Wunder und Fluch von Copiapo
Am 5. August vor einem Jahr hat eine Rettungsstory ihren Lauf genommen, die zum weltweiten Medienspektakel wurde. In der Mine San Jose in Chiles unwirtlicher Atacama-Wüste wurden damals 33 Kumpel in fast 700 Metern Tiefe verschüttet. 69 Tage harrten sie unter der Erde aus, bis sie in einer dramatischen Rettungsaktion alle wieder ans Tageslicht geholt wurden.
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Die Bergarbeiter hatten gerade zu Mittag gegessen, als es in ihrem Schacht in mehr als 600 Metern Tiefe zu dröhnen begann, dann bebte die Erde. Ein Erdrutsch 200 Meter weiter oben versperrte den 33 alle Wege. „Wir dachten, dass wir da niemals wieder rauskommen“, erinnerte sich der jüngste der Gruppe, Jimmy Sanchez. Er war damals 19, sein ältester Kollege 63.

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Richard Villarroel: „Wir warteten darauf zu sterben“
Nach 16 Tagen kam ein Zettel aus der Tiefe
In ihrem Gefängnis war es feucht und über 30 Grad heiß. Zu trinken gab es Wasser, das durch das Gestein rieselte, und alle 48 Stunden ein halbes Glas Milch, dazu zwei Löffel Thunfisch. „Wir warteten darauf zu sterben“, schilderte Richard Villarroel seine damalige Verzweiflung. Er habe sich bereits ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie den ersten Toten unter ihnen verspeisten, erinnert sich Mario Sepulveda.
Am Ausgang der Mine versammelten sich die Angehörigen der Verschütteten und bauten ihr „Camp der Hoffnung“. Eine Woche nach der Katastrophe sagte Bergbauminister Laurence Golborne, dass es „nur noch eine geringe Wahrscheinlichkeit gibt, Überlebende zu finden“. 16 Tage vergingen ohne ein Lebenszeichen.
Dann aber geschah das Unglaubliche: Aus den Tiefen der Mine beförderte eine Sonde einen Zettel zu Tage mit der Botschaft: „Uns geht es gut in unserem Rückzugsort. Die 33.“ Eine Kamera zeigte Bilder der winkenden Kumpels. Einen Tag später erreichten erstmals Lebensmittel die Verschütteten. Ingenieure, das Militär und die NASA arbeiteten einen Plan zu ihrer Rettung aus.
Mit der Rettungskapsel ins Rampenlicht
Am 13. Oktober gelang die Aktion: Durch einen 66 Zentimeter schmalen und 622 Meter tiefen Schacht brachte eine Rettungskapsel die Bergleute aus ihrem Verlies an die Oberfläche. Das monatelange Bangen und die spektakuläre Rettung machte aus den einfachen Bergarbeitern internationale Berühmtheiten.
Viele von ihnen gingen zum ersten Mal in ihrem Leben auf Reisen, hielten Vorträge über ihre unglaubliche Geschichte und trafen Prominente. Drei Filme über das „Wunder von Copiapo“ sind in Arbeit. Doch ein Jahr später hat bei den meisten von ihnen die Euphorie nach ihrer Bergung der Ernüchterung Platz gemacht.
Schwierige Rückkehr in den Alltag
Die Geretteten kämpfen auf die eine oder andere Weise immer noch mit dem Folgen des Unglücks. Sieben der 33 seien immer noch krankgeschrieben, sie litten unter anderem an Schlaflosigkeit, so der Arzt Alejandro Pino. „Einigen machen die Erinnerungen zu schaffen und sie leiden darunter“, sagte der damalige Schichtleiter, Luis Urzua. „Wir sind eben nicht alle gleichermaßen in der Lage, wieder auf die Beine zu kommen.“

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Omar Reigadas und Luis Urzua warten auf ein besseres Leben
Nach dem anfänglichen Wirbel ist es inzwischen ruhiger um die Bergleute geworden. Die meisten leben immer noch in der Nähe der Mine, doch die wenigsten arbeiten noch dort. Sie halten sich mit Gelegenheitsjobs und Spenden über Wasser. Osman Araya und Dario Segovia beispielsweise verkaufen Obst auf dem Markt von Copiapo.
Weder Frühpension noch Entschädigung
14 Anträge auf vorzeitigen Ruhestand prüft die Regierung noch. Mitte Juli reichten 31 Kumpel Klage gegen die Regierung ein, sie machen sie für die geringen Sicherheitsstandards der Mine verantwortlich und fordern 500.000 Dollar (350.700 Euro) Entschädigung pro Person. „Wir wollen, dass das, was wir in dieser Mine erdulden mussten, anerkannt wird“, sagte Bergarbeiter Luis Urzua.
Schwere Vorwürfe gegen Behörden
Die Bergleute werfen der staatlichen Geologie- und Minenbehörde vor, die Sicherheitsvorschriften in der Mine vor dem Unglück nicht überprüft zu haben. Der Bergarbeiter Claudio Yanez sagte, es habe bereits zuvor Unfälle in der Grube gegeben, und diese sei bereits einmal geschlossen worden. In den Jahren 2005 und 2007 habe es zudem zwei Todesfälle in der Mine gegeben.
Heftige Kritik wurde auch am Minenbetreiber San Esteban geübt. Dieser habe gewusst, was bei der Mine alles falsch gemacht wurde, hieß es vonseiten des Kumpels Mario Sepulveda, der sich als Sprecher der 33 Bergleute etabliert hatte. Chilenische Medien hatten berichtet, dass die Bergleute am Tag des Unglücks am 5. August ungewöhnliche Geräusche unter Tage gehört hätten. Ihre Bitte, die Mine sofort verlassen zu dürfen, sei ihnen aber untersagt worden.
Zum Jahrestag am Freitag gedenken die Kumpel des Unglücks mit einem Gottesdienst in Copiapo.
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