„Waghalsige Politik“
Trotz der Finanzprobleme im eigenen Land hat sich China nur wenige Tage vor der Einigung im US-Schuldenstreit mit scharfen Worten an die USA gewandt: Man sah in dem Schuldendrama in den USA eine „waghalsige Politik“, die den Rest der Welt mit in den Abgrund ziehen könnte.
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Das Kräftemessen zwischen Kongress und Weißem Haus könnte leicht außer Kontrolle geraten, fand ein Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. „Ein solches politisches Spiel mit dem Feuer in Washington ist gefährlich unverantwortlich.“ Es bestehe das Risiko, dass die noch schwache wirtschaftliche Erholung nicht nur in den USA, sondern in der ganzen Welt wieder stranguliert werde. Kommentator Deng Yushan warnte vor einer zweiten Rezession - „nur könnte es diesmal eine viel größere Sauerei werden“.
Besonders die potenziell gefährlichen Auswirkungen der Krise auf die Weltwirtschaft beunruhigten den Exportweltmeister. Eine Einigung konnte in letzter Minute getroffen werden - der größte ausländische Kreditgeber der USA hätte sich allerdings auch sonst keine Sorgen machen müssen, wenn die US-Regierung zahlungsunfähig geworden wäre. „Es wäre nur ein technischer Verzug - nicht einer, der durch Insolvenz verursacht ist“, erläuterte der US-Finanzprofessor Michael Pettis von der Guanghua-Managementschule der Peking-Universität. Im schlimmsten Fall hätten sie ihr Geld später bekommen, „aber mit vollen Zinsen“, sagte Pettis der Nachrichtenagentur dpa.
Enorme Investitionen in US-Anleihen
China hat gigantische 1,15 Billionen US-Dollar in amerikanische Schatzanleihen investiert. Der Grund sind die mit Abstand weltgrößten Devisenreserven, die China durch seine Handelsüberschüsse ansammelt: 3,2 Billionen US-Dollar (2,3 Billionen Euro). China verkauft seine Waren in den USA, investiert die eingenommenen US-Dollar wieder in US-Anleihen und schafft damit neue Liquidität in den USA. Der Kreislauf ist notwendiger Bestandteil des chinesischen Handels- und Wachstumsmodells. Überhaupt ist nur der amerikanische Anleihenmarkt auch groß genug, um solche Mengen an US-Dollars aufzunehmen.
Sowohl das Exportland China als auch das Schuldenland USA stützen ihr Wirtschaftsmodell schon lange auf diesen Mechanismus. Doch die gewaltigen Ausfuhrüberschüsse in China sind ebenso ungesund wie die hohen Schulden in den USA, was seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 augenfällig wurde. China hält zudem noch den Wert seiner Währung gegenüber dem US-Dollar niedrig, was seine Waren auf ausländischen Märkten verbilligt. Es fürchtet, dass die geforderte Aufwertung des Yuan viele Arbeitsplätze in seiner Exportindustrie kosten würde.
Wie ernst die USA die Sorgen aus China nehmen, zeigte ein Besuch von Außenministerin Hillary Clinton in Hongkong eine Woche vor der Lösung des Schuldenstreits. Sie versuchte dabei, den Handelspartner zu beruhigen.
Herausforderungen für beide Länder
Beide Länder sind abhängig voneinander. Um die Krise zu bewältigen, müssten sie alte Gewohnheiten über Bord werfen. China müsste seine Währung aufwerten, weniger exportieren, stattdessen den heimischen Konsum ankurbeln und den Marktzugang für ausländische Unternehmen verbessern. Die USA wiederum müssten wettbewerbsfähiger werden, könnten mit besseren Exportchancen in China daheim auch Arbeitsplätze schaffen - vor allem aber, so mahnen Experten, müssten Staat und Bürger aufhören, so viele Schulden zu machen.
Hier liegt die Hauptsorge Chinas: Eine weitere quantitative Lockerung, also eine expansive Geldpolitik, um die US-Wirtschaft über die niedrigen Zinsen hinaus mit noch mehr Kapital zu versorgen - in der Hoffnung, dass sie wieder anspringt und sich selber besser trägt. China fürchtet als Folge einen weiteren US-Dollar-Verfall und eine Erhöhung der Rohstoffpreise, was seine Wirtschaft hart treffen würde.
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