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Kein Schusswechsel mit Polizei

Der mutmaßliche norwegische Doppelattentäter Anders Behring Breivik hat sich vor seiner Festnahme auf der Insel Utöya der Polizei ergeben, ohne einen Schuss auf die Beamten abzufeuern. Breivik habe die Beamten mit erhobenen Armen empfangen. Seine Waffen lagen zu dem Zeitpunkt rund 15 Meter hinter ihm.

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Das berichtete Einsatzleiter Haarvard Gaasbakk bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Gemeinsam mit sieben weiteren Beamten der Osloer Eliteeinheit „Delta“ und einem örtlichen Polizisten sei er nach dem Alarm zu der dort stattfindenden Schießerei auf der Sommercamp-Insel an Land gegangen.

Festnahme nach „zwei Minuten“

Nachdem sie die rund 300 Meter durch „schwieriges Terrain“ in Richtung der zu hörenden Schüsse an der Südspitze von Utöya gelaufen seien, hätten sie „Bewaffnete Polizei“ gerufen, um die Aufmerksamkeit des Schützen auf sich zu ziehen. Als Breivik in Sichtweite der Beamten geriet, habe sie dieser bereits mit erhobenen Armen empfangen, so Einsatzleiter Haarvard Gaasbakk. Demnach sei der Täter schon zwei Minuten nachdem das Sonderkommando die Insel erreicht hatte, gefasst worden. Zuvor hatte er dort 68 Menschen getötet.

Schießbefehl in letzter Sekunde zurückgenommen

Sekunden vor der Festnahme sollte der Täter durch Schüsse unschädlich gemacht oder getötet werden. Wie die norwegische Nachrichtenagentur NTB am Donnerstag unter Berufung auf Polizeikreise berichtete, hatten Angehörige der Eliteeinheit bereits auf Breivik angelegt.

Als sich einer der Polizisten sicher war, dass der 32-Jährige unbewaffnet war, wurde der Schießbefehl in letzter Sekunde zurückgenommen. Ausschlaggebend sei gewesen, dass Breivik keinen Sprengstoff am Körper trug, hieß es. Der Attentäter kam mit erhobenen Armen auf die Beamten zu. In dem NTB-Bericht hieß es weiter, dass er schon kurz nach seiner Festnahme versuchte, mit der Polizei zu „verhandeln“. Er sei mehrere Stunden in einem Haus auf der kleinen Fjordinsel festgehalten worden, ehe ihn die Polizei in ihre Osloer Zentrale brachte.

Vor Beginn des Massakers identifiziert

Die Zeitung „Aftenposten“ berichtete, dass die Polizei Breivik auf Überwachungskameras im Osloer Regierungsviertel schon vor Beginn des Massakers auf Utöya als Täter identifizieren konnte. In Oslo hatte er einen gemieteten Kleintransporter mit 500 Kilogramm Sprengstoff geparkt, ehe er in einem anderen Mietwagen zur 40 Kilometer entfernten Insel Utöya weiterfuhr.

Rund 250 Personen aus Wasser gerettet

Laut dem örtlichen Polizeichef Magne Rust wurden 250 Menschen, die in Panik ins Wasser flüchteten, gerettet. Genaue Angaben seien schwierig, da einige Jugendliche es auch selbst ans Ufer schafften. Insgesamt seien aber wohl bis zu 300 Menschen im Wasser gewesen. Laut dem Osloer Sender TV2 wird noch ein Opfer vermisst. Die Polizei kommentierte die Angaben nicht und will keine Vermisstenzahlen mehr veröffentlichen, zuletzt war von vier oder fünf die Rede gewesen.

„Konnten nicht schneller dort sein“

Die Kritik, die Polizei habe zu lange gebraucht, um die Insel zu erreichen, wurde erneut zurückgewiesen. Oslos Polizeichef Anstein Gjengedal hatte bereits am Montag gesagt, die Anti-Terror-Einheit „Delta“ sei sofort nach dem ersten Alarmruf trotz der vorherigen Bombenexplosion im Regierungsviertel Richtung Jugendlager in Gang gesetzt worden: „Wir waren schnell da.“

Die Eliteeinheit der Polizei war in Autos aus dem 45 Kilometer entfernten Oslo gekommen, Hubschrauber stand offenbar keiner zur Verfügung. Die Einsatzkräfte verloren nach Angaben mehrerer Medien zudem Zeit, weil beim Übersetzen auf die kleine Fjordinsel ein Bootsmotor streikte. „Wir haben volles Verständnis für alle, die glauben, dass jede Minute gezählt hat“, sagte „Delta“-Chef Anders Snortheimsmoen. Aber man habe das Menschenmögliche getan, und es sei nicht möglich gewesen, schneller dort zu sein.

Ministerpräsident Jens Stoltenberg kündigte eine Überprüfung durch eine unabhängige Kommission an. Ziel sei es, festzustellen, „was funktionierte und was weniger gut funktionierte“, sagte er am Mittwoch in Oslo. Daraus müssten Lehren für das künftige Handeln der Polizei gezogen werden.

Präparierte Munition

Indes berichteten Medien von weiteren Details der Tat. Laut der schwedischen Zeitung „Svenska Dagbladet“ kopierte Breivik die Bauanleitung für seine Bombe im Zentrum Oslos von einer US-Website. Chemikalien zum Bau von Bomben hatte er über das Internet unter anderem bei einer Firma in Polen bestellt. Aluminium für den Sprengsatz holte er im schwedischen Karlstad ab.

Ein norwegisches Unternehmen bestätigte der Zeitung „Aftenposten“, dass Breivik im November vier Magazine und eine Schnellladevorrichtung für seine Pistole erworben hatte. Die Munition dürfte er ebenfalls über das Internet erworben haben. Diese präparierte er später noch, so dass sie maximale Schäden hervorrief. Breivik verfügte bei seiner Festnahme nach dem Massaker „noch über große Mengen Munition“, so die Polizei.

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