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Spiele an der Optimierungsgrenze

Auf der Suche nach neuen Zielgruppen und Einnahmequellen wendet sich die Spieleindustrie den Gelegenheitsspielern vor den PC-Schirmen zu. Das seit einigen Jahren propagierte Konzept Free to Play wurde dabei um den Faktor Freunde und eine fast lückenlose Überwachung erweitert.

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Social Games sind ein großes Thema auf der diesjährigen Game Developer Conference (GDC) Europe, die derzeit in Köln stattfindet. Vor allem in Sozialen Netzwerken sollen die Freunde und weniger das Spiel selbst bisherige Nicht-Spieler zur Nutzung verführen. Ziel ist es, dass die neuen Nutzer für kostenpflichtige Inhalte des Spiels Geld ausgeben.

Dass das Konzept der Gratisspiele Erfolg hat, zeigen große Anbieter wie Zynga („Farmville“) aus den USA und das deutsche Unternehmen Wooga, laut eigenen Angaben mit 34 Millionen aktiven Nutzern Nummer zwei hinter Zynga. Selbst etablierte Firmen wie Ubisoft („Die Siedler Online“) und Microsoft („Age of Empires Online“) sind mittlerweile auf den Zug der kostenlosen Browsergames aufgesprungen. Auf der GDC, die im August in Köln stattfand, berichteten sie von ihren Erfolgen, aber auch den Stolpersteinen.

Der Kunde ist König

Basis für den Erfolg ist, wenig überraschend, eine große Nutzerbasis. Der Weg dorthin unterscheidet sich allerdings zum Teil deutlich von den bisherigen in der Gamesindustrie: Die Kunden stehen im Mittelpunkt. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der Spieler bisher gänzlich ignoriert wurde, schließlich soll er für die „großen Spiele“ (AAA-Titel) zwischen 50 und 70 Euro ausgeben. Doch in der weiten Onlinewelt, wo andere, kostenlose Angebote nur einen Klick entfernt sind, muss der Nutzer deutlich intensiver gepflegt werden, um ihn emotional und nachhaltig an das Spiel zu binden.

Kommunikation ohne Umwege

Social beziehungsweise sozial bedeutet nicht nur Kommunikation zwischen Freunden, sondern auch zwischen Spielern und Anbietern, wie etwa Benedikt Grindel und Christopher Schmitz von Ubisoft Blue Byte in ihrem Vortrag erzählten. Bluebyte habe für die Umsetzung von „Die Siedler Online“ viel in die Community-Betreuung investiert und das Entwicklerstudio grundlegend umbauen müssen. „Wir haben gelernt: Wir bieten kein Produkt mehr, sondern ein Service.“ Im besten Fall, und das ist das Ziel aller Anbieter, auf Jahre.

In Onlinegames können die Kunden den Entwicklern ohne Umwege sagen, was ihnen gefällt oder was nicht - und das auch völlig ohne Worte. Alle Anbieter führen ganz genaue Statistiken über das Nutzungsverhalten ihrer Spieler, wer wann wo auf welchen Link klickt, wer welche Gegenstände kauft und wann genau welche Spieler, oft auch mit Begründung, das Spiel wieder verlassen. Diese Metrics werden exakt ausgewertet, um jene wichtigen Stellschrauben zu finden, mit denen das Spiel genau optimiert werden kann - wie etwa „Monster World“ von Wooga.

Laufende Optimierung

„Monster World“ lief laut Wooga-Chef Jens Begemann zu Beginn unter Erwartung und wurde ein halbes Jahr lang optimiert, um schließlich erfolgreich zu werden. Neue Features kommen nur dann ins Spiel, wenn die entsprechenden Werte passen, beschrieb die Produktverantwortliche Stephanie Kaiser in einem Artikel für „Casual Connect“, und „nicht weil jemand sagt, sie sind cool“. Durch direktes Kundenfeedback kann es schnell passieren, dass Features wieder rausfallen, wie die Wahl aus drei Monsterfamilien - weil viele Nutzer, vor diese Entscheidung gestellt, laut Kaiser das Spiel wieder verließen. Derartige Eingriffe sind in der Konsolenwelt de facto undenkbar.

Der Heilige Gral LTV

Ziel all dieser Bemühungen ist es, den LTV oder Lifetime Value des Spielers zu erhöhen, also das, was der Spieler während der gesamten Nutzung eines Games an Geld darin ausgibt. Der LTV ist laut einem Vortragenden der Heilige Gral, um den sich alles dreht. Laut Wooga geben die Spieler vor allem für Spielbeschleuniger Geld aus, also Dinge, die sie schneller zum Erfolg führen, indem etwa Früchte schneller wachsen. Besonders ertragreich sind dabei Gegenstände, die nur einmal verwendet werden können - im Gegensatz etwa zu Dekorationsobjekten.

Zeit ist Geld

Das ist auch ein großer Kritikpunkt an dieser Art von Spielen: Dass man mit Geld statt spielerischem Einsatz zum Erfolg kommen kann. Die Anbieter sehen das naturgemäß lockerer: Für Begemann lösen Social Games das Problem, dass viele potenzielle Nutzer nicht genug Zeit für lange Spielsessions haben. „Die Industrie hat sich zu lange darauf konzentriert, Spiele für Spieler zu machen.“ Um eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen, müssten die Spiele leicht zugänglich sein und in kleinen Zeiteinheiten konsumierbar.

„Das Grundkonzept muss passen“

Begemann gibt im Gespräch mit ORF.at auch zu, dass man Spiele nicht endlos optimieren kann: „Das Grundkonzept muss schon passen.“ Den Vorwurf, dass die Optimierung wenig Raum für Kreativität lässt, will er nicht gelten lassen: „Wenn ein Feature kreativ ist und keinen Spaß macht, nützt es nichts.“ Am Ende würden nur die Features überleben, die wirklich angenommen werden. Davon würden alle Spieler profitieren, nicht nur die zwei Prozent, die laut Begemann in Social Games Geld ausgeben.

Auch Robert Unsworth von Digital Chocolate erklärte in seinem Vortrag über das Spiel „Zombie Lane“: „Egal, wie weit sie ihr Spiel optimieren, wenn es nicht grundlegend lustig ist, bringt es nichts.“ Denn dann würden die Nutzer es nicht spielen, nichts kaufen und die Anbieter auch nichts damit verdienen. In diesem elementaren Punkt unterscheiden sich die Onlinegames nicht von ihren großen Brüdern.

Nadja Igler, ORF.at

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