Währung um über 50 Prozent abgewertet
Die weißrussische Planwirtschaft ist nach knapp 17 Jahren unumschränkter Herrschaft von Alexander Lukaschenko in die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit vor 20 Jahren geschlittert. „Mit alten Methoden bekommt Lukaschenko die Wirtschaft nicht mehr in den Griff“, sagt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Vielmehr seien nun externe Gründe wie die Konsequenzen der Wirtschaftskrise, höhere Gas- und Ölpreise auf dem Weltmarkt und auch russische Interessen die Ursache. Von vielen Seiten wird Lukaschenko zu Privatisierungen gedrängt. Zwischen 70 und 80 Prozent der Betriebe sind in staatlicher Hand. Russland etwa will sich im Gegenzug zu finanzieller Unterstützung das Zugriffsrecht auf weißrussische Staatsbetriebe sichern. Es ist vor allem an den ölverarbeitenden Betrieben, einem der weltweit größten Düngemittelkonzerne Belaruskali und an Teilen der Telekommunikationsbranche interessiert.
Warteschlangen vor Wechselstuben
Zudem ließen großzügige Wahlgeschenke wie Lohn- und Pensionserhöhungen - Lukaschenko ließ sich im Dezember vergangenen Jahres wieder zum Präsidenten wählen - die Inflation auf deutlich über 30 Prozent nach oben schnellen. Die Auslandsschulden belaufen sich auf rund 28,5 Milliarden Dollar.
Im Mai wurde der Rubel um mehr als die Hälfte abgewertet. In Geschäften war es zu Panikkäufen gekommen, denn über Nacht verloren die Einkommen fast die Hälfte an Kaufkraft. Euro und Dollar sind kaum noch zu bekommen. Vor den Wechselstuben gibt es lange Warteschlangen und Wartelisten. Devisen gibt es aber kaum noch. Eine 30-prozentige Erhöhung der Benzinpreise machte das Regime nach Protesten wieder rückgängig.
„Gleicht einem Ruin“
Da Weißrussland mehr importiert als exportiert, brach die Handelsbilanz ein. Aufgrund der prekären Finanzsituation verschärfte Lukaschenko im Juni die Ausfuhrbestimmungen für Lebensmittel und Industriegüter noch mehr. Dennoch können viele Weißrussen nur noch die notwendigsten subventionierten Lebensmittel wie Brot und Milch kaufen.

Reuters/Vasily Fedosenko
Nach der Abwertung der Währung gab es Hamsterkäufe.
„Es gleicht einem totalen Ruin“, sagte etwa Andrej Karpunin, Chef des Minsker Klubs für die Finanzchefs von Unternehmen gegenüber der dpa. Den kontrollierten Medien wurde verboten, Krisenstimmung zu verbreiten. Die Proteste auf den Straßen konnten dennoch nicht verhindert werden.
Abhängig von Russland
Zwar bat Lukaschenko auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Kredite, die Abhängigkeit von der Unterstützung Russlands ist dennoch enorm. Denn der IWF pocht auf Reformen. Russland lässt aber ebenfalls nicht mehr mit sich spielen. Erst vor wenigen Wochen drohte es damit, seine Stromlieferungen einzustellen, sollten nicht sofort die offenen Rechnungen beglichen werden. Mehrere Tage waren die Lieferungen tatsächlich unterbrochen – bis Minsk seine finanziellen Verpflichtungen in der Höhe von umgerechnet knapp 14,5 Millionen Euro erfüllte.
Neben IWF und Russland trat nun vor wenigen Wochen auch China als potenzieller Geldgeber auf. Für Infrastrukturprojekte gewährte die Volksrepublik Weißrussland einen Kredit von 731 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte. Damit soll etwa eine Zellstofffabrik gebaut werden, eine Autobahn renoviert und eine Eisenbahnlinie elektrifiziert werden, hieß es vonseiten des Regimes.
Von EU und USA sanktioniert
Viel Unterstützung hat Lukaschenko sonst nicht mehr. Von der EU wurde er vor allem wegen der harten Reaktion auf Proteste nach der Wahl im Dezember und Jänner isoliert. Lukaschenko lässt sich von verhängten Sanktionen nicht beeindrucken: „Wir tanzen nicht nach der Brüsseler Pfeife.“ Experten vermissen eine Strategie vonseiten der EU. Die EU warte derzeit offenbar, bis das Regime fällt, ist Olga Schumylo-Tapiola vom Carnegie Endowment Center überzeugt: „Das ist ein Fehler.“ Auch Rahr vermisst einen Plan B der EU.
Die EU hatte Mitte Juni die Sanktionen gegen Minsk verschärft und erstmals auch den Handel mit und das Vermögen von drei Firmen eingefroren, die zum Umkreis Lukaschenkos zählen. Auch die USA verlängerten die Sanktionen gegen das Regime um ein weiteres Jahr.
Links: