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Flüchtlingslager überfüllt

Wegen der dramatischen Situation in den Dürregebieten Somalias haben die Vereinten Nationen (UNO) in drei weiteren Regionen des Landes offiziell eine Hungersnot ausgerufen. Hintergrund der Entscheidung sei die steigende Zahl der an akuter Unterernährung leidenden Menschen im Süden und im Zentrum des Bürgerkriegslandes, teilten Ernährungsexperten der UNO am Mittwoch mit.

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Auch die Sterberate sei deutlich erhöht. Nach Einschätzung der zuständigen UNO-Organisation Food Security and Nutrition Analysis Unit (FSNAU) könnte sich die Situation in den Dürregebieten am Horn von Afrika in den nächsten Monaten weiter verschlimmern.

Keine Besserung bis mindestens Dezember

Zugleich warnten die Experten, dass die Hilfsleistungen für die leidende Bevölkerung immer noch unangemessen seien. Es sei dringend nötig, die Hilfen aufzustocken. Allein in Somalia sollen 3,7 Millionen Menschen von der Krise betroffen sein. 3,2 Millionen von ihnen benötigen nach Angaben der Helfer sofortige, lebensrettende Maßnahmen. „Die Zukunftsaussichten sind sehr düster“, sagte Grainne Moloney von der FSNAU der Nachrichtenagentur dpa.

Die FSNAU erwartet, dass sich „die Hungersnot in den nächsten vier bis sechs Wochen auf alle Regionen im Süden Somalias ausweiten wird“. Es werde sich wahrscheinlich bis mindestens Dezember 2011 auch nichts an dieser Situation ändern.

Al-Schabab-Miliz erschwert Hilfe

Bereits vor zwei Wochen war in zwei Regionen Südsomalias eine Hungersnot ausgerufen worden. Somalia leidet ganz besonders unter der schwersten Dürre seit 60 Jahren. Große Teile des Südens werden von der islamischen Al-Schabab-Miliz kontrolliert, die Hilfen westlicher Organisationen nur bedingt zulässt. Die Menschen flüchten auf der Suche nach Hilfe seit Wochen in die Hauptstadt Mogadischu, aber auch in die Nachbarländer.

Sterbequote unter Kindern „alarmierend“

Vor allem im kenianischen Flüchtlingslager Dadaab ist die Lage der völlig ausgezehrten Menschen alarmierend. Immer mehr unterernährte Kinder aus Somalia würden an den Folgen des Hungers sterben, teilte das Flüchtlingskomitee UNHCR am Mittwoch mit. In Teilen des größten Lagers der Welt sei die Rate der Kinder unter fünf Jahren, die die Hungersnot nicht überlebten, zuletzt von 1,2 auf 1,8 pro 1.000 Kinder gestiegen.

Diese Zahlen bezögen sich ausschließlich auf Todesfälle in den medizinischen Zentren in dem Lager. Dabei sei kaum abzuschätzen, wie viele Kinder täglich in anderen Teilen des Camps ums Leben kämen. Allein im Juli seien 40.000 Hungernde angekommen - das sei die höchste Zahl seit 20 Jahren, hieß es. Täglich kämen durchschnittlich 1.300 weitere verzweifelte Somalier hinzu. Obwohl die Organisation bereits Tausende Notunterkünfte aufgebaut habe, seien 45.000 weitere Zelte nötig, um dem Ansturm zu begegnen.

In Dadaab leben derzeit fast 400.000 Menschen. Die meisten von ihnen stammen aus Somalia. Ursprünglich war das Lager für 90.000 Menschen gebaut worden.

UNO: Zwölf Mio. Menschen betroffen

Die Lage im äthiopischen Flüchtlingszentrum Dolo Ado sei ähnlich kritisch. „Immer neue Flüchtlinge kommen geschwächt und ausgemergelt vom Hunger und dem langen Fußmarsch aus ihren Dörfern an“, hieß es. „Eins von drei Kindern, das in Dolo Ado ankommt, ist unterernährt.“

Heimatlose erreichen ein somalisches Flüchtlingscamp

Reuters/Feisal Omar

Viele Menschen sterben auf dem langen Fußmarsch nach Kenia

Drei Camps in der Region haben ihre Kapazität bereits erreicht. Ein weiteres Lager, Hilaweyn, soll voraussichtlich Anfang kommender Woche eröffnet werden. Es bietet Platz für 60.000 Menschen. Die UNO schätzt, dass fast zwölf Millionen Menschen am Horn von Afrika Hunger leiden.

„Sicherheitsnetze“ für Hungerperioden

Die UNO gab unterdessen bekannt, den Aufbau von strategischen „Sicherheitsnetzen“ vorantreiben zu wollen. Die afrikanischen Regierungen und die internationale Gemeinschaft müssten mehr in Nahrungsreserven und Wassermanagement investieren, um Lebensmittelknappheiten in Dürrezeiten vorbeugen, sagte der neue Direktor des Welternährungsprogramms in Äthiopien (WFP), Abdou Dieng, am Donnerstag in Addis Abeba.

Äthiopien hat nach Angaben von Dieng bereits in den vergangenen Jahren damit begonnen, solche Netze aufzubauen. Diese reichten aber nicht aus, um der derzeitigen Krise zu begegnen. „Es gibt Nahrungsreserven im Land, aber sie sind mittlerweile fast aufgebraucht“, so Dieng.

Ausweitung auf Uganda und Äthiopien droht

Die Hungersnot am Horn von Afrika könnte sich nach Einschätzung der UNO bald auf andere Länder ausweiten. Der Blick richte sich jetzt vor allem auf Uganda, wo Viehzüchter schwer von der Dürre betroffen seien. „Wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen der Dürre in der Region Karamoja im Norden des Landes“, sagte Stephanie Savariaud vom Welternährungsprogramm (WFP) am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa.

Die Welthungerhilfe weitet derweil ihre Hilfsmaßnahmen in Äthiopien aus, da sich auch dort die Lage verschärft hat. In den nächsten Tagen will die Organisation mit der Verteilung von Nahrung an 13.500 Erwachsene, 5.000 Kinder und 2.000 Schwangere und Stillende in der Afar-Region im Osten des Landes beginnen.

„Es hat ein Massensterben von Vieh eingesetzt, die Herden sind um rund 50 Prozent reduziert, die Weiden sind übersät mit Kadavern“, sagte Ursula Langkamp, Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe in Addis Abeba. „Für die nomadische Bevölkerung ist das eine Katastrophe.“ In Äthiopien haben bisher bereits mehr als 200.000 Flüchtlinge aus Somalia Zuflucht gesucht, aber auch die Lage von 4,8 Millionen Äthiopiern sei kritisch.

Afrikanische Union ruft zu Geberkonferenz auf

Unterdessen rief die Afrikanische Union (AU) am Donnerstag zu einer Geberkonferenz in Addis Abeba auf. Die Organisation reagiert mit diesem Schritt auf Kritik, dass die afrikanischen Staaten angesichts der Krise selbst weitgehend untätig geblieben sind. Die Staatengemeinschaft hat bisher nur 500.000 Dollar (knapp 350.000 Euro) für die Hungernden gespendet. Die Konferenz soll am 25. August stattfinden.

Ziel sei es, Gelder zu mobilisieren, Nothilfemaßnahmen zusammenzustellen und afrikanische Politiker und die internationale Gemeinschaft für eine Langzeitstrategie zur Bekämpfung solcher Krisen zu sensibilisieren.

Spendenmöglichkeit

Nachbar in Not - Hunger in Ostafrika
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