Folgenschwere Facebook-Bekanntschaft
Neun Monate vor der Landtagswahl im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein ist der Spitzenkandidat der CDU, Christian von Boetticher, zurückgetreten. Der in deutschen Medien als CDU-Shootingstar gehandelte 40-Jährige zog damit die Konsequenzen aus einer inzwischen beendeten Liebesbeziehung zu einer Jugendlichen.
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Seinen Rückzug erklärte Boetticher nach einer CDU-Vorstandssitzung Sonntagabend bei einer Pressekonferenz. Er legt auch sein Amt als Landesvorsitzender der Nord-CDU nieder und stürzt mit seinem Rücktritt die Partei in eine massive Führungskrise. Montagabend gab Boetticher zudem seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender im Landtag bekannt. Er habe sich zu dem Rücktritt entschieden, um „weiteren Schaden von meinem Umfeld, von meiner Fraktion und von meiner Person abzuwenden“, wie Boetticher betonte.

Reuters/Morris MacMatzen
Christian von Boetticher erklärte Sonntagabend seinen Rücktritt
Boetticher bestätigte Sonntagabend, dass er sich im Frühjahr 2010 in eine damals 16-Jährige verliebt habe und mit ihr mehrere Monate zusammen gewesen sei. „Es war schlichtweg Liebe“, sagte er. Die Beziehung sei zudem von seinem Umfeld akzeptiert und unterstützt worden. Obwohl rechtlich legal, habe die Beziehung aber bei vielen Menschen auf „verständliche moralische Vorbehalte“ getroffen. Das habe er falsch eingeschätzt.
Ursprünglich sollte Boetticher, der sich bei seiner Wahl zum CDU-Landeschef im Vorjahr eine Politik mit „klarem konservativen Werteprofil“ auf die Fahnen heftete, im November offiziell zum CDU-Spitzenkandidat gekürt werden.
Ministerpräsident wusste von Affäre
„Bild am Sonntag“ hatte zuletzt von der ehemaligen Beziehung des ledigen CDU-Hoffnungsträgers mit einer 16-jährigen Internetbekanntschaft berichtet. Er habe die Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen Anfang 2010 auf Facebook kennengelernt, ab März 2010 sei es zu mehreren Treffen gekommen.
Boetticher habe die Affäre im Mai 2010 beendet, als er als Nachfolger von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen ins Gespräch kam. Carstensen sagte der „Bild am Sonntag“, er sei Anfang Juli über die „Gerüchte aus dem Privatleben Christian von Boettichers informiert worden“. Er habe seinen Parteikollegen unverzüglich angerufen: „Ich habe auf die Brisanz dieser Gerüchte hingewiesen und ihm empfohlen, sehr offen und sehr offensiv mit diesen Gerüchten umzugehen.“
Als die Beziehung öffentlich bekanntwurde, waren innerhalb der CDU immer mehr Unmut und Unverständnis aufgekommen. Am Samstag und Sonntag wuchs der Druck auf Boetticher, seine Spitzenämter niederzulegen.
„Politisches Talent unstrittig“
Die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Angelika Volquartz erklärte, der geschäftsführende Landesvorstand nehme die Entscheidung „mit Respekt“ zur Kenntnis. Sie würdigte die politische Leistung Boettichers - für den geschäftsführenden CDU-Landesvorstand sei „sein politisches Talent unstrittig“.
Die für Boettichers Rücktritt verantwortliche Liebesbeziehung sei laut Volquartz zwar „unstrittig rechtlich zulässig gewesen“: Boetticher habe aber deutlich gemacht, „dass er die moralische Komponente falsch eingeschätzt hat“. Dafür habe er sich öffentlich entschuldigt und daraus die Konsequenzen gezogen.
Für die gemeinsam mit der FDP in Kiel regierende Nord-CDU ist die Entwicklung ein Dreivierteljahr vor der Wahl ein harter Schlag. Die CDU des norddeutschen Bundeslandes stehe wegen der „Lolita-Affäre“ laut „Spiegel“ unter Schock. Zudem seien die Chancen der Sozialdemokraten, in Schleswig-Holstein „schon bald Regierungsverantwortung übernehmen zu können“, nun deutlich gestiegen. Eine Umfrage im Mai sah die Partei noch knapp mit 33 zu 31 Prozent vor der SPD, die mit dem Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig als Spitzenkandidat die Wahl ansteuert. Albig setzt auf ein Bündnis mit den Grünen.
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