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Provinzen stöhnen unter Schuldenlast

Droht China ein innerer Finanzkollaps durch mangelnde Steuereinnahmen für die Provinzregierungen? Mittlerweile zeigen sich auch chinesische Analysten besorgt darüber, dass die Schuldenlast der Provinzen explodiert. Im Moment verkaufen viele Provinzen Land, damit man nicht von der Schuldenlast erdrückt wird. Genau das will Peking verhindern, will den Regionen aber keine neuen Einnahmequellen erlauben.

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Leben Chinas lokale Behörden über ihre Verhältnisse? Und gefährden sie mit ihrer Schuldenlast am Ende das gesamte chinesische Finanzsystem? Selbst in chinesischen Thinktanks, also Institutionen mit Nähe zur Regierung, zeigt man sich besorgt.

Der rasante Aufstieg vieler chinesischer Provinzstädte wurde über eine Anhäufung von Schulden erkauft. Laut chinesischem Steuersystem bleibt der Hauptteil der Einnahmen bei der Zentralregierung und ihrer Verteilungsmacht hängen.

„Brauchen Reform des Steuerrechts“

„Wir brauchen dringend eine Reform des Steuerrechts“, zitierte etwa Reuters den Analysten Wang Jun vom regierungsnahen Thinktank CCIEE (China Center for International Economic Exchange). „Es kann wenig Zweifel geben, dass die Schuldenkrise in den Provinzen und Städten eng mit dem Steuersystem zusammenhängt“, so Jun.

Für die lokalen Behörden gebe es eine Unausgewogenheit zwischen den Aufgaben, die man zu schultern habe, und der Einkunftsstruktur. Gerade jenes Wirtschaftsprogramm, das seit 2008 die Entwicklung der Regionen und Städte fördern sollte, wurde für die Regionen zur Hürde. Die Entwicklung der Städte passierte auf Pump, und die Zentralregierung in Peking saß auf den Einnahmen.

Verändertes Steuersystem

Die Schulden der Lokalregierungen gehen auf die Änderungen des Steuersystems im Jahr 1994 zurück. Zhu Rongji, früherer Bürgermeister von Schanghai und Mitte der 1990er Jahre Chef der Chinesischen Zentralbank, hatte ein Steuersystem entworfen, das Peking die Handhabe gab, rasche ökonomische Reformen durchzusetzen.

Chinas früherer Premier Zhu Rongji gemeinsam mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder während der Transrapid-Jungfernfahrt 2002

DPA/Martin Athenstädt

Chinas früherer Zentralbankchef und Premier Zhu Rongji, hier während der Jungfernfahrt des Transrapid, 2002, mit dem damaligen deutschen Kanzler Gerhard Schröder

Dafür blieben alle Konsumsteuern und auch die aus dem Handel erzielten Abgaben bei der Zentralregierung. Auch das Gros des Mehrwertsteueraufkommens blieb der Zentralregierung.

Die Zentralregierung verteilt Gelder an die Provinzen - doch selten reichte das, um die massiv gestiegenen Ausgaben zu decken. Umgerechnet 471 Mrd. Euro hat die chinesische Zentralregierung seit 2008 zudem verbraucht, um die Folgen der globalen Finanzkrise abfedern zu können.

Provinzregierungen bräuchten Steuergeld

2010 bekamen die Provinzregierungen 49 Prozent der Staatseinnahmen. Im Jahr 1993 lag dieser Anteil noch bei stolzen 83 Prozent. Doch 82 Prozent der öffentlichen Ausgaben entfallen in China auf die Provinzen. Ergebnis: Die Schuldenlast der Provinzen hat sich auf mittlerweile umgerechnet 1,15 Billionen Euro summiert.

Tao Wang, Analyst bei der UBS, sieht die Provinzregierungen grundsätzlich gut ausgestattet. Aber diese hätten auch zu viele Ziele und Projekte umzusetzen. Sich dabei auf die Zentralregierung zu verlassen und zugleich auf Landverkäufe zu setzen, sei alles andere als eine nachhaltige Entwicklung. Zudem ist Peking Spekulation ein Dorn im Auge. Schiebt man hier einen Riegel vor, dann drohen die Einkünfte der Regionalregierungen zusätzlich auszutrocknen. 70 Prozent der Einkünfte von Provinzregierungen kamen 2010 aus Landverkäufen. Doch im Moment fallen die Einkünfte aus diesen Aktivitäten, weil die Zentralregierung hier schon bremsende Maßnahmen setzt.

Harter Sparkurs oder mehr Schulden?

Für die Provinzregierungen bleibt im Moment nur ein harter Sparkurs - oder aber die Ausweitung der Schuldenlast.

Wenn die Lokalregierungen nicht ihre Land- und Fiskalreformen durchführen können, dann wird das regionale Schuldenproblem weiter aufrecht bleiben, sagte Zhou Qiren, Berater der Bank von China.

China wird das Problem nur lösen können, wenn die Zentralverwaltung wieder mehr Geld für die Provinzen lockermacht. Gleichzeitig wird mehr Transparenz bei diesen Transferleistungen gefordert - also die Veröffentlichung von Budgetzahlen. Und letztlich müsse, so der Ökonom Stephen Green von Standard Chartered, den Lokalregierungen eingeräumt werden, bestimmte Einnahmen selber lukrieren zu können.

Keine rein ökonomische Frage

Die Frage, bekennt auch Analyst Wang, sei keine rein ökonomische. Das Verhältnis zwischen Zentralregierung und der Regionalverwaltung sei zunächst eine politische. Und ob China gerade hier schnell zu einer Einigung kommt, wird von Analysten bezweifelt. Die Notwendigkeit zu handeln scheint jedenfalls mehr als geboten.

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