Outings und falsche Scheine
Korruption gilt in Indien als eines der größten Probleme. Praktisch bei jedem Amtsweg gibt es jemanden, der die Hand aufhält - und ohne Bestechung geht gar nichts. Doch die Not macht die Bevölkerung erfinderisch. Immer mehr Initiativen kämpfen gegen die Zustände an - und das mit originellen Mitteln.
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Auf Outings setzt die Webaktion Ipaidabribe.com. Auf der Site können Inder anonym angeben, wofür sie Bestechungsgelder bezahlt haben. Der „Marktpreis für Korruption“ soll aufgedeckt werden, heißt es dort.
10.000 Einträge seit dem Start
Gestartet wurde die Initiative von einer NGO in Bangalore, der Hauptstadt des Bundesstaates Karnataka, berichtet die BBC. „Bestechung wird bei Begegnungen mit Behörden üblicherweise erwartet“, so Swati Ramanathan von der NGO Janaagraha, „egal ob es darum geht, ein Haus einzutragen, den Führerschein, einen Wasseranschluss oder sogar einen Totenschein zu bekommen.“
Ziel der Initiative ist es, die Korruption aufzudecken und sichtbar zu machen, wie das ganze Land davon durchzogen ist. 10.000 Einträge gibt es bereits - und das in nicht einmal einem Jahr.
Protest-Note statt Schmiergeld
Auch die Initiative 5th Pillar hat eine Strategie entwickelt, wie jeder Bürger gegen die Schmiergeldpraxis ankämpfen kann: Sie druckt und verteilt Null-Rupien-Scheine. Statt richtigen Geldes erhalten korrupte Beamte nun immer öfter eine Protest-Note, die aussieht wie ein 50-Rupien-Schein - mit Ghandi-Porträt, aber einer Null statt einer 50.
Eine Million solcher Noten seien seit 2004 ausgegeben worden, sagt Vijay Anand, Präsident von 5th Pillar. Dabei stamme die Idee von dem in den USA arbeitenden Physikprofessor Satindar Bhagat. Bei Reisen in seine Heimat Indien habe er sich so über die Korruption geärgert, dass er die Null-Rupien-Scheine gedruckt und jedes Mal hergegeben habe, wenn er Schmiergeld zu zahlen hatte, so Anand.
Arme besonders betroffen
Diese Idee habe er aufgegriffen, die ersten 25.000 Stück hätten so einen Erfolg gehabt, dass die Initiative immer weiterging, schildert er gegenüber der Website von CommGAP, einem Weltbank-Programm zur Verbesserung der Verwaltung in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Korruption geht in Indien durch alle Bereiche: Will ein gut ausgebildeter Inder einen bestimmten Beruf, muss er bestechen. Besonders betrifft es aber die Ärmsten des Landes, die etwa bei drohenden Festnahmen entweder bezahlen können oder die volle Härte der Exekutive zu spüren bekommen. Und genau diese hätten sich bisher kaum getraut, gegen das Schmiergeldunwesen zu protestieren.
Gemeinsam stärker
Mit der Initiative wissen die Leute aber nun, dass sie nicht alleine dastehen: Auch wenn Korruption mittlerweile zum Alltag im System zähle, würden sie merken, dass sie nicht die Einzigen sind, die sich darüber ärgern. Mit der Initiative im Rücken hätten sie eher den Mut, gegen die Korruption anzukämpfen, so Anand. Schließlich hätten sie nichts zu verlieren.
Zudem stehe auf Korruption an sich eine Gefängnisstrafe. Doch korrupte Beamte seien Widerstand in den vergangenen Jahren nie gewöhnt gewesen. Und so entfalte schon das kleine Protestzeichen der Null-Rupien-Note häufig außerordentliche Wirkung.
Beamte konsterniert
So werden auf der Website der NGO auch erfolgreiche Beispiele gesammelt. Eine alte Frau, die eineinhalb Jahre auf einen Grundbucheintrag warten musste, weil sie das Schmiergeld nicht zahlen konnte, sei mit der Null-Rupien-Note etwa prompt bedient worden. Statt sie vor die Tür zu setzen, sei ihr sogar Tee angeboten worden, heißt es auf der Website.
Ein anderer Beamter habe es so mit der Angst zu tun bekommen, dass er sogar alle Schmiergelder, die er für die Installierung einer neuen Stromleitung eingesammelt hatte, retourniert habe. 5th Pillar will offenbar, dass das indische Beispiel auf der ganzen Welt Schule macht. Auf der Website bietet man für fast alle Länder der Welt entsprechend bearbeitete Banknoten der jeweiligen Währungen an.
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