stoltenberg besuchte die Insel ebenfalls und kündigte laut dem Rundfunksender NRK an, bei dem Jugendlager im kommenden Jahr eine Nacht auf der Insel verbringen zu wollen.
Das letzte der 77 Opfer war am Donnerstag beerdigt worden. Der geständige Attentäter muss weitere vier Wochen bis zum 19. September in Einzelhaft bleiben. Danach entscheidet das Gericht neu.
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